„Keine Angst. Das ist nicht die Inquisition, die können auch zuhören.“ – Karl Nagel über die BPjM, nachdem sein Indie-Comicblatt Die oder Wir! vom Vorwurf der Jugendgefährdung freigesprochen wurde.
„(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.“ – Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Art. 5
Es gehört unter Comic-, Film- und Computerspielfans zu einer Art Common Sense, in der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) ein Feindbild zu sehen und deren Spruchpraxis als weltfremd abzukanzeln. Das war in den 1950er-Jahren so, als die damals auf Grund der Comic-Hatz eingeführte Behörde Sigurd- und Akim-Heftchen zensierte, das war in den 1970er-Jahren so, als die damals noch BPS (Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften) genannte Behörde sich den Erwachsenencomics zuwandte, das war in den 1980er-Jahren, als sie Kriegsspiele für den Commodore 64 indizierte, deren simple und abstrakte Blockgrafik als ausreichend gesehen wurde, um Gewalt- und Kriegsverherrlichung in Kinderzimmer zu transportieren, und das wird auch heute noch so gesehen. Tatsächlich fällt es schwer zu akzeptieren, dass harmlose Activision-Spiele oder ironische Lieder von den Ärzten ranggleich mit rechtsradikaler Propaganda gelistet werden. Irgendetwas scheint in diesem Bild nicht zusammenzupassen.
Dennoch möchte ich mir kein vorschnelles Urteil bilden und mich auch nicht zum Instrument von Nörglern machen lassen, die alles besser wissen als „die da oben“, tatsächlich aber ebenso überfordert darin sind, konstruktiven Jugendschutz zu betreiben. Wäre eine Haltung des Laissez-faire tatsächlich die bessere Lösung? Regelt sich am Ende alles von selbst am besten, wenn man es nur in Ruhe lässt? Oder würde die Stelle der etablierten Behörde, welche die Indizierungsanträge verhandelt, schlussendlich durch private Initiativen gefüllt werden, die wesentlich unberechenbarer wäre als die BPjM, welche immerhin im Idealfall einen Querschnitt der gebildeten Schicht darstellt? Denn so wie sich die Spruchpraxis der BPjM derzeit gestaltet, merkt man durchaus ein Bemühen, den Herausforderungen der heutigen Medienwelt gerecht zu werden. Vielleicht ist es das beste, mit der BPjM als einer manchmal lästigen, aber zumindest vertrauten Institution zu leben. Und was kann diese Behörde letztlich dafür, wenn übereifrige Staatsanwälte und Jugendämter übers Ziel hinausschießen und völlig überzogene Anträge stellen? Oder tun die das etwa nur, weil es ihnen in Deutschland so leicht gemacht wird?
Im folgenden zweiteiligen Aufsatz werde ich einige Urteile der BPjM gegenüberstellen, die ich für repräsentativ genug halte, die generelle Spruchpraxis der Bundesprüfstelle einschätzen zu können. Im ersten Teil des Aufsatzes wird dabei die Darstellung von Sexualität im Vordergrund stehen, während es im zweiten Teil eher um die Darstellung von Gewalt gehen wird.
Die Schere im Kopf
Geweckt wurde mein Interesse an diesem Thema mit einer Falschmeldung, die im Internet kursiert, in der es heißt, Milo Manaras Der Goldene Esel sei wegen unzüchtiger Szenen zwischen Mensch und Tier indiziert. Diese vermeintliche Indizierung erschien mir unangemessen, nimmt besagter Eselsex doch nur einen Bruchteil der Handlung in Anspruch. Auch dachte ich, sollte in Betracht gezogen werden, dass der Esel dieses Comics ein verzauberter Mensch ist – selbst wenn das natürlich Alibifunktion haben könnte, um arglose Zensoren zu täuschen (was ich Manara nicht unterstellen möchte). Aber selbst dann bliebe die Tatsache, dass die Darstellung solcher Interaktion zwischen Tier und Mensch in der Mythologie und der Weltliteratur Tradition hat. Man denke nur an Shakespeares Sommernachtstraum, in der es die Elfenkönigin Titania ebenfalls, wenn auch versehentlich, mit einem Esel treibt, der wiederum nur ein verhexter Mensch ist. Der wunderschönen Verfilmung davon mit Kevin Kline und Michelle Pfeiffer würde man kaum die Verherrlichung von Zoophilie unterstellen wollen, und mit Manaras Eselcomic, der Adaption einer antiken römischen Sage von Apuleius, verhält es sich nicht viel anders. Obwohl natürlich um einiges deutlicher und expliziter als Kevin Kline mit seinen plüschigen Eselsohren, hat die Eselgeschichte einigen Charme, den man in dieser Form von Manara gar nicht gewöhnt ist. Erinnert sei nur an sein wüstes Click, in dem die arme Heldin Claudia von einer entwürdigenden Situation in die nächste gestoßen wird, da sie von einem alten Lüstling einen Empfänger eingepflanzt bekommen hat, über den dieser ihre sexuelle Triebkraft fernsteuern kann.
Inzwischen ist klar, Der Goldene Esel ist überhaupt nicht indiziert und war das auch nie, aber wahrscheinlich ist die Angst vor dem § 184, „der die Verbreitung eine[r] pornographische[n] Schrift (§ 11 Absatz 3), die Gewalttätigkeiten oder sexuelle Handlungen von Menschen mit Tieren“ unter Strafe stellt, so groß, dass man sich gar nicht vorstellen kann, dass so ein Buch nicht auf dem Index landet. Die deutsche Fassung, wie sie 2000 bei Schreiber & Leser erschien, dürfte tatsächlich aber wenig Raum zur Beanstandung lassen, denn der gefährliche Eselsex ist nicht mehr als eine angedeutete Episode, und wie sich noch zeigen wird, sind die Mitglieder des 12er-Gremiums, das über Indizierungen entscheidet, in der Lage, eine Schrift differenziert zu beurteilen. Aber wie steht es mit der um zwei Seiten längeren Originalversion, die die Verführung des Esels durch eine reiche Adelige in epischer Breite ausmalt, wenn auch mit Textblöcken an allen Stellen, die tatsächlich die Geschlechtsteile zeigen? Diese Szene fiel aus nachvollziehbarem Grund der berüchtigten Schere im Kopf zum Opfer, und das, obwohl sie in Frankreich problemlos erscheinen konnte.
Ja, der Respekt, bzw. die Angst vor der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien ist groß, und viele Freunde hat diese Institution wohl nicht unter den Fans von Games, Filmen und Comics. „Eine derartige Institution bestehe auch in keiner anderen westlichen Demokratie“, heißt es auf Wikipedia, was allerdings nicht bedeutet, dass nicht auch in anderen Ländern der Jugendschutz mit der Kunstfreiheit kollidiert. Am augenscheinlichsten ist natürlich die Zensur von freizügigen Darstellungen in Amerika, beispielsweise wenn in einer Ausgabe der 1970er-Jahre-Comicserie Savage Sword of Conan eine nur mit durchsichtigem Schal bekleidete Frau in jeder Neuauflage etwas mehr Stoff verpasst bekommt, bis daraus ein völlig blickdichtes Tuch wird. Und natürlich verblüfft auch, dass die Schwarzschlümpfe in Amerika eine violette Hautfarbe erhalten, um die Black Community nicht zu beleidigen. Die Schere im Kopf wird also nicht nur durch eine staatliche Kontrollinstanz wie die BPjM erzeugt, zivile Verbände und ein allgemeiner Wertewandel können ebenso wirkmächtig sein. Selbst Frankreich hat zwei aktuelle Zensurfälle zu verzeichnen: Aufgrund der angespannten Lage der inneren Sicherheit haben die beiden Filme Timbuktu und Der Apostel Aufführungsverbot, beides Filme mit einer religiösen, interkulturellen Thematik. Man befürchtet, die Filme könnten die Terrorgefahr noch zusätzlich verschärfen. Scheren im Kopf gibt es, davon kann man sicher ausgehen, in jedem Land, nur die spezifischen kulturellen Hintergründe sind jeweils andere. In Deutschland ist es eben, wie kann es anders sein, eine staatliche Behörde, vor allem aber auch die Jugendämter oder Staatsanwälte, die die Indizierungsanträge stellen.
So wie die Staatsanwaltschaft Meiningen, die 1995 zuerst eine Razzia im Alpha Comic Verlag durchführte und 1996 die Aktion noch ausweitete und bundesweit in über 1000 Buchhandlungen nach „gefährlichen“ Comics fahnden ließ. Interessanterweise gab es damals bereits diverse Freisprüche und Freigaben durch die BPjM, beispielsweise zu Ralf Königs Bullenklöten (dazu später noch mehr); durch eine vorherige Information über die damals herrschende Spruchpraxis der BPjM hätte demnach viel Ärger und Verunsicherung vermieden werden können. Dies vor Augen muten die Konfiszierungen von Comics wie Ralf Königs Kondom des Grauens, Paul Gillons Schrei nach Leben und einem Werbeplakat zu Art Spiegelmans Maus schon sehr abwegig an. Aus einer riesigen Menge beanstandeter Comics war eine einzige Seite eines einzelnen Buchs „tatbestandsrelevant“. So bleibt kein Zweifel an der Unverhältnismäßigkeit der Aktion. In der Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den verantwortlichen Staatsanwalt Hönninger, die von der Edition Kunst der Comics, dem Alpha Comic Verlag und dem Auslieferer Packwahn eingereicht wurde, heißt es zudem: „Wir werfen ihm [d. i. Staatsanwalt Hönninger] weiterhin vor, bis heute keinen Kontakt zu professionellen Instituten wie zum Beispiel der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften […] aufgenommen zu haben, sondern um unsere Bücher zu beurteilen, sich ausschließlich auf seinen persönlichen Geschmack zu beschränken.“ Diese Formulierung lässt durchaus darauf schließen, dass man die BPjM (damals noch BPS) nicht zwingend negativ einschätzte, sondern in ihr vielmehr eine korrigierende Instanz sah, die für eine dringend benötigte Rechtssicherheit sorgen konnte – und kann.
Achim Schnurrer, der als Inhaber des Alpha Comic Verlags damals direkt von dieser Aktion betroffen war, schreibt dazu in seinem Aufsatz „Comic: Zensiert“: „Jeder Indizierung stehen ungleich mehr Indizierungsanträge gegenüber, die von Länderministerien oder Jugendämtern an die BPS gerichtet werden. Und immer, wenn die BPS entscheidet, daß der Antrag zur Verhandlung kommt, bedeutet dies für den betroffenen Verlag, dass er seinerseits aktiv werden muss. Häufig müssen Rechtsanwälte und unabhängige Gutachter eingeschaltet werden, zumindest aber müssen Stellungnahmen gegen die Gutachter eingeschaltet werden. […] All dies kostet Zeit und noch mehr Geld.“
Zwar ist es gut möglich, dass die gefährlichste Zeit für Comics, jetzt wo Internet und soziale Medien die Medien der Jugend sind, vorbei ist, und eine Blamage wie damals 1995 wird sich hoffentlich so bald kein Staatsanwalt mehr leisten wollen; zu sehr sollte man sich aber auch nicht in Sicherheit wiegen. Auch im Filmbereich hätte man nicht erwartet, dass die Zensurwelle, die es zur Zeit der aufkommenden Heimvideorekorder in den 1980er Jahren gab, noch einmal wiederholen würde, aber die Welle extremen Horrors in den Nuller Jahren hat schnell Reaktionen nach sich gezogen. Zwar kam es in den letzten Jahren zu zahlreichen Listenstreichungen und Verjährungen – so ist beispielsweise selbst The Texas Chainsaw Massacre nicht mehr strafrechtlich relevant, sondern frei zugänglich, gleichzeitig wurde aber die Beschlagnahmung von George A. Romeros Horrorfilm Dawn of the Dead erst 2010 wieder erneuert, was den Vertrieb und die Vorführung des Films zum Straftatbestand macht. Abgesehen von solchen Blüten ist die Spruchpraxis der BPjM aber durchaus auch von Sachverstand und Einfühlungsvermögen geprägt.
Das 12er-Gremium spricht: Ralf Königs Bullenklöten keineswegs grob aufdringlich
Bereits ein Jahr vor der Aktion gegen den Alpha Comic Verlag gab es einen wegweisenden Beschluss durch die BPjM, so dass man es in Meiningen eigentlich längst hätte besser wissen können. Das Bayerische Landesjugendamt stellte, nachdem die Staatsanwaltschaft den Vorwurf wegen Pornografie bereits zurückgewiesen hatte, gegen Bullenklöten einen Indizierungsantrag, da Bullenklöten, „geeignet sei, Kinder und Jugendliche sozialethisch zu desorientieren“.
Der Antragsteller wird im Beschluss der BPjM folgendermaßen zitiert: „Durch die kindernahe Darstellungsform als Comic muss jedoch davon ausgegangen werden, dass Kinder (und auch Jugendliche) von den witzig karrikierten Typen in den Bann geschlagen werden. Dabei werden bereits auf der ersten Seite der Geschichte (Seite 7) drastische Sexualvokabeln benutzt. In offener Darstellung mit Masturbationssequenzen und zotigen Alltagsdialogen wird eine auf Sexualgenuss zentrierte Gedankenwelt nachdrücklich präsentiert.“ Es folgen weitere Ausführungen, die beispielsweise darlegen wollen, dass im Comic „Homosexualität von Minderjährigen als selbstverständlich“ qualifiziert werden sollte, gleichzeitig würden „diskriminierende Äußerungen gegen Heterosexualität vorgebracht.“ Desweiteren schreibt der Antragsteller: „Die Präsenz der zeichnerischen Darstellung kumuliert auf den Seiten 76, 84, 101ff, 130ff zu eindeutiger ausführlicher Pornografie. Diese kann für Kinder und zartbesaitete Jugendliche zu Verstörung oder/und Desorientierung führen, da sie sich weit von den sanften Formen jugendlicher Sexualität entfernt. Das ist besonders dort relevant, wo Ausprägungen von Gewalt mit Sexualität vermischt werden. […] Die Präsentation homosexueller Handlungen unter Minderjährigen, promisker Sexualerziehung […], Analverkehr […] und auch die Steigerung des Genusses durch Drogen […] muss im Sinne des Kinder- und Jugendschutzes von den Jüngeren der Gesellschaft ferngehalten werden.“ Aber das Jugendamt differenziert auch und wägt ab: „Aufgrund der Pop-Art nahen Darstellungsform und der comichaften Verfremdung ist der Kunstvorbehalt in die Überlegungen mit einzubeziehen. Nach hier vorliegender Auffassung hat dieser aber zurückzustehen, da in Häufigkeit und Intensität allzu intensiv auf die nicht oder wenig geschädigte sexuelle Identität von Kindern oder Jugendlichen verstörend eingewirkt wird.“
Tatsächlich übertreibt das Landesjugendamt in seiner Darstellung nicht. Bullenklöten ist tatsächlich so deutlich und explizit wie beschrieben, allerdings wird im Antrag die vielschichtige Handlung und die Motivation der Figuren unterschlagen. Die hat das 12er-Gremium der BPjM, bestehend aus einem Vorsitzenden der Bundesprüfstelle, einem Hochschullehrer, einem Schriftsteller, zwei Vertretern der öffentlichen bzw. freien Jugendhilfe, einem Schulrektor und einem Oberkirchenrat sowie zwei Länderbeisitzern, jedoch erkannt und in seine Abwägungen mit aufgenommen: „Das Gremium ist der Auffassung, dass es sich keineswegs um Pornografie handelt. Ein Tatbestandsmerkmal der Pornografie ist, dass das Medium unter Hintansetzen aller sonstigen menschlichen Bezüge sexuelle Vorgänge in grob aufdringlicher Weise in den Vordergrund rückt und seine objektive Gesamttendenz ausschließlich oder überwiegend auf Aufreizung des Sexualtriebs abzielt. Demgegenüber lebt jedoch das Comic-Buch davon, dass es menschliche Bezüge insgesamt schildert, dass es Gefühlswelten in allen Schattierungen aufgreift und auch bestimmte Verhaltensweisen ironisierend konterkariert. Isoliert betrachtet sind sicherlich manche Zeichnungen so gestaltet, dass man sie als pornografisch bezeichnen könnte. Doch es ist bei einem Werk stets der Gesamteindruck zu berücksichtigen und dieser Gesamteindruck lässt die Beisitzer zu der Überzeugung gelangen, dass hier keine Pornografie vorliegt.“ Auch von Bedeutung sei der Umstand, dass es sich „schon dem äußeren Augenschein nach nicht um ein Buch handelt, zu dem Kinder in erster Linie greifen werden.“ Ebenso sei für Jugendliche der Satirecharakter in Bullenklöten zweifelsfrei erkennbar. „Satire“, wird in der Begründung weiter ausgeführt, „ist dadurch gekennzeichnet, dass sie in überzeichnender, wenngleich auch manchmal geschmackloser Weise Dinge ins Clowneske verzerrt. Bei der Prüfung, ob die karikative oder satirische Form eine solche darstellt, ist zu berücksichtigen, dass es zum Wesen von Karikatur und Satire gehört, mit Mitteln zu arbeiten, die übertrieben und in grotesker oder verzerrender Weise pointieren oder verfremden, weshalb hier ein größeres Maß an Gestaltungsfreiheit zugestanden werden muss. […] So wie eben Satire alles verfremdet oder überspitzt darstellt, so sind eben auch die Beziehungen zwischen Paul, Konrad, Ramon, Matthias usw. in grotesker Weise pointiert.“ Und mit dieser Argumentation wurde Bullenklöten schlussendlich nicht in die Liste der jugendgefährdenden Schriften aufgenommen.
Eine bemerkenswert moderne, differenzierte und erfreuliche Begründung, brachte sie doch ein hohes Maß an Sicherheit, einerseits für den Buchhandel, vor allem aber auch für Ralf König, der fortan auch in seinen Mainstreamarbeiten keine derart rigide Schere im Kopf mehr haben musste wie zuvor. Es ist der BPjM hoch anzurechnen, dass sie sich zugunsten einer unbeschränkten Veröffentlichung der Bullenklöten entschieden hat. Erst mit der Freiheit, auch explizite Inhalte unreglementiert veröffentlichen zu können, ist der Comic tatsächlich mit Literatur gleichgestellt, bei der sexuelle Eindeutigkeit und Gewalt ja schon lange kein Thema mehr ist.
Aber natürlich war die Freigabe von Bullenklöten eine Einzelfallprüfung, so wie alle Sitzungen des 12er-Gremiums der BPjM Einzelfallprüfungen sind. Es gibt aber auch „offensichtliche Fälle“, bei denen ein kleineres 3er-Gremium ausreicht, einen Beschluss zu fassen. Trotzdem muss bei jeder Entscheidung aufs Neue abgewogen werden, ob bei gleichwertiger Relevanz der Rechtsgüter der Kunstvorbehalt oder der Jugendschutz höher einzustufen ist. Nur wenn der Kunstschutz höher eingestuft wird, darf ein Werk ohne Vertriebsbeschränkungen auf dem Markt erscheinen. Während dies bei Bullenklöten schlussendlich der Fall war, liegt die Sache bei einer deutschen Ausgabe der Reihe The Punisher anders.
Hier geht es zum zweiten Teil des Artikels.
Update, 7.10.2016: In der ersten Fassung des Artikels wurde fäschlicherweise behauptet, die Staatsanwaltschaft Meiningen hätte gegen die durch sie eingezogenen Comics (u.a. Maus, Schrei nach Leben) Indizierungsanträge gestellt. Das war nicht der Fall. Außerdem wurde der Absatz um einen Auszug aus der Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Staatsanwalt ergänzt. (CM)
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