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Die Nacht der lebenden Toten 1 – Vatersünden

Die Nacht der lebenden Toten? Da werden Horrorfans natürlich äußerst hellhörig. Schließlich lautet so auch der Titel des legendären Streifens von George A. Romero, der nicht nur den Zombiefilm in seiner modernen Form, abseits von Voodoo, begründete, sondern auch den Anteil der gezeigten expliziten Gewalt kräftig erhöhte.  Aber Romeros Film war weit mehr als eine reine Schlachtplatte, sondern punktete mit einer expressionistischen Bildsprache und kaum verhohlener Sozialkritik, die er auch in seinen folgenden Genrebeiträgen unter Beweis stellte.

© Splitter Verlag

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Doch wie verhält sich diese neue Comicserie zu dem Filmklassiker, mit dem sie sich den Titel teilt? Starautor Jean-Luc Istin (Die Druiden, Götterdämmerung, Das fünfte Evangelium) fiel bislang eher durch Historienstoffe auf, gerne mit Fantasy vermengt, brachte aber immer schon filmische Anspielungen unter. So wirkte die Serie Das Reich Sienn oft wie ein Italowestern und zitierte die Klassiker des Genres. Nun also eine Filmadaption – warum nicht? Doch es handelt sich hierbei um keine simple Nacherzählung im Comicformat. Die groben inhaltlichen Züge stimmen überein, aber da hier jeder Hinweis auf Romero fehlt, ist es fraglich, ob die Comicmacher überhaupt das Okay von ihm eingeholt haben (der Film unterliegt nicht mehr dem Copyrightschutz). Jedenfalls kommt die Story ähnlich wie im Film in Gang: Zwei Geschwister fahren auf einen Friedhof, um dort das Grab ihrer verstorbenen Mutter zu besuchen, werden von Zombies angegriffen und flüchten.

Doch gibt es schon zu Beginn des Comics starke Unterschiede zum Film. Die Anfangsszene suggeriert, woher der Virus stammt, der die Toten aus den Gräbern auferstehen lässt. Was bedauerlich ist, denn Romero hat ganz bewusst nie erklärt, welchen Ursprung seine Untoten hatten, und das ließ sie immer sehr viel bedrohlicher erscheinen als andere, da sie wie eine Naturgewalt, ja, wie eine Strafe Gottes wirkten. Insofern verspielt Istin hier bereits die  Möglichkeit für eine beunruhigende Atmosphäre.

Im Anschluss lernt man die Helden kennen, die aber andere Namen tragen als in der Vorlage. So kann auch der legendäre Satz „Sie kommen um dich zu holen, Barbara“ nicht fallen, da hier die Heldin Lizbeth heißt. Ist die Zombieplage im Film noch örtlich begrenzt und erst in Dawn of the Dead in größerem Ausmaß zu sehen, so steht hier schon außer Frage, dass die Zombies in kürzester Zeit ganze Städte überrannt haben – wovon nur die Helden nichts mitbekommen. Während Lizbeth und Leland (das Pendant zu Johnny im Film) auf dem Friedhof sind, werden Lizbeths Mann und ihre beiden Kinder evakuiert. Dann folgt wieder Altbekanntes: Die Geschwister werden angegriffen, und manche Bilder sind direkt aus dem Film übernommen. Hier allerdings überlebt der Bruder und beide können sich in ein Gebäude retten, was diesmal kein Farmhaus, sondern ein Hotel ist. Ein parallel laufender Handlungsstrang schildert die Erlebnisse von Lizebeths Ehemanns und Kindern, die aus der Stadt fliehen wollen, um sie zu finden. Abgesehen von der groben Grundstruktur (Friedhof, Zombieattacke, Schutz suchen in einem Gebäude) hat der Comic aber nichts mit dem Film gemeinsam.

© Splitter Verlag

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Das ist per se nicht schlecht, da man auf dieser Basis etwas überraschend Neues schaffen könnte. Doch das ist nicht der Fall. Alles was hier erzählt wird, hat man schon in vielen anderen Zombiefilmen und -comics gesehen oder gelesen. Man darf also durchaus nach der Berechtigung für diese Serie fragen. Andererseits macht Istin auch keine groben Fehler, der Comic liest sich spannend und atmosphärisch, mit gelungenen Szenenwechseln zwischen Adrenalinstößen und Momenten der Ruhe. Alles sehr routiniert, auch die Zeichnungen – solide und handwerklich astrein -, aber eben nichts Besonderes. Es muss nicht jeder Beitrag das Genre neu erfinden, aber hier ruht man sich noch zu sehr auf den bekannten Zutaten aus. Und der ach so dramatische persönliche Hintergrund der Heldin wirkt schon jetzt etwas überkonstruiert und vorhersehbar.

Alles in allem ist der Band nicht schlecht und bietet grundsolide Unterhaltung, doch weder wird er dem Film gerecht, noch trägt er irgendwas Neues zum Zombiegenre bei. Wer aber nach Hunderten von Zombiefilmen und Comicreihen immer noch mehr will, kann unbesorgt zugreifen.

Grundsolider Zombiecomic, dessen Macher sich etwas zu sehr auf altbekannten Genrezutaten ausruhen

Die Nacht der lebenden Toten 1 – Vatersünden
Splitter Verlag, 2015
Text: Jean-Luc Istin
Zeichnungen: Elia Bonetti
Übersetzung: Harald Sachse
56 Seiten, farbig, Hardcover
Preis: 14,80 Euro
ISBN: 978-3-95839-131-4
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