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Dylan Dog 1

Die in Italien sehr populäre und äußerst langlebige Horrorcomicreihe Dylan Dog startet einen neuen Anlauf in Deutschland. Nachdem die Serie von 2001 bis 2002 bei Carlsen und danach sechs Jahre lang bei Schwarzer Klecks in schwarz-weißen Taschenbüchern herauskam, bringt der ursprünglich aus Kroatien stammende Libellus Verlag jetzt eine komplett kolorierte Hardcover-Edition auf den Markt, in der die italienischen Geschichten chronologisch in der Originalreihenfolge veröffentlicht werden.

© Libellus Verlag

© Libellus Verlag

Topolino von Romano Scarpa, Corto Maltese, alles von Manara – es gibt wirklich viele herausragende Comics aus Italien, aber es gibt wohl keine Comicserie, die so typisch italienisch ist wie Dylan Dog.

Das merkt man schon an der Unbekümmertheit, mit der Tiziano Sclavi England porträtiert, aber auch an der typischen Vorliebe für anglo-amerikanische Stoffe, deren sich der italienische, auf Erfolg schielende Autor gerne bedient, nicht ohne ihnen eine italienische Prägung angedeihen zu lassen. So war es schon beim typisch amerikanischen Western-Genre und beim Horrorfilm – so war es aber auch beim Disney-Comic, der wohl in keinem anderen Land der Welt mit ähnlicher Verve und Fabulierfreude weitergesponnen wurde als eben gerade in Italien.

Mit dieser Freude am Weiterspinnen bekannter Motive ist auch Tiziano Sclavi gesegnet. In den vorliegenden ersten drei Dylan Dog-Episoden sind es neben den üblichen Horrorklischees vor allem die Filme des italienischen Filmregisseurs Dario Argento, die ihm als Inspiration dienten. So besucht Dylan Dog mit seinen Freunden in der ersten Geschichte „Morgendämmerung der Untoten“ den Film Dawn of the Dead im Kino. Dieser Film wurde zwar vom Amerikaner George Romero gedreht, aber es war Argento, der den Film finanzierte, die Musik dazu schrieb und der den Film am Ende schnitt. Darüber hinaus konzipierte Dario Argento, den man getrost als Wegbereiter des modernen Splatterfilms sehen kann, seine Filmdrehbücher ähnlich suggestiv und irrational wie einige Jahre später Sclavi seine Dylan Dog-Geschichten.

Szene aus dem Kinofilm „Dawn of the Dead“

Szene des Kinofilms „Dawn of the Dead“, aus: „Morgendämmerung der Untoten“

Mit dem Verweis auf Dawn of the Dead erreicht Sclavi mehreres: Er charakterisiert die Hauptfiguren als Horrorfans und erzeugt damit eine gemeinsame Ebene zwischen sich, den Hauptfiguren des Comics und dem Leser. Außerdem verdeutlicht er mit dem direkten Abbilden von Filmszenen, dass er nicht heimlich und aus Ideenlosigkeit aus Populärfilmen plündert. Das Filmzitat wird schon auf den ersten Seiten der Serie zum Prinzip erklärt.

Auch in der zweiten Geschichte sind die Filmzitate überdeutlich, diesmal ist es der Giallo, der gefleddert wird. Der Giallo ist eine spezifisch italienische Spielart des Krimis, die weniger Wert auf Substanz und Logik legt als auf grelle Oberflächenreize, Gewalt und Ästhetik. Dario Argentos erste Filme waren Gialli, sie werden zu den Höhepunkten des Subgenres gezählt.

Insignien des Giallo: Der schwarze Handschuh, das Messer und der blutige Mord

Insignien des Giallo: Der schwarze Handschuh, das Messer und der blutige Mord, aus: „Jack the Ripper“

Typische Elemente eines Giallo sind der Mörder mit dem scharfen Messer, die schwarzen Handschuhe des Killers, grässliche Morde an hübschen, leicht bekleideten Frauen, oft auch derber Klamauk und eine Handlung, die den Zuschauer an der Nase herumführt und teils vogelwilde Haken schlägt. All diese Zutaten verarbeitet Tiziano Sclavi in der Episode „Jack the Ripper“ aufs trefflichste, und er entfaltet dabei ein derart gutes Gespür für Timing und Atmosphäre, dass ich „Jack the Ripper“ für eine der besten Geschichten der Reihe halte.

Die dritte Geschichte ist eine Variante des Werwolf-Motivs. Nun hat Dario Argento zwar nie eine Werwolfgeschichte inszeniert, doch hat sich Sclavi die komplette Kulisse und das Figurenpersonal des Argento-Films Suspiria von 1977 ausgeliehen: Das Mädchenpensionat im Schwarzwald, der stumme Diener und die Heimleiterin, die sich als böse Hexe entpuppt. Selbst der Schluss ist bei Film und Comic nahezu identisch, daher ist es umso erstaunlicher, wie Sclavi diese Elemente gekonnt zu einer völlig eigenständigen und originellen Geschichte verwebt. Für Horrorfans ist Dylan Dog immer auch ein Suchspiel – und Tiziano Sclavi ist ein überaus origineller Spielleiter.

Werwölfe im Schwarzwald

Werwölfe im Schwarzwald, aus: „Vollmondnächte“

Neben den originellen Plots überzeugt bei Dylan Dog aber auch die Erzählweise. Immer wieder werden selbst nebensächliche Szenen über viele Seiten hinweg ausgebreitet, teilweise auch ohne Worte, was der Inszenierung einen guten Rhythmus verleiht. Bei Dylan Dog ist Atmosphäre und Spannung ohnehin wichtiger als Logik. Dennoch wird das Irrationale wohldosiert und behutsam eingesetzt und es ist – anders als in manchem Giallo – kein Mäntelchen für Ideenlosigkeit, das herbeigezaubert wird, wenn der Autor sich in eine Sackgasse geschrieben hat.

Die Farbgebung der Neuversion ist angemessen dezent und stimmungsvoll, auch wenn die Farbpalette für meinen Geschmack manchmal etwas zu reduziert ist. Ein wenig vermisse ich den derb-billigen Look der Schwarz-Weiß-Bände, andererseits ist die hochwertige Aufbereitung der vorliegenden Ausgabe durchaus angemessen, die Qualität der Vorlage gibt das her. Die neue Dylan Dog-Ausgabe ist ihr Geld wert und bietet spannende Unterhaltung für viele Stunden. Es ist aber halt nicht mehr wie früher, dass eine der besten Comicserien gleichzeitig eine der billigsten am Markt ist. So etwas gibt es wohl nur noch in Italien.

Der Horror-Klassiker aus Italien in chronologischer Reihenfolge von Anfang an. Pflichtkauf für Genre-Fans.

Dylan Dog 1
Libellus Verlag, 2014
Text: Tiziano Sclavi
Zeichnungen: Angelo Stano, Gustavo Trigo, Giuseppe Montanari & Ernesto Grassani
Übersetzung: Monja Reichert
304 Seiten, farbig, Hardcover
Preis: 29,90 Euro
ISBN: 978-3-945729-00-7
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