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Gay Manga: Gunji

Ein weiteres Gengoroh-Tagame-Werk aus dem Hause Bruno Gmünder verspricht erneut harte Muskelberge und reichlich deftigen Männersex. Interessanterweise ist die Titelstory hierbei für das japanische Magazin Kinniku Otoko (Muskelmänner) entstanden, ein Magazin, das sich gleichermaßen an schwule Männer wie an heterosexuelle Frauen richtet und dafür Erzählweisen aus dem Boys‘-Love-Sektor mit den bulligen Männertypen des Gay Manga kurzschließt. Dass das Pendel bei Tagame dann doch recht deutlich in letzere Richtung ausschlägt, ist natürlich nicht wirklich überraschend. Laut Eigenaussage im Nachwort hat Tagame zwar mehr Fokus auf die Romantik als auf die Pornografie gelegt, aber „Gunji“ ist dabei leider in etwa so romantisch wie ein Brecheisen, das einem gegen den Schädel gehämmert wird.

© Gengoroh Tagame/Bruno Gmünder

© Gengoroh Tagame/Bruno Gmünder

Titelfigur Gunji war einst ein angesehener Sushi-Koch im Restaurant Migawa, bis Shigeto, der acht Jahre jüngere, sadistische Sohn des Hauses, ihn zu seinem persönlichen Sexsklaven macht. Erst widerstrebend, aber doch sichtlich angetörnt, fügt sich Gunji in sein Schicksal – bis Shigeto eines Tages zu weit geht … Die retroskeptiv erzählte Geschichte hält sich dabei nicht sonderlich weit mit Figurenpsychologie auf. Gunji und Shigeto ticken hauptsächlich deswegen so, damit Tagame sie flink in eine Reihe brutaler Hardcore-SM-Szenen verwickeln kann. Das aufgesetzte Drama ist hier bestenfalls Vorsatz. Ein gesellschaftlicher Kommentar lässt sich, anders als bei Endless Game, bei bestem Willen nicht mehr hineinlesen.

© Gengoroh Tagame/Bruno Gmünder

© Gengoroh Tagame/Bruno Gmünder

Stattdessen schlägt der in Sachen sexueller Gewalt selten verlegene Tagame bei „Gunji“ vollends über die Stränge. Was einem hier an sadistischen Vergewaltigungsfantasien entgegen geschleudert wird  – die Story kulminiert in einer Schändung per Brandeisen – kann ich beim besten Willen nicht mehr gutheißen. Klar, es ist nur Tinte auf Papier, und wer daraus seine erotische Befriedigung bezieht, soll meinetwegen damit glücklich werden. Aber meine persönliche Grenze ist hier deutlich überschritten.

Mit der Kurzgeschichte „Ballad of Ôeyama“ wagt sich Tagame im letzten Viertel des Bandes dann in historisch-mythische Gefilde und lässt den legendären japanischen Helden Minamoto no Raiko auf einen gestrandeten Wikinger stoßen. Natürlich hat der vermeintliche Barbar dem jungen Krieger noch einige Lektionen in Sachen Männerliebe zu erteilen … Im Gegensatz zu „Gunji“ kann man „Ballad of Ôeyama“ tatsächlich romantische Töne unterstellen, und Tagame kontrastiert erzählerisch geschickt die Erwartungshaltungen angesichts der angsteinflößenden Erscheinung des Wikingers mit dessen sanftem (aber natürlich trotzdem dominantem) Wesen. Bondage selbstverständlich inklusive.

© Gengoroh Tagame/Bruno Gmünder

© Gengoroh Tagame/Bruno Gmünder

Zeichnerisch gibt sich Tagame erneut keine Blöße. Niemand zeichnet pimpernde Muskelberge mit so gleichermaßen präzisem wie elegantem Strich. Sein Paneling und erzählerisches Timing beeindruckt mit meisterhafter Vollendung. Man beachte beispielsweise, wie geschickt er figurenlose Panels einsetzt, um Szenen zu strukturieren und emotionalen Klang beizufügen. In den ausdrucksstarken Gesichtern zeigt sich eine emotionale Unmittelbarkeit und gleichzeitig Genauigkeit, wie sie nur wahre Manga-Meister aufs Papier bringen. Wäre da nur nicht Tagames fragwürdige Erotisierung sexueller Gewalt …

Gunji empfielt sich nur Leuten, die in Sachen explizit ausgeschlachteter sexueller Gewalt einiges wegstecken können. Tagame ist ein Könner im Bereich des pornografischen Comics, aber man sollte wissen, worauf man sich hier einlässt.

Gunji
Bruno Gmünder, 2014
Text und Zeichnungen: Gengoroh Tagame
englische Übersetzung: Anne Ishii
160 Seiten, schwarz-weiß, Softcover mit Klappbroschur
Preis: 19,95 Euro
ISBN: 978-3867876759

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