Über Jahre hinweg hat sich der US-amerikanische Autor/Zeichner Mike Mignola sukzessive ein eigenes kleines Comicuniversum aufgebaut. Angefangen hat dies natürlich bei Mignolas bis heute legendärem Indie-Titel Hellboy, dessen Hauptfigur schließlich zu den ausufernden Abenteuern der B.U.A.P. führen sollte. Neben diesem Kernbereich rund um den Höllenjungen, erweiterten Mignola und weitere Künstler die so entstandene Welt aber auch um viele andere, weitgehend unabhängige Erzählungen, wie z.B. die des Vampirjägers Baltimore oder Frankenstein Underground.
The Amazing Screw-On Head ist ein ursprünglich 2002 publizierter One-Shot, der mit letztgenannten Titeln in eine vergleichbare Kategorie fällt. Und doch ist eben jene Geschichte, so kurz sie auch ist, besonders schillernd. Angeregt durch das generische Design handelsüblicher Actionfiguren, die sich oft nur vom aufgesteckten Kopf her unterscheiden, während der Körper nur anders bemalt ist, ersann Mignola die Figur des Screw-On Head. Bei dem handelt es sich um einen robotischen Schraubenkopf, der die Kraft desjenigen Körpers erhält, auf den er montiert wird. Als Geheimagent unter direkter Befehlsgewalt des US-Präsidenten Abraham Lincoln wird der skurrile Held sogleich auf Mission entsandt, den nicht minder absurden Antagonisten, einen Totenschädel-Finsterling namens Imperator Zombie, von der Bergung eines machtvollen Diamanten abzuhalten.
Die Story fügt sich dank Mignolas bewährtem Zeichenstil und Storytelling perfekt in die Welt von Hellboy und Co. ein, auch wenn es inaltlich keine Überschneidungen gibt. Darüber hinaus ist Amazing Screw-On Head aufgrund der nicht komplett ernstzunehmenden Prämisse insgesamt doch ein Stückchen spaßiger, augenzwinkender geraten, als man es von den mythologiebeladenen, zuweilen schwermütigen Werken Mignolas in den vergangenen Jahren gewohnt war. Die Lockerheit und Kürze dieser munteren Episode ist in jedem Fall eine wohltuende Abwechslung und mehr als lesenswerte Facette im Mignolaverse.
Übrigens sollte Screw-On Head sogar den Sprung ins Fernsehen schaffen. Eine Pilotfolge für die geplante Animationsserie wurde, basierend auf der Comichandlung, sogar produziert und veröffentlicht. Mehr wurde aus der Sache aber dann doch nicht.
Cross Cult hat für seine deutschsprachige Ausgabe eine spätere Edition von Dark Horse übernommen, die Teil eines Sammelbands für diverse Kurzgeschichten ist, die allesamt von Mike Mignola getextet und gezeichnet wurden. So kommen wir in den Genuss weiterer Kleinode des Künstlers, für die er sich künstlerisch, wie es schon bei Screw-On Head der Fall ist, etwas befreiter zwischen Genres und Thematiken bewegen darf. Von Märchenerzählung („Abu Gung und die Bohnenranke“) bis zum pulpigen Sci-Fi-Horror („Der Gefangene vom Mars“) wird dem Leser einiges geboten. Und das, obwohl jedes dieser Kapitel noch weitaus knapper ausfällt als die titelgebende Geschichte des Bandes.
Besonders hervozuheben ist vielleicht noch „Der Zauberer und die Schlange“, ein nachdenklicher 6-Seiter, für dessen Grundzüge sich Mignola von seiner damals 7-jährigen Tochter hat inspirieren lassen und die sogar 2003 eine Eisner Award gewann.
Die kleinen Stories, zum Teil zuvor in Anthologien abgedruckt, zum Teil neu für diese Kompilation angefertigt, sind mehr als nettes Bonus-Material, die den Platz hinter dem One-Shot The Amazing Screw-On Head auffüllen. Sie stehen in ihrer Gesamtheit mindestens gleichwertig auf einer Qualitätsstufe mit diesem und ergänzen diese stimmige Ausgabe kongenial. Dazu passt dann auch der dreiseitige Epilog, mit dem Mignola einige Elemente der versammelten Stories zusammenführt und unaufgeregt und leise den Band abrundet.
Mike Mignola at his best; die Kürze der Erzählungen und die ungewöhnlichen Settings führen zu teils grandiosen Leseerlebnissen
Cross Cult, 2017
Text/Zeichnungen: Mike Mignola
Übersetzung: Frank Neubauer
102 Seiten, farbig, Hardcover
Preis: 20 Euro
ISBN: 978-3-95981-565-9
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