Ditko – Kirby – Wood – Eisner – Corben. Der italienische Zeichner Sergio Ponchione hat ein Buch über das Leben dieser fünf Comic-Ikonen geschrieben und gezeichnet.
Ein junger Comic-Zeichner besucht einen erfahrenen Künstler in dessen Atelier. Er hat ein paar seiner Zeichnungen mitgebracht, um den alten Hasen, als Sergio Ponchione erkennbar, zu beeindrucken. „Nicht schlecht, aber du musst besser auf Gesichter und Anatomie achten.“ Der junge Zeichner habe von drei Buchstaben geträumt: D, K und W. Ponchione weiß sofort, was es mit den drei Buchstaben auf sich hat: „Die Triade Ditko, Kirby und Wood.“ Eine seltsame Formulierung, aber damit ist klar, worum es in diesem Comic eigentlich geht, und zwar nicht um die Rahmenerzählung um Ponchione und den Nachwuchskünstler, sondern um eine Hommage an Steve Ditko, Jack Kirby und Wallace „Wally“ Wood.
Der öffentlichkeitsscheue Steve Ditko (1927–2018) zählt zu den Phantomen des Mediums, weil er weder Interviews gab noch Fotos von sich zuließ. Nicht einmal für die BBC-Dokumentation In Search of Steve Ditko (2007, hier auf Youtube zu finden), in der auch etwa Mark Millar oder Alan Moore zu Wort kommen, ließ er sich filmen. Sein Werk sollte ganz und gar im Vordergrund stehen, d.h. seine Zeichnungen für Spider-Man (1963–66), Doctor Strange (1963–66) oder auch The Question (1967). Drei Figuren, die er selbst erfunden oder – im Falle von Spider-Man – miterfunden hat, je nachdem, ob man Steve Ditko selbst oder Stan Lee dazu befragt hätte. Wenn man einen Überblick über seine früheste Schaffensphase bekommen möchte, ist man mit der sechsbändigen Fantagraphics-Ausgabe The Ditko Archives (2014–16) gut beraten. Wer nun neugierig geworden ist, wird mit Ponchios Comic leider nicht glücklich werden, denn außer über dessen Zurückgezogenheit erfahren wir auf den fünf Seiten wirklich nichts über ihn oder sein Werk: „Ein einsamer, steinalter Eigenbrötler.“ Genau das hätte Ditko sich nicht gewünscht, denn er wollte stets sein Werk im Fokus wissen, nicht seine Person. Stattdessen verweist Ponchione, also sein Comic-Alter-Ego, auf das inzwischen vergriffene Buch Strange and Stranger: The World of Steve Ditko von Blake Bell (2008).
Was fast schon auffällig verschwiegen wird, ist die Diskussion über die Frage, wie groß sein Anteil an der Schöpfung von Spider-Man – im Vergleich zu Stan Lee – tatsächlich war: nur Zeichner oder Co-Creator? Hier findet sich ein Video-Essay mit längeren Passagen aus einem Aufsatz Ditkos über Stan Lees Marvel Method und seinen eigenen Anteil an der Erfindung von Spider-Man. Konsequenterweise lässt Ponchione dies auch bei seiner fünfseitigen Kurzhommage an Jack Kirby, Zeichner, Co-Creator oder maßgeblicher Schöpfer von Marvel-Superhelden wie Thor, Hulk oder den Fantastic Four, völlig außer Acht.
Besser gelungen ist der Abschnitt über das Leben der EC-Legende Wally Wood, der sich 1981 das Leben nahm. Es handelt sich nicht um einen Comic, sondern um einen Kurzessay mit Illustrationen. Witzig wiederum ist die Gestaltung der fünf Seiten über Will Eisner gelungen, die an dessen Spirit oder A Contract with God erinnern. Aber auch hier gilt: Wer mehr über Eisner erfahren möchte, hat mehr von Alexander Brauns im avant-Verlag veröffentlichter großer Monographie (hier rezensiert für Comicgate).
Ponchione veröffentlichte den Comic erstmals 2013 auf Italienisch, damals noch unter dem Titel DKW, weil der Comic noch um einiges schmaler war und nur Steve Ditko, Jack Kirby und Wally Wood umfasst. Für die Neuausgabe 2017 hat Ponchione noch Will Eisner und Richard Corben hinzugefügt, aber der Titel DKWEC wäre auch wirklich etwas lächerlich gewesen. deshalb Memorabilia. 2018 erschien die erweiterte Ausgabe bei Frantagraphics, nun auch bei avant.
Die Kapitel orientieren sich stilistisch mehr oder weniger an den porträtierten Künstlern, auch der illustrierte Essay über Wally Wood. Die Rahmenhandlung erscheint wiederum als sehr verzichtbar, zumal sie keinerlei tiefere Rolle spielt: Der junge Zeichner orientiert sich nicht an den Altmeistern, er treibt die Handlung nicht voran, er ist ganz offensichtlich nur ein Hilfsmittel, damit der Erzähler einen Anlass hat, über seine persönlichen Comic-Helden (und über sich selbst) zu sprechen. Dass der Appendix von 2017 die ursprüngliche Rahmenhandlung völlig aufgibt und durch Gespräche mit anderen Personen ergänzt, zeigt das umso mehr.
Als Hommage ist der Band konzeptionell zu schlicht geraten, als Biographie wiederum zu knapp. Da sind die Comic-Biographien über Joe Shuster, Bill Finger, Stan Lee oder Jack Kirby (2020) schon empfehlenswerter. Stattdessen erfahren wir, dass Ponchione in seiner Heimatstadt Asti eine Dauerausstellung gewidmet wurde: „Das hat nicht jeder“, lässt er seinen Gesprächspartner sagen. Ob der 2018 verstorbene Steve Ditko auch so eitel gewesen wäre?
Weder als Hommage noch als Biographie überzeugend.
avant-Verlag, 2024
Text und Zeichnungen: Sergio Ponchione
Übersetzung: Myriam Alfano
56 Seiten, Farbe, Hardcover
Preis: 25,00 Euro
ISBN: 978-3-96445-113-2
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