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Königliches Blut: Isabella – Die Wölfin von Frankreich 1

Die neue Reihe Königliches Blut besitzt einen lobenswerten konzeptuellen Ansatz, der bislang oft vernachlässigt wurde – nicht nur in Comics und anderen Medien, sondern durchaus auch in der Geschichtsschreibung selber. Das gilt besonders für gekrönte Häupter: Von wenigen Königinnen abgesehen, wie etwa Elizabeth I. von England, Kleopatra oder Maria Stuart aus Schottland, stehen die Frauen fast immer im Schatten ihrer Männer und geraten selten in den Fokus der Öffentlichkeit oder gar der Historiker. Wer kennt die Ehefrauen der römischen Cäsaren? Oder diejenige von Karl dem Großen? Man könnte höchstens noch die Gattinnen des englischen Königs Heinrich VIII. aufzählen (wenn man die Serie Die Tudors gesehen hat). Dabei traten je nach historischer Situation die Frauen immer wieder gleichbedeutend neben ihre gekrönten Gatten. Wie etwa Isabella von Spanien, die Medicis in Frankreich zu Zeiten der Hugenottenkriege, Lucrezia Borgia in Italien oder auch Maire Antoinette zu Beginn der französischen Revolution. Sie alle spielten eine besondere Rolle, doch ansonsten verschwinden die Frauen oft in den Tiefen der Historie.

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© Splitter Verlag

Das möchte Königliches Blut nun ändern, eine Konzeptserie, die – ähnlich wie etwa Orakel und Elfen – ein thematisches Dach bildet, unter dem unterschiedliche Autoren und Zeichner abgeschlossene Geschichten erzählen. In diesem Fall werden verschiedene Herrscherinnen der Geschichte betrachtet. Dabei stützt man sich zwar auf historische Fakten, ist aber weniger daran interessiert, einfach ein Geschichtsbuch zu illustrieren. Der Zweiteiler Isabella – Die Wölfin von Frankreich ist weder ein reiner Historiencomic, noch erzählt er eine fiktive Geschichte vor realem historischen Hintergrund. Er spielt zwar in einer klar umrissenen Epoche, macht aber die Geschichte an sich weniger zum Thema. Das dürfte es für manche Leser etwas schwierig machen, denn die historischen Zusammenhänge erschließen sich nicht unbedingt aus der Lektüre. Nur wer sich darin etwas auskennt, weiß einige Dinge auf Anhieb einzuordnen, der Rest muss recherchieren. Der erzählerische Schwerpunkt liegt stattdessen deutlich auf dem Psychogramm der realen Königin Isabella (vermutlich 1295-1358) die, wie fast alle ihre Kolleginnen im Laufe der Jahrtausende, zunächst wenig bis gar keinen politischen Einfluss besaß.

Isabella ist die Tochter des französischen Königs Philips des Schönen und wurde aus politischen Gründen mit dem englischen König Edward II. verheiratet. Ihre Wünsche zählen nichts und allein schon die Tatsache, dass ihr Mann homosexuell ist, ist eine fortwährende Demütigung. Edward verachtet alle Frauen, und seine Gattin besonders, und so staut sich in Isabella Hass an.

© Splitter Verlag

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Am Hof dient die Frau als hübsches Zierwerk, als Symbol und zur Repräsentation, wobei ihre Funktion einzig als Gebärmaschine für einen männlichen Thronfolger aufgefasst wird. Doch diese Isabella ist nicht mehr bereit, das einfach zu akzeptieren, so dass sie Kränkungen schließlich nicht mehr hinnimmt, sondern zurückschlägt. Hier gewinnt der Band an Stärke, denn die Motive der Hauptfigur sind durch das emotionale Drama sehr gut nachvollziehbar und lassen sie dem Leser auch nahe kommen. Immer wieder zeigt sich der Widerspruch zwischen der privaten Person und ihrer öffentlichen Rolle als Königin. Wobei Person und Rolle kaum mehr voneinander zu trennen sind, wenn die einzige Funktion der Frau darin besteht, ein Repräsentationsobjekt zu sein.

Ein weiterer Pluspunkt sind die realistischen Zeichnungen von Jaime Calderon, die sich selten in den Vordergrund drängen, aber teils sehr gelungene Einfälle bei den Perspektiven besitzen. Etwa bei der Hinrichtung der Templer, als der Großmeister des Ordens seine Henker verflucht und Gott als seinen Zeugen aufruft: Auf der nächsten Seite sieht man die Szenerie im wahrsten Sinne des Wortes aus der Vogelperspektive, die aber durchaus auch diejenige des strafenden Gottes sein könnte. Jedenfalls ergeht es den meisten Personen im Anschluss nicht sonderlich gut. Auch werden auf der zeichnerischen Ebene immer wieder Parallelen zu verschiedenen Situationen hergestellt und der Realismus der Bilder versetzt den Betrachter in die Epoche des Spätmittelalters, ohne dass der Zierrat zum Selbstzweck wird.

Das Psychogramm einer Königin erlaubt eine ungewohnte Perspektive, vernachlässigt aber die historischen Umstände.

Königliches Blut: Isabella – Die Wölfin von Frankreich 1
Splitter-Verlag, 2015
Text: Thierry Gloris, Marie Gloris
Zeichnungen: Jaime Calderón
Übersetzung:
56 Seiten, farbig, Hardcover
Preis: 14,80 Euro
ISBN: 978-3-95839-235-9
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