Alle Artikel mit dem Schlagwort: Will Eisner

Ich bin Fagin – Die unerzählte Geschichte aus Oliver Twist

Wie funktioniert gute Charakterisierung in einer Geschichte? Charles Dickens wusste, wie das geht. Sein zweiter Roman, Oliver Twist, wimmelt nur so von überlebensgroßen, aber großartig ausgearbeiteten Figuren. Man denke nur an den Waisenjungen Oliver, der es wagt, im Waisenhaus einen Nachschlag einzufordern, oder an den jungen Taschendieb, der sich Artful Dodger nennt und der Oliver ins kriminelle Milieu einführt. Jede Gesellschaftsschicht ist bei Dickens durch pointierte Typen repräsentiert, das geht vom sozial engagierten Bürger hin zu bornierten und trägen Beamten, von Bediensteten, die sich ihr eigenes Überleben in der Hackordnung sichern müssen, bis hinunter zu den Prostituierten, den Räubern und den Gangstern. In Oliver Twist ist vor allem die Unterwelt in schillernden Farben gezeichnet. Sowohl der Räuber Bill Sikes als auch dessen Partner, der jüdische Bandenchef und Hehler Fagin, gehören zu den großen Schurkengestalten der Weltliteratur.

Will Eisners The Spirit Archive 22

Man kann dem Verlag Salleck Publications nicht genug dafür loben, dass er seit inzwischen 13 Jahren eine Gesamtausgabe des großen Klassikers The Spirit auf Deutsch veröffentlicht. Mittlerweile ist man schon bei der 22. Ausgabe angekommen. Die Geschichten präsentieren sich in edlem Hardcover und auf einem Papier, das entfernt an die damaligen groben Strukturen der Zeitungsbeilagen erinnert. Der happige Preis ist es wert, denn schließlich sind nicht alle Abenteuer des Spirit komplett auf Deutsch erschienen, sondern immer nur ausgewählte. Erst für die Archive sind alle Strips zusammengetragen, chronologisch sortiert und zum größten Teil auch neu oder erstmals übersetzt worden. Wer das zu schätzen weiß und einen großen Wegbereiter der Comickunst komplettieren will, der nimmt die knapp 50 Euro also im wahrsten Sinne des Wortes in Kauf. Jeder Band der Archive umreißt ein halbes Jahr der Originalveröffentlichungen, der aktuelle Band deckt die erste Hälfte des Jahres 1951 ab.

Moby Dick im Comic – Ein Vergleich ausgewählter Beispiele von 1942 bis heute

Hermann Melvilles Moby Dick ist ein Buch, das schon zahlreiche Adaptionen in Comicform erfahren hat, zuletzt vom Autorenteam Jouvray und Alary,  deren Version 2014 bei Splitter erschienen ist. Seit ich mich durch diese unterschiedlichen Versionen gearbeitet habe, bin ich umso beeindruckter von Jouvrays und Alarys Version, denn es ist alles andere als einfach, dieses Drama visuell aufregend darzustellen und gleichzeitig spannend zu erzählen. Aber wie hat es Philipp S. Neundorf im Comicgate-Interview 2013 zur Frage nach Literatur-Adaptionen einmal schön auf den Punkt gebracht: „Was ich kenne, ist die Lust an einem Stoff, der nicht der eigene ist. […] Man hat einfach manchmal das Gefühl, da will man selber auch mal ran. Das ist ja irgendwo die Grundmotivation, jeden Tag aufs Neue an den Stift zu gehen, um wieder mal eine Figur zu zeichnen: Vielleicht klappt es ja diesmal, den Menschen ganz, ganz neu zu entwerfen.“