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Eternauta 1969

Der Science Fiction-Comic Eternauta, der von 1957 bis 1959 in der argentinischen Comiczeitschrift Hora Cera erschien, ist einer der großen Klassiker des argentinischen Comics. 1969 wagte sich Hector Oesterheld an ein Remake seines eigenen Werks. Vielleicht war das der weltweiten 68er-Bewegung geschuldet, denn die global zunehmende Politisierung und die Suche nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten sind in Eternauta 1969 deutlich spürbar. Vielleicht lag es aber auch an der zunehmenden Verbitterung über die instabilen Verhältnisse in Argentinien und den Jahren der Diktatur, die es in Oesterhelds Heimatland auch schon vor der Militärdiktatur 1976 gab. Jedenfalls waren sich Oesterheld und sein Zeichner Alberto Breccia einig, dass das Ausgangsmaterial Stoff genug für eine Neuinterpretation bietet.

Gelungene Schwarz-weiß Kompositionen in Eternauta 1969. Alle Abbildungen: © Avant-Comics.

Sicher, auch der alte Strip (Comicgate-Rezension hier) kann politisch gelesen werden, doch setzen Breccia und Oesterheld in Eternauta 1969 deutlich zugespitzte Akzente. Der deutlichste Unterschied ist natürlich der Zeichenstil selbst. Francisco Solano Lopez zeichnete die Urversion im klassischen Stil der zeitgenössischen Abenteuerstrips, Breccia dagegen arbeitete experimentell und brachte neben Tusche, auch Wischtechnik und Collagen zum Einsatz. Diese ungleich aufwendigere Herangehensweise erforderte entsprechend eine andere Erzählweise. Lopez erzählte seine Version mit nahezu minutiöser Präzision und zerlegte seine Szenen in viele Einzelpanels, Breccia dagegen akzentuierte viel stärker und setzte auf Schlaglichter und Stimmungen.

Es ist schon richtig: Francisco Solano Lopez‘ klassischer Stil in der Urversion wirkte teilweise statisch und seine Dialogszenen hatten mitunter die Behäbigkeit von Hörspielen. Seine Fähigkeit, in Panelfolgen sehr geradlinig zu erzählen entspricht jedoch in vielem einer modernen Herangehensweise. Das Hauptanliegen der Urversion war deutlich der langsame Aufbau der Erzählung und das Erzeugen von Spannung. Breccia dagegen legte gerade darauf weniger Wert. Bei ihm geht es um die eigene Interpretation des Stoffs und den Anspruch, der behäbigen Erzählweise Lopez‘ etwas entgegenzusetzen. Zwar verweigerte sich Breccia weitgehend dem Auserzählen von Actionszenen, andererseits hatte er dies gar nicht nötig, da seine Panels und Layouts eine visuelle Kraft entwickeln, die bei Lopez undenkbar gewesen wäre. Dafür kürzten Breccia und Oesterheld das Ausgangsmaterial konsequent zusammen und dampften es soweit ein, dass gezielt neue Akzente gesetzt werden konnten.

Toxische Umwelt, experimentelle Grafik.

Neben der aufgekratzt wirkenden Tuschtechnik und Bildmontage ist die auffälligste Veränderung die Darstellung des tödlichen Schnees. Bei Lopez verwandelt sich die Umgebung in eine todbringende Winterlandschaft, wie man sie aus Nacherzählungen des Winterkriegs um Stalingrad kennt. Bei Breccia hingegen wirkt die Außenwelt toxisch und verseucht. Und auch die Erzählung ist mit Eternauta 1969 um einiges giftiger geworden. So erscheinen die Soldaten nicht mehr wie damals 1958 als Rettung in dunkelster Stunde, sondern drohen mit Vernichtung, sollten sich die Überlebenden weigern, sich dem Widerstand anzuschließen. Die böseste Neuerung ist aber, dass die Großmächte der Erde sich mit den außerirdischen Invasoren arrangiert haben, Südamerika jedoch wird ausgeliefert und die Bevölkerung der Vernichtung preisgegeben. Spätestens hier wird die politische Metapher überdeutlich.

Gente-Ausgabe von 1969.

Eternauta 1969 erschien nicht wie üblich in einer Comiczeitschrift, sondern wurde in je dreiseitigen Häppchen im argentinischen Society-Magazin Gente abgedruckt. Offensichtlich stieß die Reihe jedoch ziemlich bald auf Ablehnung. Ob diese vom Herausgeber selbst geschürt wurde, der offenkundig kein Freund von Breccias künstlerischer Herangehensweise war, oder ob es tatsächlich Leserreaktionen waren, ist nicht eindeutig zu klären; jedoch fühlte sich der Herausgeber des Magazins veranlasst, sich im September 1969 noch einmal bei allen Lesern für seinen Fehlgriff zu entschuldigen und die Künstler zu einem raschen Ende des Projekts zu drängen.

Allzu sehr leidet die jetzt vorliegende Neuausgabe von Eternauta 1969 nicht an dieser kurzsichtigen verlegerischen Entscheidung von damals, denn Breccias Vision überzeugt trotz aller Eile, mit der Oesterheld und Breccia ihr Projekt mit einem überstürzten Schluss zu Ende bringen mussten. Nur bei den letzten drei Kapiteln wird die Straffung der Story spürbar, aber bis dorthin hat die Neuinterpretation ihr Ziel längst erreicht. Eine komplette Nacherzählung war schlichtweg nicht mehr erforderlich.

Kühnes Remake des Science-Fiction-Klassikers

Eternauta 1969
Avant-Verlag, 2017
Text: Héctor Germán Oesterheld
Zeichnungen: Alberto Breccia
Übersetzung: André Höchemer
68 Seiten, schwarz-weiß, Hardcover
Preis: 22 Euro
ISBN: 978-3945034699
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