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We Stand On Guard

Wenn ein neuer Comic aus der Feder von Brian K. Vaughan erscheint, sollte man hellhörig werden. Immerhin hat der gute Mann mit Serien wie Y – The Last Man oder Ex Machina beeindruckende Stories geschrieben. Außerdem stammt von Vaughan natürlich auch die Space-Opera Saga, mit welcher er, wenn er es nicht vorher schon war, zu einem der großen Lieblinge von Fans wie Kritikern avancierte. Mit der sechsteiligen Image-Miniserie We Stand On Guard (auf Deutsch in einem Sammelband) backt der Autor nun kleinere Brötchen, auch wenn dies eher auf den Umfang und die Tiefe der Erzählung zu beziehen ist und sicherlich nicht auf den Plot.

Alle Abbildungen: © Cross Cult

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Denn dieser startet gleich mit einem großen Knall: Gut 100 Jahre in der Zukunft wird das Weiße Haus in Washington DC mit Drohnen attackiert. Ein denkwürdiger Moment, von dem der Leser zusammen mit einer kanadischen Familie aus der Nachrichten erfährt. Nach einer kurzen Unterhaltung über das Geschehen wird das Haus der Familie, gar die ganze Stadt unvermittelt zerbombt. Schnell wird klar, dass dahinter die USA stecken, die damit zum direkten Gegenschlag gegen den Nachbarn im Norden ausholten, welchen sie hinter der vorangegangenen Attacke vermuten. Einige Jahre später ist der Krieg weit vorangeschritten. Die Amerikaner halten weite Teile Kanadas besetzt und beuten die Wasservorräte des Landes aus, um ihre eigene Rohstoffknappheit auszugleichen. Durch das brachiale Vorgehen der US-Streitkräfte und die gezielte Wasserabschöpfung durch riesige Frachter steht schließlich der Verdacht im Raum, der Plan der Invasion Kanadas hätte schon seit langer Zeit bestanden und der Angriff aufs Weiße Haus, dessen Verursacher nie zu überführen war, sollte dafür nur als willkommene Rechtfertigung dienen. Während das US-Militär mit allerlei High-Tech-Spielzeug, gigantischen Panzern, Robotern und Flugschiffen in den Norden einfällt, wissen sich einige Widerstandskämpfer zu wehren und nutzen den Standortvorteil ihrer Heimat aus: In den schneebedeckten Wäldern oder in verlassenen Minen schließen sie sich zu überschaubaren Guerillakampftruppen zusammen.

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We Stand On Guard ist eine unterhaltsame Sci-Fi-Story, die einen mitten in einen Konflikt voller Schockeffekte und gigantomanischer Gerätschaften wirft. Dass diese Dinge allerdings so sehr im Vordergrund stehen, verhindert, dass aus Brian K. Vaughans neuestem Streich ein ähnlich brillantes Werk wie einige seiner anderen Comics wurde. Vielleicht war es auch ein Fehler, aus der Idee keine länger fortlaufende Reihe zu machen. Denn dadurch wäre deutlich mehr Platz für die differenziertere Darstellung der Kriegsparteien gewesen, ebenso für die Nebenfiguren (Politiker, Militärs), die im Hintergrund die Fäden ziehen. Stattdessen wirkt das Ganze wie die Episode eines größeren Kontextes, der nie ganz zur Entfaltung kommt. Vaughan versucht den runden Bogen mit seiner zentralen Figur, einer jungen Frau namens Amber, zu schlagen. Die ist Teil der eingangs erwähnten kanadischen Familie und flieht mit ihrem Bruder zusammen, bis sie sich schließlich den Rebellen anschließt. Es ist ihr Leidensweg, der durch Rückblenden Stück für Stück nachvollzogen und dadurch zum emotionalen Rahmen wird. Dadurch wird der kanadischen Seite ein Gesicht gegeben und gezeigt, wie die Umstände aus einem kleinen Mädchen eine knallharte Attentäterin machen konnten.

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Das Problem an dieser personellen Zentrierung in Vaughans Geschichte ist, dass sie innerhalb der sechs Kapitel – also einem recht knappen Fenster – zu komprimiert, zu gewollt erscheint. Das ist auch ein Beleg dafür, dass es dem Autor hier nicht auf Handlungstiefe und Komplexität ankam, sondern auf grafische Effekte und solide Sci-Fi-Unterhaltung. Dafür spricht letztlich auch das Vorhaben, Amber innerhalb des bunten Haufens einer Widerstandsgruppierung zu verorten, in der jede Person im Eiltempo charakterisiert wird, damit sie auf den Leser bloß nicht wie ein anoymer Soldat wirkt. Schlussendlich lässt sich We Stand On Guard am besten mit einem (mittelmäßigen) Garth-Ennis-Comic vergleichen: Viel Gewalt und Blut, eine Gruppe Soldaten und der ein oder andere schrille Geistesblitz. Und wie in Ennis‘ Serie The Boys gibt es auch bei Vaughans Comic einen französisch sprechenden Kollegen im Team.

Zeichner Steve Skroce, der im Übrigen Kanadier ist, setzt die Erzählung gut um, fokussiert dabei aber ebenfalls auf eine möglichst schockierend-brutale Inszenierung. Viel wird in diesem Band durch die Bilder ausgedrückt, wodurch auch der immense Einsatz imposant großer Maschinen im futuristischen Design viel Platz einnimmt. Über das Artwork Skroces, der neben seinen Arbeiten als Comiczeichner auch etliche Storyboards für Filme wie Matrix oder V wie Vendetta gestaltet hat, gibt es nicht viel zu meckern. Doch für meinen Geschmack fällt seine Darstellung etwas zu mechanisch-kühl aus. Wenngleich dieser Eindruck zu dem grundlegenden Setting natürlich auch wieder passt.

Das neue Werk von Brian K. Vaughan bietet gute Unterhaltung, ist aber weit von der Qualität seiner anderen Arbeiten entfernt

7von10We Stand On Guard
Cross Cult, 2016
Text: Brian K. Vaughan
Zeichnungen: Steve Skroce
Übersetzung: Jacqueline Stumpf
144 Seiten, farbig, Hardcover
Preis: 25 Euro
ISBN: 978-3-86425-836-7
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