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Understanding the Punisher 2: Der Wutbürger

Im zweiten Teil unseres Essays über den Punisher geht es unter anderem darum, weshalb Garth Ennis‘ Version für Subversive, Verschwörungstheoretiker und Querdenker besonders interessant ist.

Punisher 2000: „I caught a glimpse of heaven once. […] Didn’t like it.“

Bevor Garth Ennis den Punisher 2000 zur Actionkomödie umdeutete, gab es einen kleinen Ausreißer Richtung Fantasy, geschrieben von Christopher Golden und Tom Sniegoski, gestaltet von Bernie Wrightson: Es stellt sich heraus, dass es ein Dämon war, der die Ermordung von Frank Castles Famile veranlasst hat, Frank Castles Schutzengel wiederum hat den Zeitpunkt verschlafen, das Unglück zu verhindern. So wird Frank Castle zum Spielball zwischen Himmel und Hölle: Von Dämonen wird er in den Selbstmord getrieben, Engel dagegen verhindern, dass er zur Hölle fährt, und machen ihn zu ihrem Racheengel. Der Gedanke, die Hölle könne schlimmer sein als das, was Garth Ennis in Zukunft mit dem Punisher vorhaben sollte, wirkt naiv. 

Nachfolgeautor Garth Ennis mochte seinen Frank Castle dagegen lieber bodenständig, wenn auch zunächst als Parodie auf gängige John-Rambo-Stories. Einen kleinen göttlichen/dämonischen Funken hat Frank Castle jedoch beibehalten, ist er doch nicht nur Polizist, Richter und Henker in einem, sondern kriegt doch auch immer und ausschließlich die ‚Richtigen‘. In Welcome Back, Frank gibt es gleich drei weitere Vigilanten. Frank guckt sich das lange an und zieht die drei am Ende doch aus dem Verkehr: Der erste ist ein religiöser Fanatiker, der zweite ein elitärer Snob, dem es nur um eine cleanes Viertel geht und der nicht nur Drogendealer verjagt, sondern auch Würstelverkäufer: „We don’t want people selling hot dogs here. We don’t want the kind of people who like hot dogs here. […] We paid a lot of money to live here and we don’t want riff-raff lowering the tone.“ Der dritte aber ist ein bodenständiger man of the people, der eigentlich das Zeug zum echten Comichelden Castle-style hätte. Einmal jedoch plant er nicht ordentlich und es gibt Kollateralschäden – „because you couldn’t be bothered to plan properly“. Frank Castle ist der einzige ohne Fehler in diesem Spiel. Andere neben ihm darf und kann es nicht geben.   

In der ebenfalls parodistischen Erzählung No Limits wirft Frank Castle eine Atombombe auf eine Insel mit 2000 Verbrechern (natürlich keine Putzfrau dabei), danach stattet er einem Politiker in Washington D.C. – ist es der Verteidigungsminister? – einen Besuch ab, weil dieser einen Atomangriff in Europa orchestrieren sowie helfen wollte, einen Terrorstaat auf einer Pazifikinsel zu etablieren. Frank Castle gegen den terroristischen Deep State also? Das ist neu. Im Rahmen einer Parodie sind der Subversion offensichtlich keine Grenzen gesetzt. Das Heft ist Dezember 2001 erschienen.  

Wutbürgers feuchter Traum: Der Punisher bedroht Politiker. Aus: Punisher #5, 2001. Artwork: Steve Dillon. Story: Garth Ennis.

18 Jahre später war Ennis‘ Punisher längst keine Komödie mehr, sein Frank Castle jedoch immer noch eine Figur, die nicht von dieser Welt sein kann. Frank Castles Unfehlbarkeit ist längst ein Kunstgriff, um Geschichten über den tatsächlichen Zustand unserer Welt zu erzählen, typische Spannungsmomente, die den Helden in tödlicher Gefahr zeigen, wären nur retardierend, und Garth Ennis würde sie wohl eher als Angriff auf die Intelligenz des Lesers wahrnehmen, der doch ohnehin weiß, dass der Held jeder Gefahr entkommt. Längst geht es nur noch um die fundamentalen Dinge dieser Welt, wie verkommen sie ist und zu welchen Grausamkeiten der Mensch fähig ist.  

In der Erzählung Soviet von 2020 gibt es einen russischen Mafiaboss namens Prochenko, der sich nie die Hände schmutzig macht. Mit seiner Macht und aus Gründen des Machterhalts ermöglicht dieser selbst die perfidesten Methoden von Grausamkeit, durchgeführt von den härtesten und abgebrühtesten Profis, während er selbst stets wegsieht und mit sauberen Händen die Früchte von Korruption und Macht erntet. Sein Treffen mit einem korrupten amerikanischen Senator, der ihm seinen Weg zum cleanen Geschäftsmann ermöglichen soll, wird aber vom Punisher jäh beendet. At Gunpoint zwingt der Punisher Prochenko, sich die Hände selbst schmutzig zu machen, was er doch sein ganzes Leben lang anderen überlassen hat: Frank zwingt Prochenko, den Senator erst an einen Stuhl zu fesseln und ihm dann bei lebendigem Leib die Haut abzuziehen. Prochenko hat solche Grausamkeiten stets billigend in Kauf genommen, er hätte so etwas aber nie selbst tun können. Bis der Punisher kam. 

Nur auf den ersten Blick Zivilisation. (Wenn Walt Disney wüsste, wofür sein Name nun steht …). Punisher 2019. Artwork: Jacen Burrows. Story: Garth Ennis.

In meinem Text über Garth Ennis (2017) habe ich zu romantisch das Bild der Shane-Figur beschworen, des Outlaws, der außerhalb des Gesetzes steht, der aber manchmal aus der Kiste gelassen werden muss, damit der friedliche Großteil der Menschheit gut schlafen kann. Inzwischen halte ich diese Projektion für eine glatte Lebenslüge, mit der doch nur billigend Verbrechen in Kauf genommen werden, während man sich selbst die Hände doch nicht schmutzig macht. Der Punisher mag einer dieser notwendigen Outlaws sein – aber sind wir nicht auch ein bisschen Prochenko? Spätestens mit Soviet teilt Garth Ennis in alle Richtungen aus. Wo der Punisher auftritt, enden alle zivilisatorischen Standards. Der Mann ist purer nuklearer Fallout, Endstufe, die pure Negierung von allem, was irgendwann mal Bedeutung hatte. Er ist nicht mehr länger eine Figur, die die Ordnung schützt, er bringt lediglich Gewalt, Korruption und Folter dorthin zurück, wo sie herkommt.

Das letzte Kapitel, das sich Garth Ennis für seinen Punisher ausgedacht hat, erzählt davon, wie der Punisher auch nach dem atomaren Endschlag noch die letzten Verbrecher stellt: Es ist die Elite der Welt, bestehend aus Kapitalisten und Kriegstreibern, die für die systematische Umweltzerstörung, den sozialen Unfrieden, die Kriege und die sonstigen Übel der Welt verantwortlich sind und sich in ihrem Atombunker, der unter dem Ground Zero des World Trade Center gebaut wurde, in Sicherheit wähnten. Das Böse kann also doch personifiziert werden und ist nicht abstrakt. Das kann aber auch ein literarischer Kunstgriff sein.          

Punisher tötet die Kapitalisten im Atombunker. Aus Punisher – The End (2006). Garth Ennis, Richard Corben.

Punisher 2005: „Up is down and black is white. One day you wake up and you see that’s how the world is.“

Viele der Geschichten von Ennis transportieren eine politische Dimension, so dass man bisweilen glaubt, durch die Comics besser informiert zu sein als durch die Nachrichten:  

  • Schon die erste Max-Story von 2004 handelt vom Drogenhandel im großen Stil durch den amerikanischen Geheimdienst. Frank Castle erschießt seinen alten Partner Micro, als dieser ihn für eine Geheimdienst-Operation gewinnen will, die durch Drogengeld finanziert ist.  
  • In der Max-Story #3, Mother Russia, gibt es eine Gruppe von Generälen, die in Russland einen Terroranschlag ähnlich 9/11 orchestrieren will. Das öffnet zumindest die Tür für Zweifel an der offiziellen Erzählung über die Anschläge auf die Twin Towers, was im Mainstream-Comic eher ungewöhnlich ist. Ennis kann in solchen Dingen verdammt subtil sein: „Hide in plain sight“ ist ein Zitat aus einer seiner Stories (Punisher Marvel Knights #15). Immer wieder versteckt er subversive Verschwörungsgeschichten in seinen oft sehr überdrehten Stories. Ist es am Ende Ennis selbst, der hier vor den Augen aller Versteck spielt?

Dschihadisten im Auftrag amerikanischer Verschwörer gegen Russland. Aus: Mother Russia (2005). Story: Garth Ennis. Zeichnungen: Doug Braithwaite.

  • Garth Ennis konstruiert  in Mother Russia eine Situation, die Frank Castle in die Lage versetzt, Russland mit der atomaren Zerstörung zu bedrohen, sollten sie ihm nicht die Flucht aus einem Raketensilo ermöglichen. Auch wenn das in Teilen unplausibel entwickelt wird, diskutiert Garth Ennis anschaulich, wie die Verantwortlichen in Russland abwägen, ob man nun einen Atomkrieg mit den USA beginnen muss. Ein Kriegsverbrecher, den alle nur den ‚Man of Stone‘ nennen, ist es, der den Bluff durchschaut und für Frank Castle anerkennende Worte findet: „That was no American. It was a Russian who was born there by mistake.“ 2022 ist das ziemlich spooky.

Mother Russia.

  • In Marvel Max #4, Up is down and black is white, eskaliert Frank Castle zum ersten Mal medial. Er operiert dem CIA-Agenten aus der Vorgängergeschichte Mother Russia bei laufendem Camcorder ein Auge raus, um dabei auch dessen Geständnis über seine Verbrechen aufzuzeichnen. Beim ersten Lesen fragte ich mich noch, ob ein Geständnis unter Folter denn vor Gericht überhaupt Bestand hätte. Nach etwas Nachdenken sah ich klarer: In den Sphären, in denen Frank Castle operiert, sind die Spielregeln der Demokratie irrelevant. Der Comic stammt aus einer Zeit  des amerikanischen War on Terror, in der Folter  salonfähig geworden ist und das Gefängnis in Guantanamo-Bay eingerichtet wurde. Zieht man noch in Betracht, wie mit Whistleblowern umgegangen wird, wird bewusst, wie groß die Sphäre jenseits des Rechts ist. Ist Garth Ennis‘ Punisher ein Aufschrei gegen die Willkür, so wie einst Lucio Fulcis Kopfbohrszene in Ein Zombie hing am Glockenseil als Aufschrei gegen den Faschismus zu deuten war? Die Anarchie kommt von oben, das Gesetz des Stärkeren ist schon immer Realität.
  • In Up and down and black ist white instrumentalisieren auch die Verbrecher die Massenmedien. Ein aufstrebender Mafiaboss exhumiert bei Nacht die Leichen von Frank Castles Famile und lässt sich filmen, wie er darauf uriniert. Dieser Film wird den Nachrichtensendern zugespielt, die ihn in Endlosschleife zeigen – They’ll show about anything“, wie eine Nebenfigur treffend sagt. Nicht ganz: Während exhumierte Skelette und die schiere Tatsache des Anpinkelns offensiv medial übertragen werden, wird der Penis des Leichenschänders von den Nachrichtensendern aus Jugendschutzgründen ausgepixelt. Was ist bloß los mit einer Gesellschaft, die Leichenschändung im Fernsehen zeigt, beim Anblick eines blanken Penis aber immer noch ein Tabu sieht? Üben Ennis und Fernandez am Ende Medienkritik?

Doublethink mit dem Punisher: Up is down and black is white. Gewalt ist Schwäche passt allerdings eher nicht ins Konzept, außer man betrachtet es unter der Prämisse, dass der Punisher trotz aller Mühen an der Welt scheitert. Zeichnungen: Leandro Fernandez.

  • In Up and down and black is white mutiert Frank Castle zum Disco-Amokläufer – ebenfalls ein Bild, das 2022 zu nah an realen Ereignissen ist. Natürlich alles Mafia-Clubs, aber denkt nicht jeder Amokläufer, er habe ein Recht auf seine Wut? Alles spitzt sich auf die Schlussfolgerung zu, dass jemand schon etwas angestellt haben müsse, wenn ihn der Punisher erschießt. Grotesk eigentlich, was 2005 im Mainstream-Comic möglich war. Grotesk auch, dass Ennis seinen Punisher über ein Jahrzehnt weiter auf diese Weise prägen konnte.
  • Schon der Titel Up is down and black is white darf gerne stutzig machen. Die Subversion ist überdeutlich formuliert. Wie bereits erwähnt: Hiding in plain sight …

Mit seiner Arbeit an den Punisher-MAX-Geschichten hat sich Garth Ennis über Jahre hinweg die Deutungshoheit über die Figur erarbeitet. Aber hat Garth Ennis noch die Distanz, die Wirkung seiner Arbeit komplett richtig einzuschätzen? Als es im Januar 2021, nach dem Sturm aufs Kapitol, um die Frage ging, ob der Punisher ein Vorbild für rechtsradikale Milizen sei, meinte Ennis: „No one actually wants to be the Punisher. Nobody wants to pull three tours of duty in a combat zone with the last one going catastrophically wrong, come home with a head full of broken glass, see their families machine-gunned into bloody offal in front of their eyes, and then dedicate the rest of their lives to cold, bleak, heartless slaughter.“

Nicht wenige Menschen werden auch in der kaputtesten und krassesten Darstellung des Punishers Bestätigung und Identifikationspotenzial finden – wer kann auch ernsthaft glauben, dass die Wut auf gesichtslosen Kapitalismus, Umweltzerstörung und Menschenhandel, wie sie Ennis formuliert hat, nicht maximal anschlussfähig ist? Garth Ennis kann uns da viel erzählen. Chris Kyle, der Scharfschütze, dem Clint Eastwood einen ganzen Film gewidmet hat, ist nur einer von vielen, die gerade Garth Ennis‘ Vision der Figur feiern, kein Autor zuvor hat sich bisher auf diesem hohen Niveau in die Gefühlswelt authentischer, zeitgemäßer Kriegertypen einschreiben können. Wie an einem Mischpult hat Ennis dabei Härte und Grausamkeit hochgeregelt, Menschlichkeit und positive Empfindungen dagegen konsequent unterdrückt und höchstens ab und an als eine akzentuierte Vision eines verlorenen Paradieses punktuell angedeutet. Auch ist Ennis‘ Storytelling von Bitterkeit und Zynismus durchsetzt, nur die Brutalität lässt einen Hauch von Genugtuung übrig. Wenn Ennis in Frage stellt, dass es überhaupt Menschen gibt, die der Punisher sein mögen, drängt sich doch die Frage auf, ob es denn Menschen gibt, die gerne Garth Ennis wären. Im Ernst: Es gibt wenige Autoren, deren Arbeit über Jahrzehnte hinweg derart konsequent trist und deprimierend ist.

Saint Anger ‚round my neck

Es lässt sich feststellen, dass die Geschichte über den Punisher sich über die Jahrzehnte hinweg von einem geradlinigen Selbstjustiz-Vigilanten in etwas sehr grundsätzlich Verstörendes verwandelt hat. Chuck Dixon, selbst langjähriger Punisher-Autor aus den 1980er und 90er-Jahren dürfte durchaus Recht haben mit der Annahme, dass der Marvel-Verlag gar nicht mehr so recht weiß, was man mit der Figur anfangen soll. Auf Bounding into Comics erklärt er, „[t]hey have contempt for the Punisher, this new crowd of editors“, führt aber auch aus, dass die Figur tatsächlich schon seit Jahrzehnten problematisch gesehen wird: „And quite frankly when I was at Marvel writing Punisher in the 90s there were quite a few editors who didn’t like the Punisher. They sure liked to have him show up in their books because it would increase sales, but they didn’t like him as a character. And Marvel didn’t seek those kind of readers even then.“

Zu viele Ninjas. Der neue Punisher von Jason Aaron, Jesus Saiz und Paul Azaceta (2022).

Inzwischen versucht sich Marvel an einem Relaunch der Reihe, der die Figur radikal neu kontextualisiert, indem Frank Castle Teil der Ninja-Sekte „The Hand“ wird. Im Unterschied zu vorhergegangenen Relaunches ist Frank Castle hier wieder Vietnam-Veteran, es handelt sich also um keine verjüngte Variante. Jason Aaron bemüht den häufig gesehenen Kunstgriff, dass alle bisherigen Ereignisse nur Teil eines größeren Ganzen war, dessen wir uns erst jetzt bewusst werden, vermutlich hat alles Böse bald einen tieferen Sinn. Die Ninja-Sekte „The Hand“, die man aus Serien wie Daredevil bereits kennt, hat das Killer-Potenzial von Frank Castle schon in dessen Kindheit beobachtet, alles ist also ab sofort der wahren Bestimmung Frank Castles als Anführer von Ninja-Killern im Auftrag des Teufels (des Beasts) untergeordnet. Gleichzeitig meldet aber auch die Sekte des Kriegsgottes Ares Ansprüche auf Frank Castle an. Das Szenario wirkt ein wenig wie in einem Creative-Writing-Seminar entwickelt und spiegelt etwas zu offensichtlich den Streit um die Deutungshoheit des Punisher-Skulls in der realen Welt wider.  Die Figur wurde seit Christopher Goldens Punisher-Relaunch von ’98 nicht mehr so krass umgedeutet, als Frank Castle im Auftrag des Himmels gegen Dämonen kämpfte.

Jason Aaron schreibt unterhaltsam, keine Frage. Immer wieder schwenkt seine Erzählung zurück in die Kindheit und Jugend Frank Castles und manchmal beschwört er, wie schon früher in seinen Comics, das soziale Milieu einer klassischen Bruce-Springsteen-Erzählung herauf, besonders deutlich in der Szene, als Frank kurz vor seiner Abkommandierung nach Vietnam Maria heiratet – „at the courthouse“ wird geheiratet, eine doch sehr deutliche Anleihe an Springsteens Stück „The River“. So drückt man Verbundenheit zu den Wurzeln aus – und das hat Aaron nötig, denn mit seinem Ninja-Plot entfernt er sich von den Wurzeln des Punishers denkbar weit.

1991 gab es eine Maxiserie in zwölf Heften, in der Frank Castle seine Waffen vorstellt. Die Hingabe, mit der hier auf eine akkurate Darstellung geachtet wurde, lässt einen staunen. Texte und Zeichnungen von Eliot R. Braun.

Der langjährige Punisher-Autor Mike Baron (Punisher von 1988–95) hat für die Neuausrichtung wenig übrig und fragt sich, weshalb man mit dem Erfolgsmodell bricht. Baron selbst schreibt inzwischen unabhängig von den großen Verlagen sehr konservativ-reaktionäre Actioncomics und Romane über Biker und Veteranen, die Selbstjustiz üben, als wäre es immer noch der 90er-Jahre Punisher. Er ist ein militanter Fürsprecher für hochgerüstete Polizei und hält wenig von  Bewegungen wie „Black Lives Matter“. Er ist dabei in seiner Haltung ähnlich gestrickt wie Chuck Dixon. Beide werfen den großen Verlagen DC und Marvel vor, gezielt ihre Erfolgsrezepte mit woken Inhalten zu zerstören und keine Ahnung mehr davon zu haben, wie gute Unterhaltung funktioniert. Abgesehen davon, dass gerade Mike Barons Punisher-Erzählungen der frühen 1990er oft handwerklich großartig geraten sind, wundert es dennoch nicht, dass das einstige Erfolgsrezept über die Jahre immer langweiliger und repetitiver wurde. Ob Barons und Dixons Einschätzung über moderne Comics noch sonderlich treffsicher ist, bezweifle ich.

Gerry Conway, der Erfinder des Punishers, äußert sich völlig anders als Mike Baron. Während Baron es gut findet, wenn Polizisten sich den Skull anheften, hält Conway dies für skandalös: „For too long, symbols associated with a character I co-created have been co-opted by forces of oppression and to intimidate black Americans. This character and symbol was never intended as a symbol of oppression. This is a symbol of a systematic failure of equal justice. It’s time to claim this symbol for the cause of equal justice and Black Lives Matter.“ Am liebsten wäre Conway, die nächste Inkarnation des Punishers wäre ein Afroamerikaner, damit die Figur wieder Relevanz bekäme.

Die Diskussion darüber, in welcher Form und Prägung der Punisher in Zukunft auftreten wird, ist offensichtlich noch lange nicht zu Ende. Am Ende ist gut möglich, dass die Ninja-Version nur Episode bleibt. Über Wut lässt sich intuitiv leicht Geschichten erzählen. Über Ninjas eher nicht.

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