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Währenddessen… (KW 45)

Was zuletzt geschah: Christian hat alte Bücher repariert, Niklas hat seinen Streifzug durch die Serie Sleeper fortgesetzt.

Christian: Vor mehr als einem halben Leben habe ich mir bei einem Comicversand ein gelochtes Sigurd-Heft bestellt. Gelocht, als Leseexemplar, denn im Topzustand wäre mir seinerzeit zu teuer gewesen – schließlich mussten noch viele Hefte angesammelt werden.

Das Heft, das ich erhielt, war dann aber gar nicht gelocht – bzw. es war nicht mehr gelocht. In liebevoller Kleinarbeit hat der Vorbesitzer mit Locherschnipseln die ausgestanzten Linien des gelochten Hefts wieder ergänzt und mit winzigen Tesafilm-Schnipseln aufgeklebt, dann die Rückseiten der Lochschnipsel ebenfalls wieder ausgemalt, so dass man nur durch genaues Hinsehen die Ausbesserungsstelle sieht.

 

Nun ist Tesafilm als Restaurationswerkzeug ja irgendwo zwischen verpönt und indiskutabel eingeordnet, aber diese Arbeit wurde wirklich sehr ordentlich ausgeführt und der inzwischen stark nachgedunkelte Tesastreifen stört auf den Schwarzweißrot gedruckten Zwischenseiten nicht wirklich. Für die Anwendung im Hausgebrauch würde ich mich nach säurefreiem, papierschonenden Klebestreifen erkunden. Tipps für besonders geeignete Materialien nehme ich dafür gerne entgegen.

Letztes Monat habe ich mich selbst im Restaurieren üben können. Ich hatte mir second hand die Hardcover-Gesamtausgabe von Billy the Cat zugelegt und dabei eine massive Stoßkante auf dem Cover glatt übersehen.

Auf einen Umtausch hatte ich keine Lust, also habe ich mir Werkzeug zurechtgelegt und mich selbst am Ausbessern versucht: Zuerst mit Skalpell das bedruckte Papier vom verbeulten Karton des Buchs freigeschnitten, vorsichtig vom Karton abgelöst und dann die gestauchten Kartonschichten abgekratzt, abgeschabt und abgeschnitten, so dass nur das bedruckte Papier übrigblieb, das noch am Buch hing. Danach einige Lagen dünnes Druckerpapier genommen, das ich mir so zurecht gefaltet habe, dass sich das Coverbild darüberlegen ließ, dann alles zusammengeklebt.

Die Nahtstelle, die dann noch zu sehen war, habe ich solange mit Acrylfarben und dünnem Pinsel übermalt, biss es auf mich einen nahtlosen Eindruck machte, wobei anzumerken ist, dass das Ergebnis in natura optisch nur auffällt, wenn man weiß, was gemacht wurde. Man fühlt die Ausbesserungsstelle noch, aber das Buch isr wieder richtig schön geworden.

Niklas:

Bild 1: Holden liest die Zeichen und ist erstaunt. (c) CrossCult

Die Schlinge zieht sich zu im zweiten Band der Comicserie Sleeper. Doppelagent Holden Carver hatte es schon aufgegeben, jemals aus der Organisation des Superschurken Tao auszubrechen. Aber dann erkennt er plötzlich alte Zeichen, über die nur er und sein Vorgesetzter Lynch Bescheid wissen sollten. Vielleicht gibt es ja doch noch einen Ausweg, auch wenn Holden dafür lieb gewonnene Freunde auf der anderen Seite verlassen muss.

„Die Schlinge zieht sich zu“ ist im Vergleich zum ersten Band „Das Schaf im Wolfspelz“ viel straffer erzählt. Wo die ersten sechs Hefte noch recht episodenhaft von Holdens Leben auf der anderen Seite erzählten, nutzen die nächsten sechs Hefte endlich das komplette Potential ihrer Geschichte und hauen eine Wendung nach der anderen raus. Wann immer es gut für unsere ambivalente Hauptfigur aussieht, geht natürlich was schief und dann noch schiefer. Holden selbst beschreibt es als ein postironisches Leben, eine Existenz, die so voller Ironie getränkt ist, dass niemand mehr darüber lachen kann. Interessanterweise zeigt die Geschichte aber auch immer mehr, dass sein Mitgefühl für Zivilisten aufgebraucht zu sein scheint, wenn er diese an einer Stelle als Affenhorde bezeichnet. War er in „Das Schaf im Wolfspelz“ noch ein Mann, der glaubte, mit sich im Konflikt zu stehen, ist er in „Die Schlinge zieht sich zu“ wohl endgültig zu dem geworden, was er zu bekämpfen glaubte, ein egozentrischer Killer mit Superkräften, der nur an das eigene Überleben denkt. Trotzdem sind es auch dieses Mal wieder seine Beziehungen zu anderen Mitgliedern der Organisation, die weiterhin seine weiche Seite zeigen. Was ist Holden also am Ende? Gut, böse oder nichts dazwischen, aber ausgestattet mit Superkräften und einem Sixpack? Und wer ist das größere Übel, Lynch oder Tao? Der letzten Frage widmet Autor Ed Brubaker die zweite Hälfte der Serie.

Ganz anders sind Sean Phillips‘ Zeichnungen. Die sind kein Übel, sondern nur noch besser als im ersten Band. Es sind nur kleine Änderungen, aber alles wirkt hier noch runder und hübscher, gerade wenn sich die Figuren mal wieder anknurren oder breit grinsend die finsteren Seiten ihrer Persönlichkeit zeigen. Mein liebstes Bild finde ich aber immer im dritten Heft des Sammelbands. Da durchsuchen Holden und Taos rechte Hand, Peter Grimm, eine Kirche, finden das Gesuchte aber nicht. Während sie die Treppe hinabsteigen und unser Hauptcharakter mal wieder sein Los beklagt, fällt Mondlicht auf ein beeindruckendes Buntglasfenster, in dessen Glanz die beiden Figuren hinabsteigen. In dieser Szene vereint sich alles, was Sleeper zu einer meiner Lieblingsserien macht. Denn die Figuren wenden sich nicht nur bildlich, sondern auch metaphorisch vom Licht der im Buntglas verewigten Heiligen ab und kommen der Finsternis der Hölle immer näher. Grimm geht mit stoischer Miene hinab und trägt auch bei Nacht eine Sonnenbrille, so als ginge er vollkommen in Taos Schattenorganisation auf, während Holden einen gequälten Gesichtsausdrucks macht, vielleicht nicht nur, weil er sich immer tiefer reinreitet.

Diese kleinen Details machen Die Schlinge zieht sich zu zu meinem liebsten Band der Reihe. Besser wird es nicht mehr. Aber es bleibt gut, wie der nächste Band zeigen wird.

Bild 2: Holden hat die Schnauze voll von Lynchs Machenschaften.

 

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