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Währenddessen… (KW 42)

Heute in Währenddessen: John Constantine und die Frage nach seiner sexuellen Ausrichtung.

Seit wann ist eigentlich John Constantine eine bisexuelle Figur? Man sollte zu dieser Frage am besten das hervorragende Handbuch „From Bayou to Abyss – examining John Constantine, Hellblazer“ konsultieren: Dort erfährt man, dass John Constantine die ersten 50 Hefte lang beinahe eindeutig hetero dargestellt wurde, abgesehen von einem angedeuteten ehemaligen Verhältnis mit seinem alten Freund Ray Monde, worüber sich der von Jamie Delano gescriptete John jedoch vornehm ausschweigt.

Als Garth Ennis dann die Reihe übernahm, wurde Johns sexuelle Ausrichtung nahezu obsessiv in Richtung hetero gerückt, der Fill-In Autor John Smith (Hellblazer 51) schob allerdings in einem internen Monolog, durchaus subversiv, eine kleine Anspielung auf Bisexualität unter: „Girlfriends, the odd boyfriend … They all have a nasty habit of walking out on me.“ Danach war das Thema der Bisexualität weitgehend durch, bis es Brian Azzarello Jahre später in seiner StoryArc „Ashes and Dust in the City of Angels“ sehr offensiv wieder auf den Plan brachte, wobei anzumerken ist, dass Constantine bei Azzarello

a) sehr out-of-character wirkt und

b) seine homosexuellen Handlungen nicht aus Liebe, Zuneigung oder inneren Antrieb begeht, sondern Teil einer List sind, um den Milliardär S.W. Manor in eine Falle zu locken.

Zudem ist Homosexualität bei Azzarello nahezu gleichgesetzt mit Perversion und dient vor allem dem Shock Value und der Sensation. Das Vertigo-Imprint konnte 2000 bereits auf eine lange Geschichte positiver Repräsentanz zurückblicken, so dass Azzarello hier eventuell bewusst mit dem Klischee der positiven Diskriminierung brach.

(C) DC Comics, Vertigo.

Spätestens zu diesem Zeitpunkt waren genügend Fährten ausgelegt, dass seitdem  eine queere Interpretation der Figur möglich ist. Seither ist diese Seite von John Constantine je nach Interessenlage der Autoren manchmal an- dann wieder ausgeknipst und im Fall einer animierten Justice League Dark-Episode auch mal schrill überzogen, als angedeutet wird, dass John und King Shark ein Paar waren. Es gibt inzwischen viele Varianten von John Constantine, so dass eine stringente Charakteranalyse nicht mehr möglich ist.

Das Buch From Bayou to Abyss enthält auch abseits des oben erwähnten 26-seitigen Textes „The Odd Boyfriend: John Constantines’s Bisexuality in Hellblazer and Beyond“ einen reichen Fundus an Aufsätzen rund um unseren liebsten Okkultisten, darunter auch eine Auflistung und Beschreibung aller Constantine-Projekte, die nicht aus der Pitch-Phase herauskamen (z.B. Twilight of the Gods von Alan Moore) oder gecancelt wurden (prominentestes Beispiel vermutlich „Shoot“, in dem Warren Ellis auf recht abstruse Weise das Thema High School-Shootings aufgreift, was nach Columbine jedoch auf wenig Liebe bei DC stieß). Auch der Constanine-Film mit Keanu Reeves und die Auftritte im DC Animated Universe werden ausführlich gewürdigt, dennoch bilden die Comics der Vertigo-Ära den Schwerpunkt.

Das von Rich Handley und Lou Tambone herausgegebene Buch ist definitiv eine Sammlung von Sekundärtexten, die man gerne gründlich und auch mehrmals liest. Mit einem Vorwort von Jamie Delano und einem Essay von Nancy A. Collins finden sich dabei auch wenigstens zwei ehemalige Vertigo-Autor*innen.

Anmerkung: Christian hat schon 2013 über die Hellblazer-Runs von Warren Ellis und Brian Azzarello geschrieben.

 

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