Aktuelles
Schreibe einen Kommentar

Währenddessen … (KW24)

In der Kolumne „Währenddessen …“ zeigt die Comicgate-Redaktion, was sie sich diese Woche sonst noch so zu Gemüte geführt hat.

Benjamin: Eine komplette Highschool mitsamt allen Schülern und Lehrern verschwindet von einen Tag auf den anderen und taucht in der Wildnis eines offenbar fremden Planeten wieder auf. Zugegeben, in den ersten Heften der US-Serie The Woods (Boom! Studios) passiert relativ wenig und man wird das Gefühl nicht los, man liest gerade einen lahmen Aufguss des mysteriösen Schuldramas Morning Glories. Auch im zweiten Storyarc des von James Tynions IV verfassten Comics hält sich das Spektakel in Grenzen. Jugendliche irren durch den Wald, die bunte Fauna ist angriffslustig, altertümlich gekleidete Einheimische faseln irgendwas Verschwörerisches. Trotzdem hat mich The Woods inzwischen gepackt. Das liegt zum einen an der feinen Charakterzeichnung der Figuren und den gelungenen Dialogen, zum anderen an Michael Dialynas Artwork, an das ich mich inzwischen so sehr gewöhnt habe, dass ich es nicht missen möchte. Es ist auch das ausgefeilte Mienenspiel, das den Figuren Tiefe verleiht. Und Rückblenden zum familiären Hintergrund und dem emotionalen Zustand einzelner Schüler. Wunderbar eingepasste Rückblenden. Bei der Serie bleibe ich weiter am Ball.

© Boom Studios!

© Boom! Studios

Andi: Ich habe mittlerweile Kollege Wüllners Mad Max-Kinoempfehlung nachgeholt. Was ein Höllenspaß! Sind andere Actionfilme Rock, so ist Mad Max: Fury Road herrlich irsinniger Thrash Metal. Man muss einfach gesehen haben, wie George Miller, der mittlerweile 70-jährige Schöpfer der Original-Filmtrilogie, und sein noch älterer, für diesen Film aus dem Ruhestand zurückgekehrte Kameramann John Seale das Actiongenre mit einer zweistündigen Dauerhatz durch die postapokalyptische Wüste völlig aufmischen. Tom Hardy grunzt sich als neuer Irrer Max durch schmerzhafteste und bizarre Szenarien, als hätte er nie etwas anderes gemacht, und Charlize Theron stiehlt ihm als einarmige Amazone „Imperator Furiosa“ dabei noch beinahe die Schau. Am besten nah an die Leinwand setzen und das Kinopersonal bitten, die Lautstärke voll aufzudrehen. Die dazugehörigen Comics mit noch mehr Madness gibt es mittlerweile natürlich auch schon.

Frauke: Netflix hat letzte Woche mal wieder alle Folgen einer neuen Serie am Stück präsentiert; diesmal handelte es sich um Sense8. Ich weiß nicht, ob die Namen der Wachowski-Geschwister sowie J. Michael Straczynski aktuell noch einen Zugwert haben; jedenfalls hatten die hierbei die Fäden in der Hand. Es geht um acht einander unbekannte Personen, die nach und nach eine immer stärkere telepathische Verbindung zueinander aufbauen und seitdem von einer Geheimorganisation gejagt werden. Was das alles soll, erfährt man nur stückchenhaft, wofür Sense8 eher lauwarme Kritiken erhalten hat. Besonders gut gefallen haben mir die weltweit verteilten Originaldrehorte und internationalen Schauspieler (unter anderem Max Riemelt in Berlin als einer der Hauptdarsteller) – vermutlich auch, weil ich mich letztens an dieser Stelle über ein immens schlecht nachgebautes Dresden in The Blacklist geärgert habe. Weswegen aber alle Menschen auf der Welt Englisch sprechen, ergibt wie so einiges anderes keinen Sinn. Mich hat’s alles in allem aber gut unterhalten und die Figurenzeichnung in ihrer Diversität fand ich sehr überzeugend, weswegen ich die Serie trotz einiger Schwächen weiterempfehle.

Frauke: Die Dokumentation An Honest Liar über das Leben einer meiner persönlichen Helden, James „The Amazing“ Randi, kann seit kurzem unter anderem auf Vimeo ausgeliehen oder gekauft werden. Der mittlerweile 86-jährige Randi erlangte zuerst Bekanntheit als Zauberer und wurde als Nachfolger des Entfesselungskünstlers Houdini gehandelt. Später widmete er sein Leben der Enttarnung von vermeintlich übersinnlich begabten Scharlatanen, seien es Uri Geller mit seinen eher harmlosen Löffelverbiegungen oder aber Peter Popoff, der sehr viel Geld mit angeblichen Geistheilungen zum Teil schwerkranker Menschen verdiente. Randis Mission ist es bis heute, Menschen aufzuklären und zu skeptischem Denken anzuregen. „No matter how smart or well educated you are, you can be deceived.“ Sein TED-Talk ist eine kurzweilige Einführung in diese Thematik (mit deutschen Untertiteln gibt’s das Video auch auf der entsprechenden TED-Website).

Daniel: Seit dem Anschlag auf das Satiremagazin „Charlie Hebdo“, bei dem zwölf Menschen, darunter fünf prominente Karikaturisten, starben, gehen Zeichnungen, Karikaturen und Comics um die Welt. Die Worte Je suis Charlie sind zum allgemeinen Ausdruck für die Verteidigung der Meinungsfreiheit geworden. Und das ist gut so! Auch der schlanke Band Zeichner verteidigen die Meinungsfreiheit (Aladin Verlag) feiert den Bleistift als politische Waffe, als humoristisches Werkzeug, als unerlässliches Korrektiv. Unter den 29 Zeichnern befinden sich bekannte Namen wie ATAK, Flix, Ulf K., Reinhard Kleist, Isabel Kreitz, Axel Scheffler, Ralph Steadman und Barbara Yelin. Sie alle interpretieren den Begriff „Meinungsfreiheit“ in einer Zeichnung. Die Meinungsfreiheit muss ein Grundrecht bleiben! Das macht der Band deutlich. Doch stellt sich mir bei der Lektüre noch eine weitere Frage: Meinungsfreiheit pour la Meinungsfreiheit? Versteht mich nicht falsch: Das Attentat auf Charlie Hebdo ist aufs Schärfste zu verurteilen. Aber: Kurz nach dem Attentat reflektierte der Islamwissenschaftler Tariq Ramadan in einem Democracy-Now-Video über die Karikaturen, die Charlie Hebdo gemacht hat. Im Gespräch mit Art Spiegelman deutet er an, dass das Satiremagazin bewusst auf die muslimische Gemeinde abgezielt hat, um Geld zu machen. Es ist einfach, sich über Minderheiten lustig zu machen und damit Ausgaben zu verkaufen. Auch wenn seine These überzogen sein mag, stellt sich mir doch die Frage: Hinterfragen wir auch, gegen wen der Bleistift als Waffe eingesetzt wird?

Zeichner verteidigen die Meinungsfreiheit

© Aladin Verlag

Benjamin: Schon etwas länger her, aber gerade erst von mir entdeckt: Punpun macht ein Praktikum bei Tokyopop. Wer das ist? Na, der kleine Schuljunge, der sich in Inio Asanos Mangaserie Gute Nacht, Punpun als vogelartiges Wesen herumtreibt. So viel Spaß aus Redaktionsräumen zu sehen, ist nach den ernsten Schlagzeilen aus Paris und den daraus folgenden Debatten (siehe oben) auch einfach mal ganz schön anzusehen. Nebenbei bekommt man in aller Kürze den Arbeitsalltag eines Verlages skizziert. Die kompletten „realen“ Abenteuer von PunPun kann man übrigens regelmäßig auf Facebook mitverfolgen.

© Tokyopop

© Tokyopop

Was habt ihr diese Woche gekauft, gesehen, gelesen, gespielt? Postet eure Bilder, Geschichten und Links einfach in die Kommentare.

Schreibe einen Kommentar

Mit dem Abschicken dieses Formulars erklärst du dich mit unserer Datenschutzerklärung einverstanden.