Rezensionen
Schreibe einen Kommentar

Vogelschiss

Vogelschiss ist eine brandaktuelle, durch Crowdfunding initiierte Graphic Novel gegen „Rechts“ und es war den Verantwortlichen ein Anliegen, dass sie noch vor der Bundestagswahl erscheint.

Alle Abbildungen © Guano Project

Die Handlung ist schnell umrissen: Ein pensionierter Lehrer und Alt-68er namens Rudi und seine Nachbarin Eleni beschließen nach einem rechtsextremen Terroranschlag in ihrem näheren Umfeld, dass es nun genug sei mit rechtsextremen Umtrieben. Da die AfD in ihren Augen als geistige Brandstifter eine Mitverantwortung tragen, beschädigen sie deren Plakate, indem sie die Slogans übermalen. Später steigern sie ihre Kampagne zu einer Art Happening: Vögel werden mit einer Vogelfutterkanone auf die AfD-Zentrale in Berlin gelockt, damit sie dort alles vollscheißen. Danach jedoch geraten Rudi und Eleni selbst ins Visier gewaltbereiter Extremisten.

Zum Glück begnügen sich Frauke Bahle, Julian Waldvogel und das weitere Team hinter Vogelschiss nicht mit dem Abfeiern einer originellen Idee. Mit Fortschreiten der Story gehen sie durchaus in die Tiefe und beschäftigen sich mit Thesen und Dogmen, deren Richtigkeit sich nicht unmittelbar erschließen. „Niemals mit Rechten reden“ lautet so ein Dogma, das Eingang in Vogelschiss gefunden hat, weil es eben so eine fundamentale Regel ist. Rudi, unser Alt-68er, und Eleni unterhalten sich mit einer Mutter am Fußballplatz über die Einflussnahme eines AfD-Vorstandsmitglieds, der den Vereinskids Trikots spendiert hat. In dem Gespräch redet sich Rudi in Rage: Dass die AfD eine demokratisch legitimierte „Volkspartei“ sei, lässt Rudi nicht gelten, dass AfD-Aktivisten lediglich Andersdenkende seien, die man nicht ausgrenzen darf, auch nicht. Da mag man fast ein bisschen Mitgefühl mit der Dame haben, ein Grund, weshalb ich das Gespräch für die Schlüsselstelle im Comic halte: Hier werden zweifelnde Leser abgeholt. Rudi liefert gute Argumente, sozusagen Handwerkszeug.

„Mit denen muss man doch reden.“ – Und wo ist es sinnvoll, eine Grenze zu ziehen?

Vogelschiss ist eine kluge, unterhaltsame, spannende Geschichte. Den Vandalismus der beiden Hauptfiguren sehe ich dabei nicht als Handlungsanweisung für den Leser, er ist aber relevant für den weiteren Verlauf der Geschichte, die von den gefährlichen wie heftigen Konsequenzen der Aktionen handelt. Das wirklich überzeugende Kernstück der Graphic Novel liegt indessen auf einer weiteren Ebene. Frauke Bahle und Julian Waldvogel haben gekonnt Zitate von AfD-Abgeordneten und AfD-Aktivisten in ihren Comic eingeflochten, die ganz sicher nicht deswegen eindeutig nationalsozialistisch und menschenverachtend wirken, weil sie aus dem Zusammenhang gerissen sind. Ebensowenig sind die Zitate nur Einzelfälle. Das brodelnde Verlangen nach Eskalation und Gewalt und eine stete Verklärung des Dritten Reichs sind allgegenwärtig.

Somit liegt hier neben einer unterhaltsamen Erzählung auch gleich eine verdienstvolle und aufschlussreiche Zusammenstellung von rechtsextremen Zitaten aus dem AfD-Umfeld vor, die dazu einlädt, sich intensiver mit dem Thema zu beschäftigen. Grafisch ist der Comic dabei an jeder Stelle kompetent gelöst, die Dialoge sind nuanciert, lebensnah, flott zu lesen und an den entscheidenden Stellen eindringlich. Definitiv kein Comic, der sich nur an die ohnehin Überzeugten richtet.

Handwerklich gelungen, überzeugend und nachhaltig.

8von10
Vogelschiss
Guano Project, 2021
Text: Frauke Bahle
Zeichnungen: Julian Waldvogel
128 Seiten, Farbe, Hardcover
Preis: 24 Euro
ISBN: 978-3000688904
Leseprobe

Schreibe einen Kommentar

Mit dem Abschicken dieses Formulars erklärst du dich mit unserer Datenschutzerklärung einverstanden.