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Tomboy

Wie schon im Fall von Querschläger hat auch hier ein unverfilmtes Skript des Regisseurs und Drehbuchautors Walter Hill (Last Man Standing) als Grundlage für einen Comic gedient. Und wieder war es Comicautor und -zeichner Matz, der sich des Drehbuchs angenommen hat. Matz ist vor allem bekannt für seine Serie Der Killer und so ist es kein Wunder, dass nicht nur Querschläger, sondern auch Tomboy sein Interesse weckten. Denn in allen drei Erzählungen stehen Killer als Hauptpersonen im Mittelpunkt der Ereignisse.

Alle Bilder © Splitter Verlag

Dabei geht es neben der natürlich vorkommenden Actionszenen und Krimielemente vor allem um das Innenleben der Männer (und Frauen), die für Geld töten. Tomboy geht in dieser Hinsicht aber einen recht ungewöhnlichen Weg, so dass es gar nicht so verwunderlich erscheint, dass Hill Schwierigkeiten hatte Geld aufzutreiben, um einen Film aus dieser Vorlage zu machen. Allerdings war der daraus entstande Comic in Frankreich wiederum erfolgreich genug, um mittlerweile – Ironie der Geschichte – einem Film als Grundlage zu dienen. (The Assignment mit Michelle Rodriguez und Sigourney Weaver, verfilmt von Walter Hill selbst und co-geschrieben von Denis Hamill, von dem auch die ursprüngliche Storyidee stammte.)

Im Mittelpunkt steht der Killer Frank Kitchen, der anscheinend einen reinen Routinejob vor sich hat. Doch dabei geht er seinen Feinden in die Falle, die ihn allerdings nicht töten , sondern in eine Frau umoperieren. Nachdem sich Kitchen vom ersten Schock erholt hat, will er nur noch eines: Rache.

Die Zeichnungen für Tomboy hat Matz wie schon für Querschläger seinem Kollegen Jef überlassen, der es versteht seine Seiten geschickt aufzubauen. Auch die Settings sind hervorragend umgesetzt worden, aber Jefs Stil hat auch klare Mängel. So sind seine Gesichter deutlich von Simon Bisley beeinflusst, was nicht jedermanns Geschmack sein dürfte. Verzerrt und übertrieben wie sie sind, weichen sie das realistische Setting auf, ja kollidieren teils sogar damit, indem sie dem Ganzen einen unpassend wirkenden, cartoonhaften Charakter verleihen. Auch nehmen die Körper in den Actionszenen physikalisch unmögliche und unglaubwürdige Positionen ein. Wie kann ein Gangster mit einer solchen Wucht nach vorne kippen, dass es seine Beine in die Luft reißt, wenn er nicht von hinten getroffen worden ist, sondern von vorne? Man kann das als eine Art von Actionkarikatur werten und dass man den Inhalt nicht so ernst nehmen soll, was der Geschichte aber nicht hilft.

Vor allem ist es die unwahrscheinliche Prämisse, welche den Reiz der Erzählung ausmacht. Abgesehen von der schrägen Ausgangslage hat die Geschichte jedoch nicht viel Innovatives zu bieten. Es fehlt einfach eine wirkliche Identitätskrise des Killers, als er mit einem neuen Geschlecht aufwacht. Diese perfekte Steilvorlage für die Thematisierung der Genderfrage, wird aber vollkommen außer Acht gelassen. Auch die Möglichkeiten für spannende und humorvolle Szenen, in denen der Held lernen muss, mit seinem neuen Körper umzugehen, werden weitgehend ignoriert. Im Kern ist Tomboy nichts weiter als eine pure Rachegeschichte, die auch noch ihre Längen hat. Immerhin wird die Dürftigkeit der Handlung von ein paar sehr gelungenen, starken und ausdrucksvollen Szenen überdeckt. Das reicht, um sich gut unterhalten zu fühlen, aber mit einem Meilenstein des Genres hat man es hier nicht zu tun.

Viele Steilvorlagen werden ignoriert, was – verbunden mit den Schwächen der Zeichnungen – nur solide Unterhaltung ergibt.

Tomboy
Spliiter Verlag, 2016
Text: Walter Hill, Matz
Zeichnungen: Jef
Übersetzung: Resel Rebiersch
128 Seiten, farbig, Hardcover
Preis: 24,80 Euro
ISBN: 978-3-95839-414-8
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