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Nightwing 2 & Catwoman 2 (Dawn of DC)

„Dawn of DC“ geht in die nächste Runde. Die bei Panini erschienenen Fortsetzungsbände zweier Soloserien machen vor, wie’s geht. Dabei gibt es viel Neues zu entdecken, Nightwing-Fans brauchen aber etwas Geduld.

Covers der deutschsprachigen Paperbacks © Panini

Nightwing, ahoi!

Tom Taylors Nightwing ist die Geschichte eines Erfolgs. Der australische Autor hat die Reihe rund um Batmans ehemaligen Sidekick, der nun als eigenständiger Superheld „Nightwing“ in der Stadt Blüdhaven für Gerechtigkeit sorgt, 2021 übernommen und verlieh Richard („Dick“) Grayson (so Nightwings bürgerlicher Name) bis heute Profil. Mit eigenem Setting und Personal, das eine dreibeinige Pitbull-Hündin sowie eine neu kreierte Halbschwester miteinschließt, spann Taylor eine aufregende, witzige oder herzerwärmende Story nach der anderen. Dabei schreckte er vor formalen Experimenten nicht zurück: Nightwing #87 bestand nur aus einem einzigen fortlaufenden Panel, in dem alle Bewegungen des athletischen Helden Platz fanden – das Comicäquivalent zu Filmen, die aus einer einzigen Plansequenz bestehen. Nightwing #105 wurde hingegen konsequent aus der 1.-Person-Perspektive erzählt, was wiederum Assoziationen zu Filmen wie Hardcore Henry (2015) weckt. Derartige Experimente sind für Mainstream-Superhelden-Comics eher ungewöhnlich und haben Taylor u.a. zwei Eisner-Awards eingebracht. Wenn ein neuer Nightwing-Band herauskommt, liegt die Latte also dementsprechend hoch.

Tom Taylors Nightwing #105 versetzte die Leserinnen und Leser direkt in die Perspektive des Helden – und wurde 2024 prompt mit einem Eisner ausgezeichnet. Die Erwartungen für alle nachfolgenden Ausgaben sind dementsprechend hoch. (Zeichnungen: Bruno Redondo, © DC Comics)

Das zweite Paperback unter dem „Dawn-of-DC“-Label versammelt die Einzelausgaben Nightwing #106–110, in denen Taylor die Geschichte Dick Graysons weitererzählt – oder zumindest weitererzählen sollte. De facto handelt es sich um einen Ausflug in ein Kapitel von Dick Graysons Vergangenheit, welches viele Nightwing-Fans wohl lieber vergessen würden. Als Nightwing während Tom Kings Batman-Run von KGBeast in den Kopf geschossen wurde (Batman, Vol. 3, #55), verlor er sein Gedächtnis, legte seine Superhelden-Persona ab und nannte sich von nun an „Ric“ Grayson. Es ist Ric, den wir zu Beginn von Tom Taylors Band in einer Rückblende präsentiert bekommen. Er leidet an Amnesie und will mit Nightwings alter Persönlichkeit nichts mehr zu tun haben. Dennoch beginnt ihn seine Vergangenheit einzuholen: Als er ein Paket für Nightwing erhält, will es nicht öffnen, davon trennen kann er sich aber auch nicht. Bardame Bea – eine Flamme Rics – gibt ihm den Tipp, das Paket beim so genannten „Quartiermeister“ zu verwahren. Dieser gehört zu der Seefahrer-Geheimorganisation „Gekreuzte Schlüssel“, die auf jene Tage zurückgeht, als Blüdhaven noch vom Walfang lebte. Er verspricht, das Paket in seinem Lager aufzubewahren. Sprung in die Gegenwart: Der Quartiermeister wird vom Serienkiller „Heartless“ im Auftrag des Gangsters Tony Zucco ermordet, der sich an den Schätzen des Lagers bereichern will. Bei seinen Ermittlungen findet Nightwing heraus, dass das Lager – ein riesiges Schiff – verschwunden ist und begibt sich auf die Suche danach. Dabei trifft er auf seine Ex-Geliebte Bea, die als Piratenbraut und neues Oberhaupt der Gekreuzten Schlüssel die Geheimnisse ihrer Organisation wahren will. Dabei kommen alte Leidenschaften und Animositäten zwischen den beiden wieder zum Vorschein.

„Wie das Cover eines Liebesromans“ – Taylor spielt mit Nightwings Posterboy-Image. (Zeichnungen: Stephen Byrne, © DC Comics)

Die Story ist flott erzählt, sieht nett aus (Zeichnungen: Stephen Byrne) und vermag es, aus der Prämisse „Nightwing unter Piraten“ das Maximum herauszuholen. Der verbale Schlagabtausch zwischen Bea und Dick erinnert ein bisschen an klassische Screwball-Comedies, etwa als Dick in einem brustfreien Outfit an Deck kommt, das Bea dann mit den Worten kommentiert: „Für diese Mission wirst du aussehen, wie das lebendige Cover eines Liebesromans.“ Leserinnen und Leser von Nightwing werden sich zwar über den ironischen Seitenhieb auf Dicks Posterboy-Image freuen – sein knackiger Hintern sorgte immer wieder für Gesprächsstoff, wie man z. B. in diesem informativen Video erfährt – dennoch stimmt die Tatsache, dass hier ausgerechnet Dicks Vergangenheit als Ric Grayson wieder aufgewärmt wird, ein bisschen ratlos. Taylors Run zeichnet sich gerade durch die innovativen, neuen Pfade aus, die er beschreitet und weniger dadurch, sich jeder Kleinigkeit aus Nightwings Geschichte verpflichtet zu fühlen. So sehr die Piratenstory unterhält, die Rückblenden zu Szenen zwischen Bea und Ric bremsen die Geschichte auch immer wieder aus. Taylors vorhergehende Story-Arcs laufen sukzessive auf eine Konfrontation zwischen Nightwing und dem Killer Heartless hinaus, eine Konfrontation, die einem auch in diesem Band verwehrt bleibt. Stattdessen hat man das Gefühl, hier wird Zeit vor dem großen Finale geschunden. Insofern fällt der Episode mit den Gekreuzten Schlüsseln die etwas undankbare Rolle als retardierendes Moment zu, bevor Taylor seinen Run in den Folgebänden (Band 3 erscheint im Mai 2025) hoffentlich so erfolgreich abschließen kann, wie er ihn begonnen hat.

Eine Katze mit Todessehnsucht

Wenn Nightwing DCs Posterboy ist, dann ist Catwoman DCs Postergirl. In der Fortsetzung von Tini Howards vielversprechend gestartetem Catwoman-Run, wird das nicht nur an den kurvenbetonten Covers von David Nakayama deutlich, sondern auch daran, dass Selina Kyle wieder in ihr altes Kostüm schlüpft. Der lila Ganzkörperanzug mit den schwarzen Stiefeln wurde damals von Jim Balent designt, der die Soloserie über die unangepasste Meisterdiebin in den 90ern als Zeichner entscheidend mitprägte. Was Balent Kritik einbrachte, waren Catwomans überdimensioniert gezeichneten Brüste und ihre unrealistische Stundenglas-Taille. Diese Kritik hat gerade aus heutiger Perspektive ihre Berechtigung, lässt Balents Gespür für verrückte Geschichten und dynamische Figurenposen aber unter den Tisch fallen. Wenn Tini Howard Catwomans altes Kostüm reaktiviert, ist das mehr als nur eine visuelle Hommage, sondern stellt eine Rückbesinnung auf Catwomans Ära an Abenteuern dar, die sich gerne einmal aberwitziger, erotischer, brutaler – mit einem Wort: „trashiger“ – gibt.

Eine Hommage an Jim Balent (links: Catwoman #1, 1993, Zeichnungen: Jim Balent, rechts: Catwoman #59, 2024, Zeichnungen: Stefano Raffaele, beide © DC Comics).

Die Geschichte, die Howard in den US-Ausgaben #59–68 erzählt, passt perfekt zu diesem wiederangeeigneten, frecheren Tonfall. Nach den Ereignissen von „Gotham War“ – einem Crossover-Event zwischen den Batman– und Catwoman-Titeln (ebenfalls bei Panini erschienen, siehe hier) – fragt man sich als Leserin und Leser natürlich, wie Catwoman den Sturz in den von einem Meteoriten verursachten Krater überleben konnte. Tatsache ist, dass der Meteorit aus jenem Material besteht, dass den Superschurken Vandal Savage in der Urzeit unsterblich gemacht hat. Durch den Kontakt mit dieser mysteriösen Substanz gewinnt Selina Kyle – so wie es sich für eine Katzenfrau sprichwörtlich gehört – neun Leben, die als Narben auf ihrem Rücken abgezählt werden können. Anlass, sich in alle möglichen hochgefährlichen Missionen zu stürzen, die ihr bisher immer zu riskant waren. So legt sie sich mit dem Kannibalen Eduardo Flamingo an oder lässt sich für Amanda Waller auf ein Selbstmordkommando in Kandaq ein. Sogar in die Tiefen des Ozeans und in die Weiten des Alls verschlägt es Catwoman dabei und muss bei jeder Mission eines ihrer Leben lassen.

Body Horror voll bestechender Schönheit (Zeichnungen: Stefano Raffaele, © Panini)

Die vielen, teils exotischen Schauplätze geben den Stories enorm Schwung und erinnern in ihrer episodischen Form an klassische Catwoman-Abenteuer aus der Prä-Brubaker-Ära. Sie führen vor Augen, wie Selina selbst in Extremsituationen stets ihren Humor bewahrt. Die Tatsache, dass sie diesmal buchstäblich Leben zu verschenken hat, erlaubt es Howard, ihre Heldin um einiges mehr leiden zu lassen, als man es bisher gewohnt war. Diesbezüglich sticht Ausgabe #61 heraus, in der sich Selina auf ein verlassenes, tschernobyl-artiges Kernkraftwerksgelände begibt, um eine gefährliche radioaktive Substanz sicherzustellen. Die Episode ist reinster Body Horror: Selinas Körper verfällt zunehmend, Zähne fallen ihr aus dem Mund und ihre Haut verbrennt. Das alles nur, weil sie weiß, dass sie ein Leben zu vergeben hat und mit ihrer Aktion Menschenleben retten kann. In bester Exploitation-Tradition muss sie sich mit radioaktiv-mutierten Hunden herumschlagen, kann aber in einem wunderbar poetischen Moment die vor atomarer Energie glitzernden Kristalle im Herzen der Finsternis bewundern. Superb!

Zwei Fortsetzungen, unterschiedlich gelungen

5von10Nightwing 2 (Dawn of DC)
Panini, 2024
Text: Tom Taylor, Michael W. Conrad, Zeichnungen: Stephen Byrne, Serg Acuña, Sami Basri
Übersetzung: Carolin Hidalgo
176 Seiten, Farbe, Softcover
Preis: 22,00 Euro
ISBN: 978-3-7416-3995-1
8von10Catwoman 2 (Dawn of DC)
Panini, 2024
Text: Tini Howard, Zeichnungen: Ivan Shavrin, Carmine Di Giandomenico, Stefano Raffaele
Übersetzung: Carolin Hidalgo
248 Seiten, Farbe, Softcover
Preis: 29,00 Euro
ISBN: 978-3-7416-3989-0

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