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Batman – Die Fear State Saga (Deluxe Edition)

Fear State, das finale Event des Batman-Runs von James Tynion IV, ist in einer prächtigen Deluxe-Ausgabe bei Panini erschienen. Das großartige Artwork kann die Schwächen einer unebenen Story aber mehr schlecht als recht kaschieren.

Coverart von Jorge Jiménez (alle Abbildungen © DC Comics)

In Gotham City herrschen wieder einmal Angst und Panik. Der Superschurke Scarecrow hat sich mit dem zwielichtigen Industriellen Simon Saint verbündet, um Gotham ins Chaos zu stürzen. Die durch Scarecrows Furcht-Toxin verbreitete Instabilität will Saint dazu nutzen, um seine eigene Hightech-Privatarmee „Magistrat“ zu rechtfertigen, die aus Gotham einen totalitären Polizeistaat machen soll. Scarecrows Motive sind intellektuellerer Natur: Jahre bevor der Psychiater Dr. Jonathan Crane sich eine Maske überstülpte und zum Scarecrow wurde, entwickelte er die so genannte „Fear-State-Theorie“, wonach sich eine Gesellschaft nur dann weiterentwickeln kann, wenn man sie gezielt in traumatische Schockzustände versetzt. Wo Crane am Beispiel Gothams die Verwirklichung seiner Ideen sucht, hat Saint einzig den eigenen Machterhalt durch den Magistrat im Sinn. Gemeinsam stellen sie eine echte Bedrohung für Batman dar, der an mehreren Fronten gleichzeitig kämpfen muss, um zu verhindern, dass die Stadt im Chaos versinkt.

Was nach einer relativ geradlinigen Story klingt, wird leider durch zahlreiche Nebenstränge und eine Überfülle an Themen unnötig verkompliziert. Das hat einerseits mit dem Event-Charakter von Comicbüchern allgemein zu tun, weil sie sich über mehrere Titel gleichzeitig erstrecken und dem narrativen Grundgedanken so häufig zum Verhängnis werden. Andererseits führte Tynion in seiner Laufzeit aber auch mehrere neue Figuren ins Batman-Universum ein, die in der abschließenden Storyarc (fast) alle zum Zug kommen und damit nicht unbedingt zur Stringenz der Geschichte beitragen. Da hätten wir zum Beispiel den Vigilanten Ghost-Maker, der zusammen mit Crane studiert hat und so zum ersten Mal Zeuge seiner abstrusen Theorien wurde. Oder den Supersoldaten Peacemaker-01, den Saint als Helden für seine Privatarmee aufzubauen versuchte, der jetzt aber unter dem Einfluss von Scarecrows Furcht-Toxin Amok läuft. Und natürlich Miracle Molly, ein Cyborg-Mädchen, das zusammen mit dem anarchistischen „Kollektiv des Klarsinns“ die Stadt von ihren bürgerlichen Zwängen befreien will.

Crane erzählt Ghost-Maker von seinen Theorien. (Zeichnungen: Jiménez)

Das alles bietet reichlich Material für Geschichten, dennoch droht die erzählerische Einheit unter der Last all dieser Figuren und Handlungsstränge zu zerbrechen. Hinzu kommt, dass sich Fear State betont zeitgeistig gibt, und Themen wie Fake News, die politische Instrumentalisierung von Angstparolen, eine wenig subtile Totalitarismus- und Kapitalismuskritik bis hin zur Warnung vor der Ausbeutung unserer Umweltressourcen gleichzeitig unterzubringen versucht. Letzteres wird (wie in Batman-Comics üblich) in Gestalt der unter einer Persönlichkeitsstörung leidenden Poison Ivy verhandelt, die sich im Untergrund Gothams ein eigenes Pflanzenreich erschaffen hat und die Stadt dadurch zum Einsturz zu bringen droht.

Während sich Batman also mit Scarecrow, Saint und Peacemaker-01 oberhalb der Erde herumschlägt, versuchen Harley Quinn, Miracle Molly und eine Figur namens Gardener (Ivys Exfreundin, eine weitere Kreation Tynions) unterirdisch zu Ivy vorzudringen. Tynion treibt Ivys schizophrene Persönlichkeit so weit, dass sie buchstäblich in zwei geteilt ist: eine zerstörerische Ivy, der das Wohl von Pflanzen wichtiger ist als das Wohl der Menschen, und eine liebevolle Ivy, die den Menschen helfen will. Zu Beginn von Fear State befinden sich die beiden Ivys an unterschiedlichen Orten und müssen erst wieder zusammengeführt werden, um die Situation zu entschärfen. Ivys Erlösungsgeschichte sowie die Tatsache, dass ihre Beziehung zu Harley Quinn am Ende des Events stärker in der Hauptkontinuität des Batman-Universums verankert wird als bisher, gibt langjährigen Batman-Leserinnen und -Lesern auf jeden Fall Anlass zur Freude.

Ivy und Harleys Lovestory ist feiner Fanservice, trägt zur Story aber wenig bei. (Zeichnungen: Jiménez)

Dennoch lenkt der ganze Ivy-Erzählstrang von den Fragestellungen ab, mit denen Fear State eigentlich punkten kann: Wie gehen wir mit unseren Ängsten um? Erfüllen Ängste einen evolutionären Zweck? Und stehen wir unserer eigenen Entwicklung im Weg, wenn wir uns unseren Ängsten nicht stellen? Anhand dieser Fragen wird der Konflikt zwischen Batman und Scarecrow offensichtlich. Wo Batman aus einer persönlichen Tragödie (dem Tod seiner Eltern) jene Stärke gewonnen hat, um als maskierter Held in Gotham für Gerechtigkeit zu sorgen, weiß er zugleich, dass ein derartiges Trauma nicht notwendigerweise jeden zu einem besseren Menschen macht. Scarecrow hingegen glaubt daran, dass Angst auch als kollektives Phänomen die Gesellschaft positiv transformiert.

Das ist ein neuer, interessanter Aspekt im Antagonismus zwischen Batman und Crane, der so bisher noch nicht verhandelt wurde und deswegen deutlich besser hätte herausgearbeitet werden können. Dass es Tynion in der Tat darauf ankam, verrät die Art und Weise, wie er das Event einrahmt. Eröffnet wird der Band mit der Ausgabe Batman: Fear State Alpha, die ein Gespräch zwischen Crane und Saint im Arkham Asylum dokumentiert, bei dem die beiden ausführlich über Cranes Theorien plaudern.

In Batman: Fear State Omega, der Abschlussausgabe des Events, steht erneut ein Gespräch im Mittelpunkt, diesmal zwischen Batman und Crane, bei dem Batman, der zu Beginn selbst mit Scarecrows Furcht-Toxin infiziert wurde, erklärt, warum das Experiment des wahnsinnigen Psychiaters scheitern muss: „Ich fürchte die Zukunft dieser Stadt nicht, Scarecrow. […] Ich weiß nicht, wie das Morgen aussieht, aber es ängstigt mich nicht.“ (S. 310, Übersetzung: Ralph Kruhm und Andreas Kasprzak)

Batman führt Scarecrow dessen Scheitern vor Augen. (Zeichnungen: Riccardo Federici)

Ist es aber so sicher, dass Scarecrows Experiment zum Scheitern verurteilt ist? Was macht Furcht mit Menschen, wenn sie nicht gerade im Fledermauskostüm Verbrechen bekämpfen? Das Problem von Fear State bleibt bis zum Schluss, dass diese Frage nicht wirklich erforscht wird. Als Leserin und Leser bekommt man davon, wie sich der bevorstehende gesellschaftliche Zusammenbruch auf die Bewohner Gothams auswirkt, kaum etwas mit. Das Hauptevent besteht stattdessen in erster Linie aus Kampfszenen zwischen Batman und Peacemaker-01, einem Saint, der seine Macht dahinschwinden sieht, und Poison Ivy, die sich abseits der Zivilisation in ihrem Pflanzenreich räkelt. Das alles wird von Jorge Jiménez (der fast den kompletten Batman-Run Tynions illustrierte) zwar in gewohnt atemberaubenden Zeichnungen eingefangen, verdeckt aber auch die Kernanliegen des Buchs. Die Bürger Gothams und die Art, wie sich ihre Ängste auf ihr Verhalten auswirken, bleiben seltsam abwesend. Das Chaos auf den Straßen ist bloß behauptet, sollte aber eigentlich das Zentrum bilden, wenn es darum geht, die zerstörerische Kraft von Furcht zu veranschaulichen. Damit fällt Fear State deutlich hinter vergangene Batman-Events wie etwa No Man’s Land (1999) zurück, – ein Event, das an einer Stelle zwar explizit erwähnt wird und offensichtlich als Vorbild dient (vgl. S. 182) – bei dem die Perspektive der Bewohner Gothams, die versuchen, mit einer Katastrophe fertig zu werden, aber im Unterschied zu Fear State stets großen Raum einnahm.

Die Vorzüge der Deluxe-Edition bestehen darin, dass sie nicht nur das Hauptevent (die Batman-Hefte #112–117 mit Zeichnungen von Jiménez sowie Fear State Alpha und Omega mit Zeichnungen u.a. von Riccardo Federici) abdeckt, sondern auch die so genannten Secret Files, die uns mit den Hintergründen zu einigen der von Tynion neu geschaffenen Figuren versorgen. Darunter sticht vor allem jene Geschichte über den Ursprung von Miracle Molly hervor. Es wird gezeigt, wie ein monotoner Alltag zwischen ehelichen Pflichten und einem trostlosen Dasein als Angestellte bei einem Technologiekonzern die junge Frau schließlich dazu führt, mit ihrer bürgerlichen Existenz Schluss zu machen und sich dem radikalen „Kollektiv des Klarsinns“ anzuschließen. Wichtigen Anteil an ihrer Transformation von der verhuschten Ehefrau hin zur cyberpunk-inspirierten Antiheldin nimmt die computerbedingte Tilgung ihrer Erinnerungen, die das einzige war, was sie noch an ihr altes Leben band. Tynions Story wird von Danis Zeichnungen perfekt unterstützt, ihre Striche sind kühn, spontan und voller Energie. So wie Molly selbst.

Miracle Mollys Ursprungsgeschichte ist Highlight des Bandes (Zeichnungen: Dani)

Was man an der Deluxe-Edition kritisieren könnte, ist, dass viele der für die Story relevanten Tie-Ins nicht enthalten sind. Will man z. B. wissen, wer hinter dem invasiven Computerprogramm steckt, das im Namen von Oracle falsche Informationen in ganz Gotham verbreitet (vgl. S. 26f.), wird man in den Ausgaben des Hauptevents keine Antworten finden. Das unterstreicht aber nur ein prinzipielles Problem von Fear State, dass das Event nämlich einfach zu sehr auseinanderfällt, sobald man versucht, der Geschichte irgendeinen Sinn zu verleihen.

Fear and Loathing in Gotham City

6von10Batman – Die Fear State Saga (Deluxe Edition)
Panini, 2023
Text: James Tynion IV, Ed Brisson, Zeichnungen: Jorge Jiménez, Riccardo Federici, Dani u.a.
Übersetzung: Ralph Kruhm, Andreas Kasprzak
324 Seiten, Farbe, Hardcover
Preis: 40,00 Euro
ISBN: 978-3-7416-3502-1
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