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John Constantine: Hellblazer 1 – 12 (The Sandman Universe) (US)

Es ist schon wieder über ein Jahr her, dass der letzte Versuch eines Hellblazer-Relaunches eingestellt wurde, eine vielversprechende Rückorientierung auf die Britishness der frühen Hellblazer-Hefte.

Alle Abbildungen (c) DC-Comics. Artwork: Aaron Campbell

Was in Simon Spurriers erster Storyline sofort auffällt, ist Aaron Campbells düstere Grafik. Mit unzähligen Schraffuren verleiht Campbell seinen Panels eine besondere Textur, die die Bilder düster und schmuddelig wirken lässt, je nach Linienführung aber auch poliert und glänzend wirken kann. Zudem arbeitet Campbell mit einer großartigen Koloristin zusammen: Getreu der Gangart älterer Constantine-Jahrgänge hält Jordie Bellaire die Farbpalette reduziert und dunkel, setzt aber erfreulich viele Farbakzente. Daraus entsteht ein spannender grafischer Kontrast.

Spurrier arbeitet mit bekannten Versatzstücken früherer Constantine-Stories, dabei atmosphärisch eher an den Geschichten Andy Diggles orientiert als an den viel bemühten Jamie Delano, der aber natürlich als erster Hellblazer-Autor die britisch/gesellschaftskritische Grundierung definiert hat, die auch Spurrier bedient. Vieles ist Business as Usual: Eine Streetgang mit migrantischem Hintergrund und starkem Okkultismus-Einschlag bittet Constantine um Beistand: Ein Obdachloser, welcher sich mystischer Kräfte bedient und eine sehr obsessive Neigung zum Lyriker William Blake zeigt, macht ihnen erfolgreich ihr Revier streitig. Allmählich, und das macht Spurrier überaus geschickt, kristallisiert sich aus diesem recht beliebig wirkenden Konflikt ein Grundthema heraus, das Spurrier über seinen kompletten Run hinweg aufrecht erhält: Die neuen Dämonen einer Welt im raschen Wandel stehen in Opposition zur alten Mystik nationalistischer Kräfte, hier repräsentiert durch einen lyrik-affinen Obdachlosen.

Enter Tommy Willowtree, Hipster-Magier. Artwork: Matías Bergara.

Die Einzelgeschichten können weitgehend unabhängig voneinander verstanden werden, mit der Zeit aber ergibt sich ein vielschichtiges Mosaik, das zum mehrfachen Lesen einlädt. Das Wechselspiel der Stile zwischen den Künstlern, die die Serie betreuen, ist denkbar krass, sorgt aber immerhin für Abwechslung: Während die ersten drei Hefte von Campbell dunkel und trist sind, sieht Hellblazer bei Matías Bergara mit einem Mal wie eine beschwingte Komödie aus. Klarer Fall, ein neuer Tag bringt neue Stimmung, und mit Bergara beginnt definitiv nach einer langen dunklen Nacht ein neuer sonniger Tag: Es geht nicht mehr um Leben und Tod, kein Blut und keine Eingeweide mehr, stattdessen betritt mit Tommy Willowtree eine lustige Figur die Szenerie, ein Hipster-Magier mit Man-Bun, der John stalkt; dieser wiederum reagiert eher genervt auf eine so vernünftig-gesundheitsorientierte Erscheinung.

Highlight des Artworks ist auch bei Bergara die Farbgebung von Jordie Bellaire, wenigstens eine Konstante ist im Artwork geblieben, so dass die Kohärenz nicht völlig aus dem Ruder läuft. Bergara gelingen großartige Panels, gar Seitenkompositionen, dennoch bleiben seine Kapitel in der Haupterzählung in Teilen befremdlich; vor allem Figuren, die in Campbells Kapiteln grauenerregend aussehen, wirken bei Bergara doch (zu) sehr cartoony. In der zweiten Hälfte finden die beiden Stile langsam zueinander und auch Spurriers Story wird zunehmend dichter und spannender: Die finale Konfrontation eines bösartigen älteren John Constantine mit dem jüngeren John ist ein würdiger Höhepunkt dieser gar nicht so kleinen Maxiserie. Am stärksten sind Spurrier und Campbell, wenn es dezidiert um das Post-Brexit-London der Ära eingeht. Die Darstellung neuer Dämonen und Abgründe, die der Brexit erst evoziert hat, ist schlichtweg meisterhaft und verleiht der Serie eine selten gesehene Relevanz.

Was Magie ist! Abgesehen davon ist das Zusammenspiel von Linien, Farbgebung und Lettering beachtenswert. Artwork: Aaron Campbell

Künstlerisch erinnert die Grafik in ihrer Düsternis an die vielen Hellblazer-Hefte, die von Leonardo Manco gestaltet wurden. Ab und an, vor allem was Panel-Struktur und Layouts angeht, meint man, einen Hauch von Sean Phillips zu erkennen, am meisten begeistert aber die optische Annäherung an Dave McKean in den psychedelischen Sequenzen vor allem des letzten Kapitels. Die digital gezogenen Tuschelinien sind dabei über weite Strecken völlig entkoppelt von der Farbgebung, die in einer präzisen Farbdramaturgie Eigenleben entwickelt und die Geschichte ebenso trägt wie die Zeichnungen an sich. Eine stimmige, fantasievolle, nuancierte Farbgebung. Schade, dass dieser Hellblazer-Serie nur zwölf Hefte vergönnt waren. Man sollte sie deshalb nicht gering schätzen.

In Deutschland ist Simon Spurriers Hellblazer in zwei Paperbacks bei Panini komplett erschienen. Dem ersten Band ist ein Hellblazer-Sonderband, ebenfalls von Spurrier, vorangestellt. Dieser etwas verwirrende Einstieg  um einen „Magic War“ dient vor allem dazu, Spurriers Run innerhalb eines übergeordneten DC-Universum zu verorten und kann getrost ignoriert werden.

Simon Spurriers Hellblazer ist ein später Höhepunkt der Reihe.

9von10John Constantine: Hellblazer 1 – 12 (The Sandman Universe)
DC, 2020 – 2021
Text: Simon Spurrier
Zeichnungen: Aaron Campbell, Matías Bergara
12 Hefte mit 21 bis 36 Seiten, Farbe
Preis: 3,99 $ / 5,99$

 

 

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