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Helena – Erstes Buch

Der französische Comicautor Jim (alias Téhy) ist ein Spezialist für Untersuchungen zwischenmenschlicher Beziehungen. In seinen Werken wie Die Einladung, Sonnenfinsternis oder Süße Versuchung stehen stets die komplexen Beziehungen zwischen Männern und Frauen im Mittelpunkt. Aber man griffe zu kurz, würde man ihn nur darauf beschränken. Es geht hier nicht um Soap Operas, sondern um die Gefüge zwischen unterschiedlichen Menschen, seien es Partner, Freunde oder Familienangehörige. Dabei geht es immer auch um unangenehme Wahrheiten und Lügen.

© Splitter Verlag

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Jims Protagonisten machen nicht nur anderen etwas vor. Meist geht es ihnen darum, eine soziale Rolle auszufüllen und die Erwartungen anderer zu erfüllen. Dabei täuschen sie auch sich selber, indem sie ihre eigenen Schwächen zu verdecken suchen, die aber in Konfrontation mit anderen aufgedeckt werden. Solch eine Erkenntnis steht oft am Ende der auf den Comicseiten geschilderten Entwicklungen.

In Helena ist das anders. Die Erkenntnis, dass man seinem Glück selbst im Wege steht, erfolgt hier nicht am Ende einer Entwicklung, sondern löst die Handlung erst aus. Der Protagonist Simon hat seiner großen Liebe Helena immer sehr viel Scheu entgegengebracht und war gegenüber ihrer Schönheit sehr eingeschüchtert. Die kleinsten Zurückweisungen, oder was er als solche empfand, konnten seinem Selbstwertgefühl einen starken Dämpfer geben. Eine solche Ausgangslage kann wohl jede Leserin oder jeder Leser nachvollziehen, der einmal der Meinung war, für jemand anderen nicht gut genug zu sein. Man scheut die Kontaktaufnahme, da die oder der andere zu schön ist, um wahr zu sein. Man ist dann gehemmt und kann sich nicht so geben, wie man ist. Das ist die Voraussetzung dieses Zweiteilers.

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Diese Ausgangslage ist zwar realistisch, wenngleich auch offensichtlich nicht sonderlich ergiebig, trotzdem kann man neugierig sein, wie Jim dieses Thema behandelt. Allerdings beginnt er mit einem etwas überkonstruierten Einstieg, wenn der Held Simon ausgerechnet am Tag seiner Hochzeit seiner Traumfrau Helena begegnet, was impliziert, dass hier das Schicksal dazwischen funkt. Kurzerhand schmeißt Simon die Hochzeit hin und unterbreitet Helena das Angebot, sie könne ihm gegen Bezahlung drei Stunden in der Woche Gesellschaft leisten. Ohne Sex, einfach nur Zeit miteinander verbringen, reden oder spazieren gehen. In zahlreichen Dialogszenen nähern sich Simon und Helena einander an. Langsam sinken die Hemmschwellen und Vertrauen baut sich auf. Da muss der Held, stellvertretend für die Leser, erkennen, dass auch schöne Menschen unter ihrem Aussehen leiden können, wenn sie darauf reduziert werden.

Inhaltlich passiert hier nicht allzu viel, aber erstaunlicherweise ist man doch gebannt und durch einen Zauber gefangen. Liegt es nur daran, dass man die komplexen Charaktere sympathisch findet, da man ihre jeweiligen Sichtweisen nachempfinden kann? Oder ist es die Spannung zwischen den Figuren, welche sich auf den Leser überträgt? Man will wissen, ob die beiden zusammen kommen. Sehnt man sich da nach einer Katharsis nach dem Motto „Wenn es den beiden gelingt, dann könnte es auch in der Realität geschehen“? Welche Aussage der Comic am Ende trifft, lässt sich noch nicht abschätzen, schließlich steht noch ein zweiter Band aus.

Der erste jedenfalls macht sehr neugierig darauf, wie es wohl mit den Figuren weitergehen mag. Man empfindet sie mit der Zeit wie Freunde, an deren Leben man ja auch immer in gewisser Hinsicht teilnimmt. Die realistischen und schönen Zeichnungen von Lounis Chabane tragen dazu einen Großteil bei. Sie sind sehr klar aber charmant und arbeiten schön mit kleinen Gesten, wie etwa einem leichten Lächeln, und besitzen eine wunderbare Farbgebung. Mal sehen, für wen Helena diesmal einen Trojanischen Krieg auslösen wird.

Obwohl auf inhaltlicher Ebene recht wenig passiert, wird man durch den Charme und die Zeichnungen gefangen

Helena 1
Splitter Verlag, 2015
Text: Jim
Zeichnungen: Lounis Chabane
Übersetzung: Resel Rebiersch
88 Seiten, farbig, Hardcover
Preis: 18,80 Euro
ISBN: 978-3-95839-141-3
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