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Helden der östlichen Zhou-Zeit 3: Der Kranichkönig

Das ist der Stoff, aus dem die schönsten historischen Eastern sind: Eine Jungfrau demütigt die größten Krieger des stehenden Soldatenheers mit ihrer Kampfkunst und erarbeitet sich so die Achtung der verschworenen Männergesellschaft. Denn nicht nur, dass die Soldaten im Dorf randaliert und Bewohner verprügelt haben, danach besaßen sie auch noch die Frechheit, sich gegenseitig in Schutz zu nehmen und zu decken. Nicht mit mir, denkt sich die namenlos bleibende Jungfrau, die bald von jedem nur noch ehrfurchtsvoll „Distel“ genannt wird. Erst verprügelt sie den General, dann den Oberausbilder. Mit einem spitzen Gegenstand schlitzt sie ihm zwischen den Beinen das Gewand auf und präsentiert hinterher die Klinge mit zwei blutigen kleinen Eiern daran aufgespießt. „Uaah! Sie hat seine Eier aufgespießt“ entfährt es den entsetzten Zuschauern; im Nachhinein stellt sich erst heraus, dass es nur Hühnerherzen waren. Daraufhin beschließt der König, die Distel noch ein weiteres Mal zu testen: Gegen 100 Mann soll sie antreten, und wenn sie sich hier ebenfalls behaupten kann, so soll sie Ausbilderin der Armee werden.

Alle Abbildungen © Chinabooks

Der neue Band der Reihe Helden der östlichen Zhou-Zeit, erschienen im Chinabooks-Verlag, weckt Erinnerungen an große Filme wie Hero oder The House of the Flying Daggers. Ähnlich wie in diesen Filmen bekommen wir in diesen Comics eine faszinierende Mischung aus exotischer Kultur und darstellerischer Eleganz zu sehen und zu lesen. Wie schon in den ersten beiden Bänden gelingt es dem Künstler Chen Uen, innerhalb weniger Seiten eine untergegangene Epoche zum Leben zu erwecken und auf sehr lebendige Weise Anekdoten und Lebensläufe von historischen Persönlichkeiten zu erzählen. Immer wieder begeistert sein kalligrafischer Strich. Mit nur wenigen schwungvollen Linien gelingen Chen Uen realistisch anmutende Darstellungen von Tieren und Menschen voller Vitalität und Bewegung.  Gleichwertig dazu gibt es aber auch akribisch konstruierte Massenszenen, die in historischer Detailfreude schwelgen. Man kommt nicht daran vorbei, das abgegriffene Wort Meisterwerk bemühen zu wollen. Was für ein Verlust, dass Chen Uen mit knapp 60 Jahren 2017 viel zu früh gestorben ist.

Neben der Geschichte um die wehrhafte „Distel“ gibt es noch andere eindrucksvolle Geschichten in diesem Band, beispielsweise jene des weltfremden Kranichkönigs, dessen Volk hungerte, während er seinen geliebten Vögeln prächtige Paläste bauen ließ; sowie die Erzählung vom genialen Pfeilschützen Yang Youji, der leider keinerlei Manieren besaß und seine Vorgesetzten oft auf gefährliche Weise beleidigte. Pralle, archaische Geschichten aus der chinesischen Epoche der Streitenden Reiche, 475 bis 221 vor Christus. Man muss sich nur mal vor Augen halten, dass die weltberühmte Terrakotta-Armee ein Produkt der Quin-Dynastie aus der Zeit von 221 bis 206 v. Christus ist, um zu begreifen, wie alt die Erzählungen der Streitenden Reiche tatsächlich sind.

Die Zeit der Streitenden Reiche war auch eine Zeit der widerstreitenden Denkschulen. Zwei bedeutende Lehren waren der menschenfreundliche Konfuzianismus einerseits und der Legalismus andererseits. Während der Konfuzianismus davon ausging, dass der Mensch von Natur aus gut sei und ein aufgeklärter Herrscher dafür Sorge tragen solle, dass alle Bürger in bescheidenem Wohlstand ohne materielle Sorgen leben können, ging der Legalismus davon aus, dass der Mensch von Natur aus böse sei und durch Gesetze eingeschränkt werden müsse. Neben diesen beiden extremen Polen gab es noch viele Zwischenstufen, teils militaristischer, teils esoterischer, teils bürokratischer Natur. Es ist kaum zu leugnen, dass diese Ideen bis heute nichts von ihrer Relevanz verloren haben und der Streit darüber so vital ist wie eh und je.

Auch wenn historische Grundkenntnisse nicht nötig sind, um Die Helden der östlichen Zhou-Zeit mit Gewinn lesen zu können, so ist es doch bereichernd, sich auch mit Jing Lius Sachcomic Die Fundamente der chinesischen Zivilisation zu beschäftigen, welcher die politischen und geistigen Strömungen systematisiert und in einen größeren Kontext setzt. In bester Scott-McCloud-Manier verknüpft Jing Liu historische Fakten mit simpler Comic-Grafik. Das ist zwar mitunter etwas steril, doch ist es eine effiziente, leicht zu lesende Art und Weise, etwas mehr über die Hintergründe der Geschichten zu erfahren, die Chen Uen in seinen drei Bänden über die Zhou-Epoche präsentiert.

Sehr erfreulich ist die Tatsache, dass man bei Chinabooks die Winterpause dazu genutzt hat, einen neuen Schriftfont für die aktuellen Comicveröffentlichungen auszuwählen. Statt des sterilen Druckbuchstabensatzes hat man sich bei den gesprochenen Texten nun für einen schwungvolleren Schriftsatz entschieden, der zwar nach wie vor maschinell erstellt ist, aber weitaus besser mit der Grafik harmoniert. Damit wird eine erfreuliche Buchausgabe perfekt abgerundet. Nun sehe ich mit umso größerer Vorfreude der Lektüre von Chen Uens längerer Geschichte Der erste Kaiser entgegen, welches uns von der Durchsetzung des Legalismus zum Ende der Zhou-Zeit erzählen wird. Auch dieses Werk ist im März 2019 in gleicher Aufmachung wie Die Helden der östlichen Zhou-Zeit erschienen.

Chen Uens historische Comics sind eine Entdeckung.

9von10Helden der östlichen Zhou-Zeit – Band 3: Der Kranichkönig
Chinabooks, 2019
Text und Zeichnungen: Chen Uen
Übersetzung: Marc Hermann
480 Seiten, schwarz-weiß und Farbe, Softcover (deutsche und chinesische Version enthalten)
Preis: 32,90 Euro
ISBN: 978-3-905816-68-6
Leseprobe
8von10Die Fundamente der chinesischen Zivilisation
Chinabooks, 2018
Text und Zeichnungen: Jing Liu
Übersetzung: Elisabeth Wolf
316 Seiten, schwarz-weiß, Softcover (deutsche und chinesische Version enthalten)
Preis: 18,00 Euro
ISBN: 978-3-905816-78-5
Leseprobe

 

 

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