Rezensionen
Kommentare 1

Doom Patrol: The Bronze Age Omnibus (US)

Demnächst erscheint bei Panini-Comics der Doom Patrol-Omnibus mit dem Grant Morrison-Run, welcher von 1988 bis 1993 nicht nur die Serie Doom Patrol gehörig aufwirbelte.

Für mich ist dies ein gefundener Anlass, endlich einmal die von Paul Kupperberg verfassten Doom Patrol-Hefte zu lesen, die 1987 und 1988 den Weg zu Grant Morrisons „Crawling from the Wreckage“ bereiteten. Sie lagen mir in Form des 2019 erschienen Omnibus-Band vor, in dem nicht nur die Doom Patrol-Hefte 1-18 abgedruckt sind, sondern auch diverse Crossovers wie das Doom Patrol and Suicide Squad Special von 1988, ein Superman-Heft, ein Who’s Who oder eine Ausgabe von Secret Origins. Besonders angetan haben es mir aber die vielen kleineren und größeren Doom Patrol-Auftritte der späten 1970er und frühen 1980er in Serien wie Teen Titans, Supergirl oder Showcase, die zwischen der ersten und der zweiten Doom Patrol-Serie standen.

Commando-Patrol: Aus „Red Pawn“, dem Doom Patrol/Suicide Squad-Crossover von 1988. Text von Paul Kupperberg, Artwork von Erik Larsen. Alle Abbildungen (c) DC-Comics.

Paul Kupperbergs Doom Patrol zu lesen versetzt einen zurück in die 1980er, als amerikanische Mainstreamcomics sich immer ein wenig anfühlten, als handle es sich um Dallas mit fliegenden Menschen. Der realistische Zeichenstil hängt voll an der Fernsehoptik der Zeit und das Wechselspiel aus Soap Opera-Plot (Dallas-Style) und Case-of-the-week-Action (vergleiche jede beliebige Actionserie der Ära) ist ebenfalls den 1980er-Gepflogenheiten verpflichtet. Hier und da blitzt auch mal der typische 1980er-Actionkracher durch, so beim Doom Patrol/Suicide-Squad-Crossover, das eine Söldner-Geschichte a la Commando (der mit Schwarzenegger) bietet. Aber ist das noch die Doom Patrol oder doch nur noch eine beliebige Superheldentruppe mit Helden von der B-Liste?

Es war ein langer Weg, bis Paul Kupperberg 1987 seine eigene Doom Patrol-Serie realisieren durfte. Als die Silver Age-Serie 1968 mit einem unaufgelösten Cliffhanger endete – die Doom Patrol wurde von ihren Feinden vernichtet (oder nicht?) – war Kupperberg gerade 13. Damals hatte er sich fest vorgenommen, die Abenteuer der Patrol irgendwann weiterzuschreiben. 1977 bekam er tatsächlich seine Chance und in Showcase #94 rief er seine neue Doom Patrol ins Leben. Kupperberg beschloss, den Tod der alten Hauptfiguren Larry Trainor (Negative Man), Rita Farr (Elastigirl) und Niles Caulder (Chief in a Wheelchair) zu akzeptieren und nicht in letzter Sekunde eine Rettung aus dem Hut zu ziehen. Lediglich Cliff Steele, der Roboter mit menschlichem Gehirn, hatte den Granatenangriff auf eine Insel überlebt und ist gerade auf der Suche nach einer neuen Beschäftigung, als ihm drei neue Superheldenfiguren anbieten, ihn in ihr Team aufzunehmen.

Zentrale Figur ist Arani Caulder alias „Celsius“, die eine persönliche Beziehung zum ehemaligen Chief Niles Caulder hatte; ihre Gabe ist es, Feuer und Eis zu schleudern. Dann Valentina Vostok, eine russische Überläuferin, die mit der negativen Energie ausgestattet ist, die in den Silver Age-Comics noch Larry Trainors Superkraft war, sowie Joshua Clay alias „Tempest“, ein afroamerikanischer Vietnam-Veteran mit der Gabe, Energiestöße abzugeben. Er desertierte, als er Zeuge eines Massakers an Zivilisten wurde. Nach drei kurzen Episoden war dann aber schon wieder Schluss mit Doom Patrol. Kupperberg war nicht ganz glücklich mit dem Resultat und hatte längst nicht alles ausgeschöpft, was er zu erzählen hatte. Diese 1977er-Doom Patrol  war von der Grundprämisse nicht verkehrt, wenn auch recht konventionell ausgedacht. Immer wieder scheinen interessante Backstories durch, doch stets drängt die Action in den Vordergrund. Gekloppe ist nunmal der Daseinszweck der Superhelden.

Eine Supergirl-Geschichte von 1978, in der die neue Patrol ihren nächsten Auftritt hat, ist dann Silver Age-Goofyness at its worst: Völliger Unfug mit einem Wissenschaftler, der die Schwerkraft aushebelt, Menschen, Autos, Haie fliegen durch die Luft – das ist der Spirit der Silver Age-Doom Patrol aus den 1960ern, allerdings nur was die Oberflächenreize angeht. Ohne die stimmigen Soap Opera-Elemente von damals, das Pathos, die Skurrilität und die Verbindlichkeit einer übergreifenden Story war der Auftritt der Patrol im Supergirl-Heft von 1978 doch eher Kinderkram. Autor war hier aber auch nicht Paul Kupperberg, der Mann mit dem drängenden Erzählbedürfnis, sondern Gerry Conway. Der hat hier einen Filler abgeliefert.

Die Doom Patrol hat einen großen Auftritt in den Teen Titans von Marv Wolfman und George Pérez, 1981.

Einen deutlich interessanteren Ansatz hatten drei Jahre später Marv Wolfman und George Pérez. Ihre Teen Titans von 1981 waren große Superheldenoper. Mit der Rückkehr von Mento, dem Ex-Lover von Rita Farr, sowie Beast Boy, deren Adoptivkind, der sich in kleinste Tiere und größte Monster verwandeln kann, kehren gleich mal Kernfiguren aus dem Silver Age zurück. Und dann ist da noch die Brotherhood of Evil, darunter Mallah, der Gorilla mit dem IQ eines bösen Genies und dessen Ziehvater, the Brain, im Gegensatz zu Cliff Steele ein Gehirn ohne Roboterkörper. Zwar wird die Story der neuen Patrol nicht wirklich vorangebracht, aber Elemente ihrer Silver Age-Inkarnation geschickt aufgenommen und mit den neuen Abenteuern der Teen Titans verwoben. Was Wolfman und Perez damals geschaffen haben, sieht auch heute noch episch und groß aus und vor allem George Perez‘ Seitenlayouts sind der Wahnsinn. Seine Bildfolgen, sein Zusammenspiel aus extrem hochformatigen, dann wieder extrem breiten Panels, häufig alles auf einer Seite und immer im Dienst der Story, ist nicht weniger als spektakulär zu nennen. Man wird nicht müde, das zu bewundern.

Ein knappes Jahr später, Dezember 1982, ist es wieder an Kupperberg, die „Road to Doom Patrol“ zu gestalten. Gastauftritte bei Superman und Supergirl werden geschickt genutzt, dem Team um Cliff, Celsius, Negative Woman und Tempest Profil zu geben. Dabei ist das Absurde und der Spaß immer nur so weit vom Tragischen weg, wie ein Blatt Papier dick ist. Auf der einen Seite der typische Superheldenblödsinn, skurrile Schurken wie Ambush Bug oder Reactron mit komischen Kräften machen Stress ohne Grund, auf der anderen Seite haben manche Handlungen tödliche Konsequenzen, Tempest arbeitet sein Vietnam-Trauma auf und Negative-Woman, die ihre Kräfte nicht mehr in Zaum halten kann, ist ab sofort auf eine Ganzkörper-Bandage angewiesen, um ihre Negative-Force an sich zu binden. Die schöne Russin wird nun doch noch zum weiblichen Gegenstück des Negative-Man aus den 1960ern, der ja auch schon immer die lebende Mumie sein musste; Mitglieder der Doom Patrol müssen offensichtlich leiden.

„Da … lucky.“ Auf einmal ist die Leichtigkeit weg. Aus „DC Comics Presents: Negative Woman goes Berserk!“ (Paul Kupperberg, Keith Giffen, 1982.)

Aber noch befinden wir uns auf der Straße zur zweiten Doom Patrol-Serie, und die letzte Etappe, die genommen wird, ist gleichzeitig das Herz dieser enormen Heftchensammlung mit dem Titel „Omnibus“: In Secret Origins Annual #1 wird die bisherige Erzählung um die Patrol seit dem Silver Age so nacherzählt, als wäre sie schon immer stringent und durchgeplant gewesen. Hier ist Paul Kupperberg sein Meisterstück gelungen, das sowohl Appetit auf die alten Hefte als auch Vorfreude auf die angekündigte Serie macht. Die 30 Seiten sind von John Byrne gestaltet, der hier eine äußerst stimmungsvolle, atmosphärisch dichte Arbeit abgeliefert hat. In dieser Momentaufnahme ist seine Doom Patrol ganz großes Kino.

John Byrne und Paul Kupperberg nehmen uns mit auf einen Trip durch die Vergangenheit. „Secret Origins Annual 1“ von 1987.

Der Doom Patrol Bronze Age Omnibus ist ein unhandlicher Koloss. Ich wünschte, es wäre ein Schuber mit zwei Bänden, dessen einer Band aus der „Road to Doom Patrol“ bestünde, währende der andere Band die ersten 18 Bände von eben Kupperbergs tatsächlicher Serie von 1987-88 enthielte (sowie das zugehörige Suicide Squad-Special, das Superman-Heft und einige andere kleine Add-ons). Das erste Buch wäre das spannendere, abwechslungsreichere. Aber auch das zweite hätte seinen Reiz. Man muss Kupperbergs Bemühen einfach würdigen, eine große Geschichte erzählen zu wollen. Man könnte ihr den Titel „The Search for Niles Caulder“ geben, denn genau darum geht es: Arani Caulder, die inzwischen vorgibt, Niles Caulders Ehefrau zu sein, bringt die Doom Patrol wieder zusammen, um Caulder zu suchen. Sie ist überzeugt davon, dass auch Caulder das Ende der ersten Doom Patrol überlebt hat.

Das erste, von Steve Lightle gezeichnete Heft lässt viel Sorgfalt bei der Komposition erkennen: Die Hauptfiguren haben glamouröse erste Auftritte, allen voran Cliff Steele, der wie ein englischer Graf mit rotem Hemd über dem Roboterkörper mit dem Pferd seine Ländereien abreitet. Das macht zwar keinen Sinn, gibt aber schöne Bilder. Das erste Abenteuer bringt Body Horror à la Brian Yuzna: Der Schurke ist ein Wissenschaftler, dessen Experimente ihn in ein Portal zu einer dämonischen Dimension verwandelt haben und nur ein spezieller Anzug verhindert, dass er auseinanderfällt. Das wird sehr schnell krude und ist in seiner Gänze dennoch kompakter als die späteren Nummern, in denen sich die Superhelden-Gaststars die Klinke in die Hand geben, wohl um verzweifelt das Augenmerk der Leser auf die neue Serie zu lenken. Doom Patrol war damals nicht sonderlich erfolgreich.

80er-Jahre Horror Teil 1. Aus „Doom Patrol 1“ von 1987 (Paul Kupperberg, Steve Lightle)

In den Laboren des ersten Schurken findet die Patrol den Original-Negative-Man Larry Traynor, der kraftlos und an einen Rollstuhl gebunden ist, seit seine Kräfte an Valentina Vostok übergegangen sind. Das sorgt für einen interessanten Konflikt zwischen den beiden, ändert aber nichts daran, dass das eigentliche Problem an den Haaren herbeigezogener Unfug ist, konstruiert bis an die Grenzen zur Nachvollziehbarkeit. Trotzdem eignet sich Larry Traynor im Lauf der Geschichte durch eine Schurkerei die Kräfte wieder an und verliert sie doch wieder, was für konfliktträchtigen Zündstoff und unterhaltsamen Zoff sorgt. Ein weiterer Konflikt liegt in der Beziehung zwischen Negative-Girl (Valentina Vostok) und Tempest (Joshua Clay), die ein Paar waren, bis die Frau dann leider auf Bandagen angewiesen war. Seither arbeitet sie an ihrer kalten, professionellen Fassade und lässt keine Gefühle an sich ran, während Josh versucht, zu ihr durchzudringen. Angeschärft noch wird das Problem noch dadurch, dass Valentina an ihren Kräften festhalten und sie nicht Larry Traynor überlassen will, obwohl dieser sie doch so gerne wieder hätte. Das ist klassische Superhelden-Seifenoper im 80er-Style und der Kitt, der die Geschichten zusammenhält. Man darf nur nie fragen, was diese Negativkraft eigentlich ist. Was in den 1960ern noch voller Leichtigkeit erzählt wurde, ist auf einmal furchtbar kompliziert und intuitiv nicht mehr nachvollziehbar.

Auch neue Figuren gesellen sich zur Patrol, eine gewöhnlicher als die andere, so dass der Wesenskern dessen, was die Doom Patrol mal war, mehr und mehr ausgehöhlt wird. Im Lauf der Story verwandelt Kupperberg die Patrol tatsächlich in eine sehr konventionelle Superheldentruppe. Alles Figuren, die leicht mal als Bauernopfer bei der nächsten Crossover-Invasion ins Messer laufen. Was ja dann auch passiert.

80er-Jahre Horror Teil 2. Mal ehrlich: Wer die 80er zurückhaben will, hat sie wohl nicht erlebt. Aus „Doom Patrol 7“, 1988 (Paul Kupperberg, Erik Larsen).

Wer genau liest, findet aber auch Spuren dessen, was die Doom Patrol ausmacht: Figuren die sich nicht wohl in ihrer Lebenssituation fühlen. Figuren, die nicht gesellschaftsfähig sind. Aber es reicht eben nicht, ein Punk zu sein oder Leukämie zu haben, wie dies bei Kupperbergs neuen Figuren der Fall war. Da muss etwas fundamental darüber hinausweisen. Grant Morrison hat in den Folgeheften den Weg gewiesen, wie das geht und ist in den weiteren Kapiteln der Serie den ersten Schritt gegangen. Sein neuer Negative Man entstand aus einer Fusion zwischen Mann und Frau und heißt ab diesem Zeitpunkt Rebis. Paul Kupperberg hatte die Grundkonstellation dazu bereits angelegt und doch die offensichtliche Schlussfolgerung, obwohl zum Greifen nah, nie gesehen.

Morrison war es auch, der die Durchgeknalltheit und den Surrealismus zurückbrachte, die bereits in den 1960ern unabdingbar zur Doom Patrol gehörten. Zwar gab es bei Kupperberg die eine oder andere verrückte Episode, die der zweite Zeichner der Serie, Erik Larsen, teils auch in angemessen schrille Bilder verwandelte, im Kern war seine Erzählung aber doch zu sehr an den Stil des DC-Universums gekoppelt und der grundsätzliche Ansatz einfach zu gewöhnlich. Was von Paul Kupperbergs Doom Patrol vor allem bleibt, ist die Vorfreude, die die zahlreichen Teaser vom ersten Showcase-Heft bis Secret Origins über Jahre hinweg vermittelten. Als es daran ging, die Ankündigungen in die Tat umzusetzen, bleibt er jedoch hinter den Erwartungen zurück. Es fühlt sich an, als würde man einer altbewährten Erzählformel dabei zusehen, wie sie ihre letzten Atemzüge macht. Manchmal erkennt man noch die einstige Vitalität.

Trotz qualitativer Schwankungen ist diese Zeitreise durch den 1980er-Mainstream sehr ergiebig.

7von10Doom Patrol: The Bronze Age Omnibus
DC Comics, 2019
Texte: Paul Kupperberg, Marv Wolfman, Gerry Conway,
Zeichnungen: Erik Larsen, Steve Lightle, John Byrne, George Pérez, Keith Giffen, Graham Nolan, Carmine Infantio and more.
1076 Seiten, Farbe, Hardcover
Preis: 125,00 US-Dollar
ISBN: 978-1401298838

1 Kommentare

  1. Pingback: Grant Morrisons Doom Patrol: Dadaismus, Merry Pranksters und LSD für alle! |

Schreibe einen Kommentar

Mit dem Abschicken dieses Formulars erklärst du dich mit unserer Datenschutzerklärung einverstanden.