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Der Oracle Code

Barbara Gordon, die Tochter des Commisioner Gordon aus den Batman-Comics, wird angeschossen, als sie einen Raubüberfall verhindern will. Seitdem ist sie an den Rollstuhl gefesselt, was ihrem Leben eine komplett neue Richtung gibt.

Willkommen in deinem neuen Leben, Barbara. Alle Abbildungen © Panini Ink

Was uns Autorin Marieke Nijkamp und Zeichner Manuel Preitano in der vorliegenden DC-Graphic Novel for Young Adults vorlegen, ist die Variation eines alten Motivs. Zum ersten Mal wurde Barbara Gordon 1986 gehunfähig geschossen, damals vom Joker und seiner Verbrecherbande in The Killing Joke (von Alan Moore und Brian Bolland). Diese Erzählung, von der sich Moore später distanzierte, ist umstritten, da die Motivation hinter dem Verbrechen an Barbara Gordon überaus grausam war und es den einzigen Zweck hatte, Commisioner Gordon in den Wahnsinn zu treiben. Dafür also hat man eine beliebte Figur geopfert. Dennoch wurde die Erzählung kanonisch und nur drei Jahre später war Barbara Gordon, nun an den Rollstuhl gebunden, Gründungsmitglied der Birds of Prey, außerdem wurde sie als Oracle eine wichtige Figur in den Batman-Comics.

2012 wurde Batgirl im Zuge des New 52-Relaunches umgeschrieben. Ab diesem Zeitpunkt hieß es, dass Barbara auf mühsame Weise das Gehen wieder erlernt hatte, was die Figur wohl als besonders heroisch zeigen sollte. Dieser Schritt war umstritten, impliziert er doch, dass Querschnittslähmung überwunden werden kann, wenn man sich nur genügend anstrengt. Doch die Tatsache, dass Gail Simone die Stories schrieb, nahm dieser Klitterung etwas die Spitze, denn Simone hatte zuvor schon über Jahre hinweg die Abenteuer von Oracle geskriptet und so brachte sie die nötige Sensibilität ein, den Wandel behutsam zu begehen. Dazu Simone: „Arme und Beine werden abgerissen und wachsen doch wieder nach. Keine Figur bleibt dauerhaft in ihrem Grab. Nur Barbara bleibt an den Rollstuhl gefesselt.“ Das wollte die Autorin nicht länger hinnehmen.

Die Frage danach, ob es erstrebenswert ist, eine Behinderung zu überwinden, oder aber doch besser als Teil des Lebens zu akzeptieren, hat es auch in die Graphic Novel Der Oracle Code geschafft. Da es sich bei Oracle Code um eine Erzählung handelt, die in der „realen“ Welt spielt, deutlich abgegrenzt vom DC-Comicuniversum, gibt es hier keinen Batman und keinen Joker, ebensowenig hat Barbara eine Zweitidentität als Batgirl. Dennoch verbringt sie ihre Nächte zu Anfang der Geschichte, als sie noch gehen kann, auf den Dächer Gothams, wo sie als Hackerin mit einem Laptop den Polizeifunk abhört und versucht, sich in irgendeiner Form als Heldin einzubringen, was ihr letztlich ihre lebensverändernde Verletzung einbringt.

Autorin Marieke Nijkamp nimmt sich viel Zeit für Barbaras innere Konflikte, die sich zunächst sträubt, ihre Behinderung zu akzeptieren und erst nach und nach Freude am Training entwickelt und an den Möglichkeiten, die sich ihr nun auftun. Dabei erzählt Nijkamp auch von persönlichen Verletzungen, die entstehen, wenn eine Familie sich plötzlich auf die neue Situation einstellen muss. Das ist erfreulich lebensnah. Der Oracle Code  ist in erster Linie die Erzählung über ein junge Frau, die lernen muss, sich mit ihren neuen Lebensumständen zu arrangieren; dennoch gibt es auch einen Krimiplot, der ziemlich lange angedeutet wird, bis er im letzten Drittel zum tragenden Handlungselement wird. Dass die Krimihandlung sich dann stimmig in die Gesamterzählung einfügt und das zentrale Thema der Behinderung vertieft, gibt der Erzählung Größe.

Die Befangenheit des alten Kumpels ist fast greifbar.

Manuel Preitanos Zeichnungen sind von wohltuender Klarheit. Sie fügen sich gut zum Szenario, das nahezu ausschließlich im Arkham-Center für Rehabilitation angesiedelt ist. Obwohl die meisten Figuren ihrer Lebenssituation entsprechend viel sitzen, ist es nie eine Geschichte von Talking Heads, sondern eine Geschichte von großer Vitalität. Die Farbgebung ist, wie bei den anderen DC-Comics des Ink-Sublabels für junge Erwachsene fantasievoll und unterstützt die Erzählung. Die Koloristen Jordie Bellaire und Manuel Preitano wissen, mit Lichteffekten und dunklen Hintergründen gut umzugehen.

Eigentlich ist es schade, dass Der Oracle Code so offensichtlich als Oneshot ausgelegt ist, denn die Abenteuer der rollstuhlfahrenden Barbara fangen ja gerade erst an. Gemäß dem Motto, man ist nicht behindert, aber man wird es, gebe es noch unendlich viele Dinge zu thematisieren, so dass man Appetit auf weitere Comics mit Barbara Gordon bekommt. Vielleicht sollte ich beginnen, die alten Birds of Prey-Geschichten zu lesen, was Diversity und Repräsentierung angeht, genießt die Serie schließlich einen guten Ruf. Ebenso werde ich dem DC-Ink-Label sicher treu bleiben. Hier sind talentierte Erzähler*innen am Werk.

DC-Heldin im Rollstuhl. Gerne mehr davon.

9von10Der Oracle Code
2020, Panini
Text: Marieke Nijkamp
Zeichnungen: Manuel Preitano
Übersetzung: Sanni Kentopf
200 Seiten, Farbe, Softcover
Preis: 16,99 Euro
ISBN: 978-3-7416-1847-5
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