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Deae ex machina 4 & 5

Geschichte scheint sich zu wiederholen. Auf Krieg folgt Frieden, Naturkatastrophen begraben gewaltige Städte innerhalb eines Tages unter sich, nur damit neue Zivilisationen auf den Ruinen erbaut werden, und immer mal wieder versucht jemand eine neue Weltordnung zu errichten, da ihm die alte nicht gefällt. Ob die echte Welt so funktioniert, ist diskutabel, aber in der Fiktion ist es ein interessantes Thema, um das sich eine Geschichte um Geschichte stricken lässt. „Das Feuer der Ormuzd-Schale“ und „Der Fluch des Amuletts“, der vierte Band und fünfte Band der Serie Deae ex machina, beschäftigen sich ausführlich mit diesem Thema. Seit 2008 schreibt und zeichnet Frank Erik Weißmüller an seiner Serie, in der die drei nordischen Schicksalsgöttinen Urd, Skuld und Verdandi versuchen, einen wahnsinnigen Wissenschaftler davon abzuhalten, Europa mithilfe magischer Kräfte zu entvölkern. Leider entpuppen sich die drei als recht zynisch und abgebrüht; Sterbliche sind für sie nur Werkzeuge, denn das Schicksal jedes Menschen ist vorherbestimmt, was ist da schon der freie Wille im Vergleich zur Maschinerie des großen Universums, welches die Unsterblichen versuchen am Leben zu erhalten? Was ist schon ein kleines Opfer hier und da, um die Ordnung aller Dinge aufrechtzuerhalten?

Das sind spannende Fragen, die die Nornen als Hauptfiguren nicht beantworten können, da sie in ihrer Rolle als Macherinnen des Schicksals und übernatürliche Wesen passive Protagonistinnen sind, die das Geschehen kommentieren und nur hintergründig gestalten können. Wie also kann Erik dann trotzdem eine spannende Geschichte erzählen und die Themen der Serie vertiefen? Eriks Antwort: Durch Wiederholungen.

Vier Kulturen werden in Deae ex machina beleuchtet (das mittelalterliche Frankreich, die südamerikanische Zivilisation der Maya, die römische Antike und das Deutsche Reich nach dem Ersten Weltkrieg) und alle werden durch Gemeinsamkeiten zusammengehalten. Kriege und Naturkatastrophen plagen alle Zeitalter, die Technik schreitet voran und meistens sind es Gruppen von drei Personen, die als menschliche Figuren die Handlung vorantreiben. Das gilt für Menschen, die von den Nornen benutzt werden, um die Welt zu retten, wie auch für Figuren, die deren Zerstörung suchen. Ihre Archetypen (der Schläger, der Visionär, die Idealistin) wiederholen sich genauso oft wie ihre Rollen in der Geschichte und der Handlung.

Alle Abbildungen: © Erik/Kult Comics

Dieses Stilmittel begann mit den ersten drei Bänden und wird im „Feuer der Ormuzd-Schale“ endlich angesprochen und erklärt. Die Erklärung der Göttinnen ist zynisch, passt aber zu dem, was am Anfang geschrieben wurde: Geschichte wiederholt sich und es sind immer dieselben Geschichten, die der Mensch erlebt. Dadurch werden die beiden Bände um eine Metaebene bereichert, die vor den Augen des Lesers eine Welt erschließt, in der der freie Wille letztendlich bedeutungslos scheint. Die Menschen kämpfen in ihrer kurzen Zeit auf Erden um ihr Überleben und landen am Ende doch im Grab. Deae ex machina erzählt letztendlich eine große Geschichte, die nur in ihrer Gesamtheit wirklich Sinn ergibt.

Das ist allerdings auch der größte Kritikpunkt, den man bei Deae ex machina nicht verschweigen sollte: Erst in der Summe ihrer Teile wird die Serie wirklich gut, ein genaues Lesen ist trotz einiger Actioneinlagen und des (teilweise derben) Humors hier und da nötig. Das Ende wirkt auch etwas zu glatt für meinen Geschmack, da es zwar Grund zur Hoffnung gibt, was ich aber angesichts der düsteren Schlussfolgerungen der vorangegangen Ereignisse als unpassend empfand. Deae ex machina ist eine Serie, die der Leser aufmerksam lesen muss, wenn er sie wirklich genießen will, ansonsten könnte die passive Perspektive der Hauptfiguren und die über die Epochen verteilten Episoden wenig mitreißend sein. Trotzdem ist Deae ex machina keine trockene Philosophiestunde, was vor allem an den lebendigen Bildern liegt.

Eriks Zeichnungen erinnern ein wenig an die französischen Funnies, aber sein Stil ist sein eigener. Die Farbe sind düster, die Gesichter expressiv, die Frauen immer schön, die Männer meistens hässliche Kerle mit großen Nasen. In Deae ex machina wird geblutet, geschwitzt und uriniert und Erik scheint eine wahre Freude daran zu haben, diese ekligen Details ausführlich zu zeichnen. Aber irgendwie macht diese Hässlichkeit auch die wenigen schönen Szenen des Comics umso berührender, wenn sich zum Beispiel die Figur Chris Maier (jung, tot, ein Geist, lange Geschichte …) von seiner Freundin verabschiedet oder eine Nebenfigur aus der Antike sich ehrlich darüber freut, einen alten Bekannten wieder zu sehen. In diesen kleinen Momenten schafft Erik es, die Leser mitfühlen zu lassen, so dass man hofft, dass die düstere Weltsicht der drei Göttinnen sich als unwahr erweist und das von mir kritisierte Ende wieder passen könnte.

Epsilon hatte die ersten drei Bände verlegt, „Das Feuer der Ormuzd-Schale“ und „Der Fluch des Amuletts“ erscheinen bei Kult Comics, als stabile Hardcover im DIN-A4 Format. Abseits der veränderten Logos hat sich am Einband nichts verändert, so dass auch diese Bände nicht negativ hervorstechen werden, wenn man sie zu den anderen ins Regal stellt.

Anspruchsvolle Zeitreise, die durch viele kleine Details großartig ist.

9von10Deae ex machina
Text und Zeichnungen: Erik
Kult Comics, 2017/18, 80 bzw. 84 Seiten, Hardcover
Preis: je 19,95 Euro
Band 4 – Das Feuer der Ormuzd-Schale

ISBN: 978-3-946722-29-8
Leseprobe
Band 5 – Der Fluch des Amuletts
ISBN: 978-3-96430-004-1
Leseprobe

Ein Interview mit Erik zum Abschluss der Serie findet ihr hier!

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