Das neue DC-Imprint Black Label hat sich dem Ziel verschrieben, außerhalb des Continuity-Gebots der Hauptserien sehr eigenständige Publikationen zu ermöglichen. Zwei deutsche Veröffentlichungen dieses Sommers, Sean Murphys Der Fluch des Weißen Ritters und Tom Taylors Der Zombie-Virus, zeigen die Spannbreite dessen, was als black gelabelt wird.
Der Fluch des Weißen Ritters
Vorweg: Lange hat Batman nicht so viel Spaß gemacht wie unter der kreativen Leitung von Sean Gordon Murphy. Seine Stories über den „Weißen Ritter“ unter dem Black Label von DC avancieren längst zum spektakulären ‚Murphyverse‘. Batman – Der Fluch des Weißen Ritters versammelt acht Ausgaben sowie ein Spin-off in Zusammenarbeit mit Klaus Janson.
1685 ist kein gutes Jahr für Vampire, zumindest nicht für Laffayette Arkham, einen Blutsauger mit der Autorität eines britischen Generals, der im 17. Jh. über Gotham Valley geherrscht hat, bis Edmond Wayne (eine lückenhafte Fußnote im Familienfotoalbum der Waynes) ihn zur Strecke bringt. An Edmonds Seite kämpft Degen an Degen ein christlicher Fanatiker namens Azrael, den DC-Fans aus Batman: Sword of Azrael (1992) oder Knightfall (1993) kennen könnten. Diese Mini-Serie reicht also weit in die Vergangenheit zurück – und bringt einige Geheimnisse ans Tageslicht.
In der Erzählgegenwart wird hinter einer Zellenwand im Arkham Asylum die Leiche Laffys freigelegt, und wie der Zufall so spielt, hat der Joker die Ruhestätte als erster entdeckt. Mit ihr enthüllt er ein Geheimnis, das die Geschichte Gothams in neuem Licht erscheinen lässt. Und auch die Familiengeschichte der Waynes droht, neu geschrieben werden zu müssen.
Die Story übernimmt die Dreiecksgeschichte um den Joker, Harley Quinn und Batman aus dem ersten Band, Der Weiße Ritter, und knüpft damit an ein Erfolgsrezept von Murphys Batman-Debüt an. Sowohl die Darstellung des Jokers in seiner Zerrissenheit zwischen dem gemeinwohlorientierten Jack Napier und dem clownsgesichtigen Soziopathen, durchaus anknüpfend an manche Highlights der Joker-Ikonografie, als auch die Beziehung zwischen Harley Quinn und Batman, machen diese Serie, die erst im September in den USA in einem Band erscheinen wird, zu einer Sternstunde der Batman-Historie.
Diese achtteilige Mini-Serie (Juli 2019 bis März 2020) ist zugleich das Mittelstück einer Trilogie, die Sean Murphy (Punk Rock Jesus, Chrononauts) als Autor und Zeichner zugleich verantwortet. Der Fluch des Weißen Ritters knüpft an die Handlung von Batman –Der weiße Ritter an, ohne dass dessen Lektüre zwingend vorausgesetzt werde. Die aktuelle Serie lässt Batman einige Tabus brechen, die das Black Label von DC eben zu brechen erlaubt: Batman gibt seine Identität preis, benutzt ein Maschinengewehr, und neben Gordon müssen auch etliche seiner Erzfeinde sterben.
Hatte der erste Band sich noch als politische Erzählung über Populismus und verdächtige Eliten inszeniert, dreht sich im zweiten Teil vieles um kollektive Identität: Wo liegen die Wurzeln dieser gottverdammten Stadt? Woher stammt der Reichtum der Wayne-Dynastie? Und, ganz aktuell: Welches Misstrauen gegenüber Eliten ist angebracht, wann wird dies wiederum selbst verdächtig? Dementsprechend textlastig ist diese Erzählung, die keineswegs ohne Action auskommt, diese aber nicht zum alleinigen Movens der Geschichte stilisiert.
Die kantigen, düsteren Zeichnungen von Sean Murphy fügen sich gut in das DC-Black Label ein. Unübertrefflich sind die Metamorphosen des Jokers grafisch geraten, der zwischen seinen beiden Persönlichkeiten gefangen ist und mal mehr Napier, mal mehr Joker ist. Dabei scheut Murphy nicht vor Rückgriffen auf den Batman-Kanon wie die Filme von Tim Burton, die Batman-Verkörperung durch Adam West und zahlreiche kanonische Batman-Comics wie Frank Millers The Dark Knight Returns.
Der Kolorist Matt Hollingsworth wurde sowohl 2019 für den ersten Teil als auch 2020 für den vorliegenden Teil für einen Eisner Award nominiert, und mit Klaus Janson, Inker von Millers The Dark Knight Returns, ist auch ein Urgestein der Batman-Historie mit an Bord, zumindest in dem Spin-off über Mr. Freeze, das im November 2019 erschienen ist und dem Band als Zugabe beigefügt wurde. Der Fluch des Weißen Ritters ist zum Niederknien schön, und es ist eine Freude, dass Sean Murphy für Sommer 2021 die Fortsetzung angekündigt hat: Mit Batman – Beyond the White Knight soll die Reihe um ein Science-Fiction-Setting erweitert werden. Dass Murphy sich auch mit Science Fiction auskennt, hat er als Zeichner von Tokyo Ghost (2016) an der Seite von Rick Remender bewiesen.
Der Zombie-Virus
Die Black-Label-Serie DCeased unter künstlerischer Leitung von Tom Taylor und Trevor Hairsine hat den pandemischen Ernstfall geübt. Dabei ist einer der letzten Virus-Pandemie-Comics vor Corona entstanden. Im Juni 2020 ist er in Deutschland erschienen. Timing ist alles.
In einem weit entfernten Labor wird unter menschenunwürdigen Umständen an einer todbringenden Formel gearbeitet. Durch ein technisches Missgeschick breitet sich das Virus aus, infiziert in einer wahnsinnigen Geschwindigkeit fast die ganze Weltbevölkerung und lässt sich weder durch gute Absichten noch durch körperliche Widerstandskraft aufhalten.
Was klingt wie Trumps Beschreibung eines Corona-Labors in Wuhan und das völlige Versagen der chinesischen Behörden, ist tatsächlich die Ausgangssituation von Der Zombie-Virus: nicht Wuhan, sondern Apokolips. Nicht Corona, sondern ein nicht-spezifiziertes Virus, das sich digital wie auch biologisch verbreitet. Nicht Drosten, sondern ein Team aus Superhelden und Superheldinnen stemmt sich gegen die Katastrophe: Die Justice League versucht, den Ausbruch einzudämmen, aber nach und nach infizieren sich die kanonischen DC-Helden und werden selbst zu Zombies, deren einziges Ziel darin besteht, die Anti-Lebens-Formel zu verbreiten.
Das digital-biologische Virus verbreitet sich wie eine grassierende Zivilisationskrankheit, und niemand ist davor gefeit. Was für ein Potenzial für eine Mediensatire hätte dies ergeben, aber Autor Tom Taylor wählte einen anderen Weg: Horror. Batman? Zombifiziert. Dick Grayson? Zombifiziert. Robin? Zombifiziert. Ende des ersten Hefts.
Nachdem die DC-Kernfamilie um das fledervermauste Zugtier auf das Blutigste dahingerafft ist, müssen andere ran. Green Arrow, Green Lantern und Black Canary sitzen um ein Lagerfeuer versammelt und üben sich in Camping-Romantik, humorvoll gebrochen durch die sarkastischen Bemerkungen von Green Arrow, der alles schon immer besser gewusst hat: „Ich hab immer geahnt, das Internet muss weg, um die Welt zu retten.“ Aquaman? Zombifiziert. Green Lantern? Zombifiziert. Batman? Jetzt endgültig zombifiziert, aber diesmal wirklich. Ende des zweiten Hefts.
Die Mini-Serie (Mai bis Oktober 2019) akkumuliert in sechs Kapiteln Kampf um Kampf, Opfer um Opfer, bis allen Held*innen das Blut aus den gierigen Mäulern tropft. Captain Atom? Zombifiziert. Tired, anyone? Es besteht kaum Gefahr, dass die actionlastige Aneinanderfügung von Sequenzen, in denen Superheld*innen gegen Superzombies kämpfen, jemals in eine konsequente Handlung überführt würden. Nur die ständige Veränderung des Gleichgewichts der Kräfte durch die Zombifizierung immer machtvollerer Superheld*innen treibt die Geschehnisse von Episode zu Episode voran.
Der Reiz von Der Zombie-Virus besteht in dem stets aufs Neue inszenierten visuellen Spektakel, das die Transformation des Ultimativ-Guten in das Ultimativ-Böse mit sich bringt. Die zeichnerische Hauptlast trägt der britische Zeichner Trevor Hairsine, dem es sehr gut gelungen ist, den Horror des Black Label ins Bild zu setzen. Die drastischen Szenen erinnern mancherorts an die Zeichnungen der Crossed-Serie und natürlich an die Zombie-Comics der Marvel-Konkurrenz.
Für kürzere Sequenzen hat Hairsine sich tatkräftige Unterstützung gesucht, so etwa Laura Braga, die Mister Miracle und Big Barda zum Leben erweckt und in der Panelgestaltung dem großen Erfolg von Tom King und Mitch Gerads (2019) eine Referenz erweist. Mit Darick Robertson, der in diesem Band einige Seiten von John Constantine gezeichnet hat, übernimmt ein weiterer Routinier (Transmetropolitan, The Boys).
Den Zeichner*innen, Koloristen und Cover Artists ist weniger vorzuwerfen als dem konfusen Storytelling von Tom Taylor, der sich voll und ganz auf die Bildgewalt seiner Kolleg*innen verlassen hat und erzählerisch wenig beisteuert. Zugegeben: Die allmähliche Durchseuchung des Superheld*innenkosmos hat etwas Unterhaltsames, und insbesondere die Szenen mit Mister Miracle und Green Arrow tragen zum Humor der Mini-Serie bei.
Während guter Horror uns auch etwas über die Abgründe unserer eigenen Gesellschaft erzählt oder die Tiefen der menschlichen Psyche auslotet, wie dies die filmischen Zombiekalypsen I am Legend (2007) oder Dawn of the Dead (1978) bzw. Robert Kirkmans Comic-Longseller The Walking Dead (2003-19) tun, verbleibt schlichter Horror an blutigen Oberflächen. Eine interessante Lektüre speziell für Zombie-Narrationen findet sich in der medienwissenschaftlichen Untersuchung Zombifying a Nation: Race, Gender and the Haitian Loas on Screen von Toni Pressley-Sanon (2016). Angesichts anderer Batman-Comics, die so dicht an der Zeitgeschichte operieren, wie Murphys Weißer Ritter oder auch Frank Millers Das Goldene Kind wird Tom Taylor wohl eher nur eine Fußnote der Zombie-Storys bleiben.
Fazit
Die beiden Storys zeigen Licht und Schatten der Serie: Während Murphy die Black-Label-Freiheit mit Geschick nutzt, um außerhalb der Batman-Continuity eine ganz eigene Geschichte zu erzählen, verliert Taylor sich im Episodischen und visuellen Bombast.
Batman zum Niederknien
Panini, 2020
Text und Zeichnungen: Sean Murphy
Übersetzung: Josef Rother
268 Seiten, Farbe, Softcover
Preis: 27,00 Euro
ISBN: 978-3741618383
Leseprobe:
Vom Virus in die Knie gezwungen
Panini, 2020
Text: Tom Taylor
Zeichnungen: Trevor Hairsine u.a.
Übersetzung: Jörg Fassbender
228 Seiten, Farbe, Softcover
Preis: 24,00 Euro
ISBN: 978-3741618000
Leseprobe: