Währenddessen: Niklas hat eine höllische Cartoon-Serie entdeckt, Christian hat Metal Heroes, das zweite Spielbuch von Swen Harder durchgezogen.
Niklas: Einer der besten Cartoons der Neuzeit ist für mich ja Helluva Boss. Die Prämisse ist einfach: drei niedere Dämonen aus der Hölle legen gegen Bezahlung Menschen auf der Erde um. Chaos und Missverständnisse folgen.
Es wird viel geflucht und die Gewalt ist überzogen und fast jeder zweite Satz enthält eine sexuelle Anspielung. Aber genauso oft singen die Charaktere in bester Disneymanier und zeigen aufrichtig ihre wahren Gefühle in ruhigeren Momenten. Ab der zweiten Folge findet Helluva Boss die richtige Balance zwischen Witzen und einigen ernsteren Momenten. Ich hatte diese kleinen Stinker spätestens nach Folge drei ins Herz geschlossen.
Derzeit gibt es nur sieben Folgen, die man alle auf dem Account der Macher, Viziepop, schauen kann. Die achte Folge soll schon bald rauskommen, womit die erste Staffel abgeschlossen wäre. Klar, Witze über schreckliche Leute und Peniswitze sind nicht jedermanns Sache, aber ich werde wohl immer zehn bleiben. Nicht schlimm, schließlich werden Leute wie ich mit dieser Serie gut bedient.
Christian: Louder. Harder. Faster. Ich habe diese Woche Swen Harders abgefahrenes Spielbuch Metal Heroes and the Fate of Rock (Mantikore-Verlag) nach wochenlangem Spielen endlich abgeschlossen. Es verfolgt mich trotzdem weiterhin und sagt gelegentlich zu mir “Schlag mich auf, wir sind noch nicht fertig miteinander.” so viel nur als Warnung vorweg.
Metal Heroes ist Swen Harders zweites Spielbuch, nach seinem immens gefeierten Erstling Reiter der Schwarzen Sonne, dem längsten Fantasy Abenteuer-Spielbuch aller Zeiten. Der Ansatz von Metal Heroes als Real Life-Adventure, das in der tatsächlichen Welt spielt, hat mir gut gefallen. Es waren die Fantasy-Einschübe, die mich immer wieder aus dem Tritt brachten. Aber der Reihe nach:
Es ist schon vermessen, wenn ein deutscher Spielbuch-Autor seinen Helden in L.A. ansiedelt, um die Ecke das Sunset Boulevard und der Viper Room. Das erinnert an die deutsche Vorstellung von London, die man in den John Sinclair-Heftchen so findet – oder das italienische Fantasie-London aus Dylan Dog. Alles klar, Metal Heroes entführt uns in eine Traumwelt: Du bist Taylor, ein L.A.-Loser, das Hirn voll Heavy Metal, und wirst von einem Truck angefahren. Flugs findest du dich in einem Fahrstuhl zur Unterwelt, wo dich der Rock-Gott höchstpersönlich empfängt und dich in göttlicher Mission zurück auf die Erde schickt. Du sollst von nun an die Geschicke einer aufstrebenden Metal-Band lenken, diese zum Erfolg führen und so die Welt des Heavy Metal und des Rock retten.
Das Ganze ist mit freundlich prolliger Erzählstimme vergnüglich erzählt und manchmal wirst du als Spieler in einer Art Off-Kommentar auf kleine Spielregeln hingewiesen, in einem Tonfall, wie ihn der Erzähler aus Big Lebowski oder ähnlichen Filmen anschlägt – hier ist einfach alles fucking cool. Nach und nach lernst du als Spielender so einige Regeln kennen, die du je nach Härtegrad als “Regel-Pussy”, “Regel-Rocker” oder “Regel-Freak” spielen kannst. Und wenn du beim Würfeln schummelst und dich durchlavierst und trotzdem die schönen Freak-Erlebnisse abgreifen willst, dann bist du ein “Regel-POSER”. Musst du schon selbst entscheiden, ob du mit solchen Zuweisungen leben kannst.
Das ist sehr vergnüglich und die Regeln sind herrlich ausgetüftelt. So hat man am Anfang nur wenig Song-Repertoir und beherrscht nur Classic Rock, aber je nach Erfahrungen und Begegnungen, die man hat (bzw. die einzelnen Bandmitgleider, deren Wege beeinflusst werden können), können weitere Metal Genres frei geschaltet werden, Death, Thrash, Nu, Power und Symphonic – leider kein Doom oder Black, aber Metal Heroes ist eher ein Spiel für die sonnige Seite des Lebens, Arschgaudi und Bier. Wenn man dann bei den Gigs die Songs zurechtlegen und für jeden Song eine Talentprobe ablegen muss, versetzt einen das ordentlich in Spielfieber – außerdem ist Metal Heroes das erste Spielbuch, bei dem man bei verpatzten Proben nicht den Wunsch hat, zu schummeln, weil man ahnt, dass der Weg des Losers ebenfalls Reize hat, nicht nur die Gewinnerstraße. Also biegt man gerne mal unverhofft ab und freut sich schon auf das Replay.
Ich mag den Real Life-Aspekt des Spiels, das akribische Planen von Touren, die Affären, die Begegnungen mit Groupies, Poker, Roadies, die Bandfreundschaften, die geschlossen werden, die Fettnäpfchen, das Risiko, dass einem Musiker die Sicherung durchbrennen kann, das Erhöhen des Ego-Faktors, der angehoben werden muss, sobald ein Musiker seine Fähigkeiten steigern darf. Es macht einfach enorm viel Spaß. Immer dann aber, wenn Kobolde in die Handlung hüpfen oder Höllenzombies ins Bild stolpern, oder gar Eddie (fragt nicht), wirft mich das aus dem Flow. Das ist natürlich bereits in der Grundprämisse angelegt, denn alles startet ja mit einem Fahrstuhl zur Hölle und alles endet am Ende mit einem fulminanten Showdown ebenfalls in der Hölle mit einem infernalen Konzert, in dem gezeigt werden muss, was die Band so draufhat. Der ganze Höllenplot macht ja auch Sinn, ich erinnere mich gerne an den Film Crossroads von 1986, in dem Ralph Macchio als edler Blueser gegen den infernalen Steve Vai zum Gitarrenduell antritt.
Die beiliegende CD ist ebenfalls hörenswert und wird auch immer wieder stimmig im Buch aufgegriffen, so dass es angeraten ist, die Musik ab und an aufzulegen. Die Illustrationen von Fufu Frauenwahl sind diesmal näher am Comic, als das bei Reiter der Schwarzen Sonne noch war und zeigen teils sogar kleine Miniepisoden in Panels. Schön, dass auch Zeichnungen und Text immer wieder aufeinander Bezug nehmen und ab und an kleine Minispielchen darin versteckt sind.