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Währenddessen… (KW 8)

Währenddessen: Über unaussprechliche Kulte, böse Bücher, guten Horror, H. P. Lovecraft, Clark Ashton Smith, Mike Mignola und Alan Moore. Außerdem: Eine abgefahrene Rollenspieltruppe nimmt sich selbst beim Spielen auf.

In diesem Buch findest du die Aufzeichnungen des großen Eibon. Du wirst in ein Meer der Finsternis eintauchen und von ihm eingesogen werden.

Christian: Von den zahlreichen magischen Büchern, auf die H.P. Lovecraft in seinen Geschichten Bezug nimmt, sah ich stets das Buch Eibon als das Unheimlichste und Schrecklichste an. Nicht das Necronomicon, nicht De Vermis Mysteriis, auch nicht Unaussprechlichen Kulten von Junzt, nein der Gedanke an Eibon jagte mir die größten Schauer über den Rücken. Im Necronomicon sehe ich seit den Evil Dead-Filmen nur mehr ein umtriebiges Wesen in Buchform, das durch die Gegend flattert und dich beißt, wenn ihm was nicht passt. Im Umfeld von Eibon dagegen sind schon immer die schrecklichsten Dinge geschehen. In seinem Dunstkreis kann es schon mal passieren, dass man unvermittelt aus den Augen blutet – und wenn der Bibliothekar, der das schreckliche Buch aufbewahrt, von der Leiter fällt, kann es gut sein, dass plötzlich monströse Spinnen aus den Mauerritzen krabbeln und ihm das Gesicht fressen – so geschehen in einem der unaussprechlichen Filme, die die Hohepriester und Gelehrten der BpjM seit über einer Generation auf ihrer blauen Liste führen und darüber wachen, dass keiner ohne Befugnis davon Zeugnis nimmt.

Aber natürlich ist Eibon ebenso ausgedacht wie die meisten dieser schrecklichen Bücher. Clark Ashton Smith heißt dessen Urheber, auch Klarkash-Ton genannt, ein Zeitgenosse Lovecrafts, dessen Geschichten in den 1920er/1930er Jahren in amerikanischen Pulp-Magazinen wie Weird Tales erschienen sind, dort wo auch Lovecraft oder Robert E. Howard ihre Geschichten veröffentlicht haben. Clark Ashton Smith stand immer etwas im Abseits, obwohl auf den Booklets der Bücher des Festa-Verlags, wo dessen Geschichten in einer sechsbändigen Sammlung veröffentlicht wurden, zu lesen ist, dass viele Fans Clark Ashtons Werk für bedeutsamer als das von Lovecraft halten. Ich teile ich die Begeisterung über Klarkash-Ton, der erste Band der Werkausgabe mit dem Titel „Die Stadt der singenden Flamme“ macht schnell Lust auf mehr.

Ashtons Geschichten sind teils SF, Horror oder Fantasy, einige davon lassen sich unter der Kategorie Prosagedicht subsummieren, andere sind plot- und wendungsreich und oft auch von originellem Humor durchzogen. Auch Splatter findet hier und dort Einzug, beispielsweise wenn ein Raumschiff von einem grotesk-gigantischen Weltraum-Blob aus dem Flug heraus gefangen und mit Säure langsam aufgelöst wird. Einige von der Crew kommen da gar nicht gut weg und Ashton, der auch bildender Künstler war, wird durchaus sehr bild- und ekelhaft. Ich würde gerne mal einige seiner Skulpturen sehen.

Die schönsten Geschichten im Band sind aus seinem „Hyperboreischen Geschichtszyklus“. Man erkennt in Ashtons Hyperborea aber kaum die Welt aus Robert E. Howards Conan wieder, Ashton hat sich eine ganz eigene Fantasywelt geschaffen, in der er vor allem ausufernd und bildreich fabulieren wollte. Unter anderem findet sich hier auch die wunderbare Geschichte vom Zauberer Eibon, wie er von einem Inquisitor verfolgt wird, der ihn für seine Untaten und Freveleien bestrafen will. Am Anfang recht drastisch, Eibons Diener werden mit heißem Teer gefoltert, schlägt die Story bald unabsehbare Haken, als Eibon durch ein Dimensionstor auf den Planeten Saturn flüchtet, wo er einst seine göttlichen Erleuchtungen fand. Morghi, der Inquisitor, folgt Eibon kurzentschlossen durch das kleine Rechteck in eine andere Welt, auf der anderen Seite jedoch stellt sich raus, dass es keinen Rückweg mehr gibt und die beiden Feinde von nun an auf dem fernen Planeten gestrandet sind. So werden Morghi und Eibon Buddies wider Willen, da sie nur gemeinsam in der fremden Welt überleben können. Die vielen unheimlichen Zauberformeln jedoch, die Eibon bedeutungsschwer spricht, entpuppen sich bald als fürchterliche Banalitäten und sind nicht meist nicht mehr als irgendwelche Grüße unter fremden außerirdischen Wesen.

Manche der Geschichten sind wunderbar comichaft. Eine Story handelt von einem Räuberhauptmann in Echsengestalt, der immer wieder aufs Neue hingerichtet wird und dann doch wieder aus dem Grab steigt, und als sein Grab von Soldaten bewacht wird, manifestiert er sich eben vor deren Augen neu und setzt seinen zerstückelten Leib wieder zusammen. Man könnte sich solche Szenen in der Tat gut von einem Künstlern wie Mike Mignola grafisch dargestellt sehen. Tatsächlich ist im letzten Monat ein neues Hellboy-Spinoff gestartet mit dem Titel „The Sword of Hyperborea“ und ich bin seither ziemlich sicher, dass Mignola bei Hellboy schon immer eher Clark Ashton Smith als H.P. Lovecraft im Kopf hatte.

Aber bei allem Humor ist es dennoch vor allem die bildhafte Sprache und die grenzenlose Fantasie dieser Geschichten, die am nachhaltigsten begeistert. In der Story „Die Ankunft des weißen Wurms“, angeblich das neunte Kapitel aus dem Buch des Eibon, bekommt Eibon auch wieder etwas von seiner unheimlichen Strahlkraft zurück. Es handelt von Auserwählten, die sich bereit erklären, „die Fessel der endgültigen Entfremdung“ anzunehmen und „alle Bande mit den Menschen“ zu verwerfen. Schlussendlich sind wir hier doch angekommen bei dem, was all die grässlichen Kulte definiert, die wir aus H.P. Lovecrafts Geschichten oder auch Alan Moores Swamp Thing kennen. Es handelt sich eben doch um „Bastards, evil poisonous murdering bastards.“ Bei allen Skurrilitäten ist Clark Ashton Smith vor allem eben doch ein erstklassiger Erzähler von ebenso bild- wie sprachgewaltigen Horrorgeschichten.

„Alle Bande mit den Menschen verworfen.“ John Constantine in Swamp Thing 46. (c) DC Comics.

Niklas: Was ist nerdiger als selber P&Per – Rollenspiele zu spielen? Leuten dabei zuhören wie sie Pen&Paper – Rollenspiele spielen, schätze ich.

Das Team Narrative Declaration kann ich einer Gruppe von Freunden dabei zuhören wie sie in der Alten Welt der Warhammer Fantasy Welt, den tödlichen Weiten des Warhammer 40.000 – Universums oder in ihrem eigenen düsteren Setting, Rotgrind, scheitern und überleben. Die Gruppe gibt sich viel Mühe, ihren Charakteren eigene Stimmen und hervorstechende Persönlichkeiten zu verleihen und das durchgehend zwei bis vier Stunden lang. Das kennt man schon von großen Runden wie Critical Role, aber hier finde ich es noch viel charmanter, was vor allem am sarkastischen Humor der Gruppe liegt. Der scheint nämlich immer wieder durch und lockert das düstere Geschehen ungemein auf.

Content Warning: es wird viel geflucht und die Gruppe geht sehr ruppig mit den Spieler- und Nebencharakteren um. Wer damit ein Problem hat, wird an diesem Podcast keine Freude finden. Außerdem wird nur Englisch gesprochen, was gerade bei vielen Akzenten schwer zu verstehen sein kann.

Ich jedenfalls werde gut von diesen heiteren Runden in düstere Welten unterhalten und freue mich schon auf die dritte Folge Rotgrind.

Link zur ersten Folge der neuen Kampagne Rotgrind!

 

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