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Währenddessen… (KW 46)

Wer ist der beste Punisher-Darsteller: Jon Bernthal? Thomas Jane? Dolph Lundgren? Nein: Roger Moore!

„Die Wildgänse kommen“ ist der beste Punisher-Film, den es nie geben wird. (Stockfoto)

Roger Moore hatte seinen Auftritt als Bestrafer 1977 im Söldner-Streifen Die Wildgänse kommen. Natürlich ist Wildgänse kein Punisher-Film, aber der Film nimmt so ziemlich alles vorweg, für das Garth Ennis in seinen Punisher und Nick-Fury-Comics so gefeiert wird – und besser als Ennis‘ neunmalkluger Frank Castle, der immer alles besser weiß, ist der Film außerdem. Damit ist Die Wildgänse kommen ein sehr willkommener Neuzugang in unserem stetig wachsenden Club von Comicverfilmungen ohne Vorlage (mehr zu diesem Genre gibt es in unserem Comicgate Magazin X).

Schon der erste Auftritt von Roger Moore zeigt wo es langgeht: Die Roger Moore-Figur, Lieutenant Sean Fynn, platzt in die Privatparty eines Mafia-Drogendealers und stellt diesen in einem Hinterzimmer zur Rede, wo er sich mit zwei Prostituierten vergnügt, während seine Gäste nebenan tanzen. Fynn hat sich als Bote für den Gangster ein paar Pfund nebenbei verdient, wusste aber nicht, dass er Heroin transportiert und wegen seiner Lieferung eine junge Frau elend krepieren musste. Also zwingt er nun den Boss mit vorgehaltener Waffe, den Stoff komplett zu essen – „du hast noch 15 Minuten zu leben, nutze sie“.

Kaum wieder auf der Straße, wird Frank Castle – pardon, Sean Fynn – von seinem alten Bekannten Colonel Nick Fury – pardon, Colonel Allan Faulkner – abgefangen, der ihn für ein Söldnerkommando in Afrika gewinnen möchte. Limbani, der demokratisch legitimierte Präsident des Staats Zembala wird seit einem Staatsstreich in einem geheimen Lager gefangen gehalten und steht offensichtlich kurz vor der Hinrichtung. Richard Burton spielt seinen Colonel Allan Faulkner als ein ebenso abgebrühtes Sackgesicht, wie Nick Fury es in den Punisher-Geschichten immer ist; von sich selbst hat Faulkner – zu Recht – die Meinung, dass er kein guter Umgang sei, die Ehefrauen seiner Kameraden hassen ihn, nur im militärischen Milieu kann so ein Typ funktionieren. (Deswegen hat Nick Fury diesen Prostituiertenverbrauch. Das alte Sackgesicht.)

Für die Befreiung Präsident Limbanis stellt Faulkner ein Söldnerteam aus alten Haudegen zusammen, das mit Schauspielern wie Richard Harris, Hardy Krüger und Stewart Granger hochkarätig besetzt ist. Das bietet reichlich Raum für brütende Männergespräche, Schwulenwitze (der einzige homosexuelle Söldner ist natürlich trotzdem voll integriert im Soldatenzirkel) und derbe Schinderei durch den einzigen Ausbilder, der in der Lage ist, den Sauhaufen aus alten Säcken auf Vordermann zu bringen, bis es dann früher als geplant ernst wird und man ab nach Afrika fliegt. (Die lustige Marschmusik verschleiert den Ernst der Geschichte natürlich total, aber der Kontrast zu dem, was folgt, ist durchaus gewollt).

Die Szenenbilder mit Truppentransportern, Laderampen und Fallschirmjägern sehen durchweg aus, als hätten sie zur Vorlage für Marvel-Comics gedient, womit auch klar ist, wer hier Henne ist und wer das Ei. (Garth Ennis hat diesen Film sicher nur so inhaliert und seinen Künstlern vermutlich als Hausaufgabe mitgegeben.) Der Söldnereinsatz in Afrika wird mit einer Mischung aus kalter Logistik und einer Gleichgültigkeit gegenüber Menschenleben gezeigt, die es in sich hat. Wachposten heimtückisch mit der Armbrust abschießen ist das eine, aber auch sonst schießen die Söldner zunächst fast ausschließlich aus dem Hinterhalt, da effizient. Die noch schlafenden Soldaten des Gefangenenlagers werden von den Söldnern mit Gasmasken aufgeweckt, die ihnen Cyanid ins Gesicht sprühen, so dass sich diese nur ganz kurz aufrichten, dann aber gleich wieder hinlegen – für immer. Das ist gerade deswegen spooky, weil es so beiläufig inszeniert ist. In eine Kantine, wo weitere Wachsoldaten essen, wird dann erst eine Handgranate unter die Arglosen geworfen, dann im Trubel alle mit Maschinengewehrsalven niedergemäht, auch wieder so kalt und fast mechanisch inszeniert, als wäre das ein normaler Arbeitstag. Die Ausstattung dieser Szene ist durchdacht: am meisten berührt mich stets der Süßwarenstand im Soldatenlager. Ja, auch diese Menschen essen gerne Süßigkeiten. Aber sie bereiten eben auch die Hinrichtung des Präsidenten vor. Ein Scheißleben.

Nach diesem so gruselig schnörkellosen Einsatz werden die Söldner dann, wie es die Genrekonvention erfordert, verraten: der Transporter wird abbefohlen und die Helden in Stich gelassen; es folgt die gar nicht unspannende Actionroutine und eine stimmig erzählte Moralgeschichte, in der der von Hardy Krüger gespielte Bure in der Begegnung mit Limbani seinen Rassismus überwindet. Nichts aber bleibt so sehr hängen, wie die technokratische Kälte der ersten Phase, in der die Söldner wie geplant mit Schalldämpfern, Gas, Messer und Armbrust töten. Das ist emotional so kalt, dass man sich gerne nach einem gemütlichen Horror sehnt.

Die BluRay von Pidax enthält den Film in mehreren Sprachfassungen sowie Audiokommentar mit Roger Moore, John Glen und Euan Lloyd. Dass Joan Armatrading das Titellied zu diesem großartigen Film beisteuern durfte, adelt den Film darüber hinaus nicht unerheblich.

Hier ist ein Link zur Titelsequenz!

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