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Währenddessen… (KW 44)

Christians Kindheit in Filmen: A childhood furbished by Super 8 and video-nasties.

Christian: Grindhouse-Alarm. Mit Tarantino hat das primär aber erst mal nichts zu tun, mehr mit einem prägenden Seherlebnis aus den frühen 1980ern.

Der mit den Strandbuggies.

In den Zeltlagern, die der Sportverein in meiner Kindheit jedes Jahr unternahm, wurde immer viel gespielt, gelacht, Nachtwanderungen unternommen und am Lagerfeuer gesungen. Und dann waren da endlose Super 8-Filmvorführungen mit Disney-Kurzfilmen und Spielfilmen wie Zwei wie Pech und Schwefel, Herbie – Ein toller Käfer, Winnetou und Dudu (Unter diesem Link findet ihr ein paar schöne Dudu-Fotos). Einmal zeigten sie auch Zwei Glorreiche Halunken. Wir haben uns als Kinder kringelig gelacht, wenn Clint den Leuten die Hüte runterschießt.

Keine Ahnung wann genau, aber irgendwann war Super 8 out und VHS in. Dass war frühes VHS, die Jahre der Video-Nasties, pre-code, pre-FSK. Winnetou wurde natürlich immer noch gezeigt, Herbie ging auch jedes Jahr, aber irgendwer fand es ziemlich cool, zwischendrin völlig unangemessenes Zeug einzulegen: Ausbruch zur Hölle zum Beispiel, oder einen Martial Arts-Film, von dem ich nur noch weiß, dass am Schluss der Held mit der Harpune aufgespießt wird und danach doch noch weiterkämpft (und zuletzt stirbt). Wer den Titel weiß, bitte melden.

Sozusagen „die technokratische Alternative zum beseelten Disney-Käfer Herbie“. (Schönes Zitat von der Seite „Zwischengas.de“, siehe Link im Text.)

Auch von Fight for your Life wusste ich Jahrzehnte lang nur noch die markantesten Szenen: eine afroamerikanische Familie wird von Schwerverbrechern terrorisiert, ein Junge, der im Wald zeltet, wird mit einem Stein erschlagen, eine Frau durch den Wald gejagt und einen Wasserfall runtergestoßen. Unerfreuliches, hässliches Zeug, aber ich weiß noch, wie wir reagiert haben, als sich einer der Bad Guys an einer Glasscheibe aufspießt und die dreieckige Spitze am Rücken wieder austritt: „Schau mal, ein Haifisch“ hat irgendwer gesagt und alle haben gelacht. Als dem anderen Fiesling in die Eier geschossen wird, sowieso. Blut war eh bloß Ketchup. Losgelassen hat es mich trotzdem nicht mehr.

Eigentlich bin ich der Meinung, man sollte nicht so früh mit dem krassen Zeug anfangen und lieber etwas länger Kind bleiben, aber sag das mal den Kids: die wollen auf Teufel komm raus groß sein. Ich finde im Nachhinein ziemlich bedenklich, wie wichtig mir das war, den Film zu sehen. Aber für Vernunft sind die Erwachsenen zuständig. Letzte Woche hat mir jemand im Internet gesteckt, wie der Film heißt, und weil ich mich stets gerne den irritierenderen Erlebnissen meiner Kindheit stelle, hab ich ihn gleich bestellt. Ich hatte ehrlich Angst vor dem Film.

Nix für Kinder.

Ich hätte nie gedacht, dass er so kurzweilig werden würde, dieser dreckige kleine B-Movie aus den 1970ern mit seinen Top-Schauspielern und seinem funky Soundtrack. Natürlich in Teilen unangenehm brutal und den Rassismus der Gangster muss man ertragen, aber spätestens ab der Szene, in der die afro-amerikanische Familie den Spieß umdreht und ihrerseits die Home-Invaders terrorisiert, ist klar: Das ist purer Tarantino und die Gewalt am Ende befreiend wie das Massaker an den Mansons am Ende von Once upon a time in Hollywood. Wirklich schön, hier mal original Grindhouse-Kino von Qualität erleben zu dürfen, unprätentiös, billig und klein, dabei gar nicht blöd oder irgendwie verkehrt in der Inszenierung. Dass ich dabei ein kleines Kindheitstrauma verarbeiten konnte und endlich einordnen, was Jahrzehnte lang dissoziierte Erinnerungsfetzen waren, ist ein schöner Nebeneffekt, vor allem aber hat es Freude gemacht, ein kleines Juwel einer vergessenen Ära wiederentdecken zu dürfen.

Filmregisseur William Lustig findet in einem Interview für die Zeitschrift Diabolique ziemlich warmherzige Worte für den Film: Spider Baby is Given The Academy Treatment (Interview with William Lustig) – Diabolique Magazine

Nachtrag: Auch von Zwei Glorreiche Halunken konnte ich mich jahrelang nur an die Hüteszene und irgendwas mit Schützengräben erinnern. Titel oder sonstige Erinnerungen hatte ich jahrelang nicht mehr präsent, bis ich in der Berufsschule 1990 jemand kennenlernen durfte, dessen Hobby Clint Eastwood-Filme waren und der mich in die Welt der Italo-Western einführte. Danke für immer, Kai-Patrick.

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