Das Buch Fliegenpapier, das Andreas Platthaus im Nachwort als eine der ersten Graphic Novels überhaupt einstuft, ist nicht neu, sondern erschien ursprünglich bereits 1982. Nach jahrelanger Abwesenheit vom deutschen Markt wird es nun aber neu aufgelegt, in einem Format, das den großformatigen, ganz- und doppelseitigen Gemälden sehr viel mehr zur Ehre gereicht als die damalige Broschurausgabe.
Zehn Jahre hat Hillmann an dieser Adaption eines Kurzkrimis von Dashiel Hammett gearbeitet, wobei man erwähnen muss, dass er hauptberuflich als Plakatgestalter sowie als Dozent an der Kunstakademie in Kassel tätig war. Die deutsche Plakatkunst, schreibt der Avant-Verlag, sähe übrigens ohne Hillmann gänzlich anders aus.
In Fliegenpapier ist das Bild eindeutig der Primat und der Text bleibt auf das Wesentlichste beschränkt. Vom legendären Krimiautor Dashiell Hammett (u.a. Der Malteser Falke) stammen hier lediglich die spärlich eingesetzten Dialoge und natürlich die Handlung an sich. Im Gegensatz zu Hammetts Romanen ist der Plot dieser Kurzgeschichte relativ einfach gestrickt, obwohl der Mordfall an sich schon recht knifflig ist. Die Deduktion am Ende bleibt im Grunde nur eine Spekulation, womit sich Hammett auch gegen die Klischees des klassischen englischen Kriminalromans richtete. Dort gehörte es dazu, dass der Ermittler zum Abschluss seine Gedankengänge offenlegt, alle Spuren miteinander verknüpft und so den oder die Täter überführt.
In Fliegenpapier ist die Auflösung keinesfalls eine Gewissheit. Daisy, die Tochter eines reichen Mannes gerät in den Rausch der Roaring Twenties und bandelt bald mit einem Gangster an, dem sie in eine fremde Stadt folgt. Beauftragt von ihrem Vater hält eine Detektivagentur immer wieder eine schützende Hand über Daisy. Als sie ihm einen Brief schickt und um Geld bittet, damit sie nach Hause zurückkehren kann, fungiert ein Detektiv als Bote – und stolpert über eine Leiche.
Diese recht übersichtliche Story wird in der Adaption von Hans Hillmann fast allein durch die Bilder transportiert. Ein lupenreiner Comic ist das sicher nicht, da wesentliche Merkmale, wie etwa Sprechblasen, fehlen. Eher ist das hier ein Bildband mit Aquarellen, die thematisch zusammengehören und in ihrer Reihenfolge mehr oder weniger eine Erzählung bilden, angereichert durch Dialoge, ohne die das nicht funktionieren würde.
Man muss zugeben, dass die ganzseitigen Aquarelle sehr eindrucksvoll sind. Man betrachtet sie länger, studiert den Aufbau, die filmische Herangehensweise von Zoom, Schnitt, Schuss, Gegenschuss, die den großartigen stimmungsvollen Gemälden eine Nähe zum Kino verleihen. Man kann sich in ihnen verlieren, aber sonderlich dynamisch ist das nicht, da zwischen den Bildern nur wenig Bewegung suggeriert wird. Sie sind dafür manchmal einfach zu technisch ausgefallen, wenn etwa experimentelle Perspektiven den Lesefluss behindern. Hillmanns Adaption steht formal zwischen einem Kunst-Bildband und einer graphischen Erzählung. Ob die Bezeichnung „Graphic Novel“ da angebracht ist, sei dahingestellt.
Faszinierende Gemälde, bei denen aber die Form vor dem Inhalt kommt
avant-verlag, 2015
Text und Zeichnungen: Hans Hillmann, nach Dashiel Hammett
256 Seiten, schwarz-weiß, Hardcover
Preis: 29,95 Euro
ISBN: 978-3-945034-04-0
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