In der Kolumne „Währenddessen …“ zeigt die Comicgate-Redaktion, was sie sich diese Woche so zu Gemüte geführt hat.
Daniel: Dazed and Confused – als Jugendlicher habe ich den Film von Richard Linklater geliebt. Die letzten Tage im Sommer 1976. Amerikanische Kids tragen Schlaghosen, fahren mit coolen Autos durch die Nacht und kiffen. Ich hatte mir den Film immer schöngeredet: Milieu-Studie, historischer Film, nur halt mit Kiffern statt mit gepuderten Perücken und denkwürdigen Schlachten. Nun habe ich mir Linklaters Fortsetzung angesehen: Everybody Wants Some!! Die beiden Ausrufezeichen im Titel hätten mich stutzig machen müssen. Der Film hat keine Problemstellung, kein Climax, keine tiefere Eben. Der Film hat auch nur gerade so eine Handlung: Es sind die 80er Jahre. Ein paar Typen spielen College-Baseball und wohnen zusammen in einem Haus. Das ist der ganze Plot. Wäre ich wieder 15 würde ich Everybody Wants Some!! sicher als Milieustudie, als Sittengemälde dieser Zeit deklarieren, doch heute ist das anders. Der Film ist weder übermäßig lustig, wie z.B. Stollers Bad Neighbours, noch regt er zum groß Nachdenken an. Aber wahrscheinlich hat Zoey Deutch alias Beverly im Film Recht: „Die Dinge bedeuten nur so viel, wie wir Ihnen an Bedeutung beimessen.“ Mehr solcher Sätze und aus Linklaters Fortsetzung hätte ein wirklich guter Film werden können.
Thomas: Seit Fleisch ist mein Gemüse bin ich ein treuer Heinz-Strunk-Leser und habe bis jetzt alle seiner Romane gelesen. Die waren von unterschiedlicher Qualität, bis ihm 2016 mit Der goldene Handschuh ein fulminantes Werk gelang, das ihm auch die Anerkennung der Feuilletons brachte, welche ihn bisher wohl eher in der Schublade der Quatschkasper abgelegt hatten. Es scheint fast, als wäre dem Autor diese Umarmung aus den Reihen der E-Kultur unangenehm gewesen: Denn Jürgen, nur ein Jahr nach dem Handschuh erschienen, ist ein klarer Schritt zurück auf das Terrain, das man von Heinz Strunk seit Jahren kennt.
Die Hauptfigur Jürgen Dose ist schon lange im Strunk-Kosmos existent und gleicht den meisten anderen seiner Protagonisten, die mit Ausnahme des Goldenen Handschuhs immer recht nah an Strunks eigener Biografie angelegt waren. Einmal mehr begleiten wir also einen gesellschaftlichen Außenseiter, der alleinstehend in Hamburg-Harburg lebt, sich mit einer schwer kranken Mutter herumplagt, von diversen Krankheiten gepeinigt wird und seine liebe Not mit dem weiblichen Geschlecht hat. Letzteres ist hier das Hauptthema: Jürgen ist gemeinsam mit seinem Freund Bernd seit Jahren erfolglos auf Partnersuche und nimmt nun einen weiteren Anlauf in Form einer „Liebesreise“ nach Polen. Inhaltlich bekommt man hier wenig Überraschendes. Strunk fährt auf Autopilot, recycelt alte Ideen und bemüht sich wenig um Originalität. Man darf also, gerade nach dem so starken Vorgänger, etwas enttäuscht sein. Trotzdem liest sich das Buch unterhaltsam weg; es macht schon Spaß, wie Strunk hier all die Flirt-Ratgeber, Motivationstrainer und Pick-Up-Artists durch den Kakao zieht, die im Buch großflächig zitiert werden. In der geballten Häufung, mit der der hoffnungslose Single Jürgen die Flirttipps und Eroberungsstrategien der selbsternannten Gurus wiedergibt, entlarvt sich deren fragwürdiges Welt- und Frauenbild als schamlose Geschäftemacherei. In seinem Kern ist Jürgen also durchaus gelungene Satire, bewegt sich allerdings zu sehr in der altbekannten Strunk’schen Komfortzone.
Christian: Ich halte es ja immer noch für einen Aprilscherz – aber es ist keiner: Carlsen hat fürs nächste Jahr tatsächlich eine Neuauflage von Clever und Smart angekündigt. Ich gehe mal davon aus, dass die Texte sich sehr unterscheiden werden, aber ob’s tatsächlich lustiger wird? Ich bin jedenfalls gespannt und werde mir das ganz genau ansehen. Lieber wäre mir aber eine Gesamtausgabe von Bonvis Sturmtruppen gewesen, aber vielleicht passen diese italienischen Wehrmachts-Kalauer tatsächlich nicht mehr in die heutige Zeit. Meine Frau hat mal zu mir gesagt, sie ertrage Monty Pythons Das Leben des Brian nicht mehr, denn Witze über Steinigungen finde sie schon seit einiger Zeit nicht mehr lustig.
Sie hat ja recht, und ebenso gibt es bei den Sturmtruppen-Comics natürlich eigentlich gar nichts zu Lachen. Trotzdem habe ich nach langer Zeit mal wieder einige Sturmtruppen-Bücher vom Condor-Verlag gelesen und fand sie tatsächlich ziemlich durchgeknallt und witzig. Manche Pointen sind aber auch verdammt bitter, manchmal auch geschmacklos, denn Bonvi schreckt auch nicht davor zurück, Vergewaltigungen und Massenhinrichtungen anzudeuten. Eine Verharmlosung sehe ich darin jedoch nicht, im Gegenteil wäre die Serie für mich indiskutabel, wenn sie nur aus Soldatenkalauern bestünde und die Verbrechen der Wehrmacht nicht thematisieren würde. Die Sturmtruppen ist sicher nicht für jeden, trotzdem wäre es schade, diesen bissigen Cartoon-Klassiker völlig zu vergessen. Vor allem die frühen Bände sind ziemlich gut.
Was habt ihr diese Woche gekauft, gesehen, gelesen, gespielt? Postet eure Bilder, Geschichten und Links einfach in die Kommentare.