Alle Artikel mit dem Schlagwort: Autobiografie

Venustransit

Der Mann um die Dreissig ist einer, der stark verunsichert ist. So wie immer, wenn es daran geht eine Schwelle zu übertreten. Mit Dreißig ist das so, dann auch wieder mit Vierzig, Fünfzig und so weiter. Frauen brauchen keinen Mut. Nicht zur Bindung, Karriere, Heirat und schon gar nicht zur Mutterschaft. Sie entscheiden oder lassen die Umstände entscheiden. Natürlich geraten auch sie in Krisen und stehen Ängste aus, aber sie kämpfen oder mogeln (Make-Up!) sich da irgendwie durch und verzichten auf jeglichen heroischen Gestus. Der Mann erfand den Mut, weil er im Grunde lebensmüde und -untüchtig ist. Die Ideengeschichte des Mannes, die sich, das darf man in diesem Zusammenhang ausnahmsweise erwähnen, mit der Ideengeschichte der Menschheit weitgehend deckt, ist ein einziges Aufbegehren gegen das Leben. Es bedarf ständiger Innovationen, Reorganisation und Größenphantasien um es zu ertragen. Der Mut also, dieses Gefühl der Größe und des Wahns, ist ein Destillat männlicher Psyche: wenn es schon unmöglich ist, dann aber mit Verve. Ob das nun sympathisch ist oder nicht, zumindest eignet es sich gut als Storytelling-Material. Vermeintlich. …

Fahrradmod

Aufgemotzte Motorroller aus Italien, elegante Maßanzüge mit schmalen Krawatten, Fishtail-Parkas mit Union Jack und Kokarde und über alledem natürlich: Musik, Musik, Musik. Das sind die Mods, die enthusiastischen Anhänger einer in dieser Form nie dagewesenen Jugendbewegung, die in den 1960er-Jahren in Großbritannien aufkommt, lange bevor sich der erste Punk eine Sicherheitsnadel durchs Ohr steckt.

Der Realist 1

Asaf Hanuka ist ein israelischer Künstler, der in Tel Aviv lebt. Er arbeitete unter anderem an dem Oscar-nominierten Animationsfilm Waltz with Bashir mit, außerdem wurden seine Zeichnungen in renommierten Zeitungen bzw. Zeitschriften wie der New York Times, dem Wall Street Journal oder dem Rolling Stone abgedruckt. Nebenbei veröffentlicht Hanuka seit 2010 auf seinem Blog im wöchentlichen Rhythmus autobiographische Comics und Illustrationen. Unter dem Titel Der Realist erzählt er aus seiner subjektiven Sicht vom Leben und Arbeiten in seiner Heimat, aber auch vom ganz normalen Familienwahnsinn.

Meine 80er Jahre – Eine Jugend in Taiwan

Wenn man eine behütete Kindheit in Deutschland hatte, kommt man manchmal auf die schräge Idee, im Rest der Welt sei die Jugend und das Leben härter und chaotischer. Das kommt von den Nachrichtensendungen, die den Fokus auf Krisen richten und den Dokumentationen, deren Schaufenster auf die Welt ebenfalls gerne Dramatisches, zumindest Exotisches zeigen. Da ist es ganz gut, dass aus fremden Ländern auch immer wieder Alltagsgeschichten aus der Mitte der bürgerlichen Mainstreamgesellschaft erscheinen. Das erinnert daran, dass die Menschen im Wesen eben doch alle gleich sind – manchmal so gleich, dass eine nähere Betrachtung fast obsolet ist. Ich habe mit der Lektüre des Buchs Meine 80er Jahre – Eine Jugend in Taiwan bestätigt bekommen, was ich schon immer vermutet hatte – nämlich dass sich weder die Gefühlswelt eines Heranwachsenden in Taiwan groß von der unsrigen unterscheidet, noch dass deren Lebensumfeld groß anders wäre. Hier wie dort gleichermaßen wurden spätestens ab den 80er Jahren auch die ländlichen Gegenden vom Materialismus und der globalen Angleichung der Moden überrollt – und Kinderspielzeug wurde endgültig zum weltweiten Milliardengeschäft. In …

Schattenspringer ² – Per Anhalter durch die Pubertät

Daniela Schreiter ist angekommen. Mit ihrem Debüt Schattenspringer von 2014, einem autobiographischen Comic über ihre Kindheit als Asperger-Autistin, hat es die Berlinerin geschafft, erfolgreich bei Panini zu starten und mehr Menschen klar zu machen, dass Autisten nicht identisch mit fiktiven Figuren wie Raymond Babbitt aus Rain Man und Sheldon Cooper aus The Big Bang Theory , sondern gar nicht so verschieden vom Rest der Welt sind. Nun ist ein zweiter Band erschienen.