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Stille Wasser

Wasser steht für Leben und ist meist in Bewegung. Ähnlich verhält es sich mit der Liebe bzw. mit Liebesbeziehungen. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass die japanische Künstlerin Kan Takahama beides in ihrem Comic miteinander in Verbindung bringt (zumindest in Form eines plakativen Rahmens). Tatsächlich ist ihre Kurzgeschichtensammlung Stille Wasser Ausdruck der Vielfältigkeit menschlicher Beziehungen.

Alle Abbildungen: © Carlsen Comics

Alle Abbildungen: © Carlsen Comics

In insgesamt acht relativ knapp gehaltenen Erzählungen exerziert die Autorin und Zeichnerin, deren deutschsprachiges Debüt dieser Band markiert, viele Facetten eher untypisch verlaufender Lovestories durch: Ein Ehepaar, das sich auf besondere Weise voneinander trennt, ein Mann, der eine Affäre hat oder eine junge Frau, die durch das Geschehen in der Nachbarwohnung erregt wird und ihr Liebesleben überdenkt. Takahama ist bemüht, all diese Geschichten dem Leser möglichst eindringlich näherzubringen. Das wird vor allem am Aufbau der Episoden augenfällig, der bewusst damit spielt, dass man anfangs nicht weiß, in wessen Leben man sich gerade wiederfindet, welchen Beziehungsstatus die gezeigten Figuren gerade besitzen und auf welchen Aspekt, welche Problematik die Erzählung hinauszulaufen versucht. Dazu kommt, dass kurz vor Schluss meist ein nicht zu unterschätzender Plottwist erfolgt, der das zuvor Gezeigte rückblickend noch mal in einem anderen Licht erscheinen lässt.

Inhaltlich aus der Reihe fallen die ersten paar Seiten des Bandes, da diese quasi eine metafiktionale Einführung darstellen, in der ein Comiczeichner gerade an Stille Wasser arbeitet. Auch das ist, wie so einiges an dem Werk, eine nette, aber ausbaufähige Idee, die letztlich etwas halbgar wirkt. Denn das größte Manko der Kurzgeschichten ist, trotz suggerierter thematischer Tiefe (wir erinnern uns an Wasser als Metapher), ihre Oberflächlichkeit. Anders als bei atmosphärisch ähnlich arbeitenden Künstlern wie Jiro Taniguchi oder Inio Asano fühlt man mit den Protagonisten in Kan Takahamas Comic nicht wirklich mit. Zu abrupt sind die Übergänge, zu frühzeitig steuern die Geschichten auf ihr Ende zu und lassen den Leser unbefriedigt zurück. Für einen Comic, der ganz zentral um Liebe, Leidenschaft und Sex kreist, kann er unter dem Strich zu wenig emotionalisieren. Dass sich die Autorin keinen 08/15-Beziehungen gewidmet hat, sondern vielmehr von verstrickten, komplexeren Gefügen berichtet, ist ein interessanter Ansatz. Nur kann dieser Ansatz die vergleichsweise profane Umsetzung nicht wettmachen.

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Für einen japanischen Comic bedient sich Stille Wasser übrigens unkonventioneller grafischer Mittel. Zum einen fällt auf, dass die Schwarzweiß-Bilder komplett schwarz umrandet sind. Ein bemerkenswerter Schritt, der durchaus dazu geeignet ist, eine emotionale Sogwirkung zu entfalten und nach längerer Lesezeit womöglich beim ein oder anderen für depressive Verstimmungen zu sorgen. Bei einer Sammlung von Kurzgeschichten zum Thema Liebe hätte man so ein düsteres Design wohl eher nicht erwartet. Umso bemerkenswerter ist die Entscheidung für den mutigem Rahmen. Takahamas grobe Bleistiftzeichnungen sind hingegen sehr angenehm anzuschauen. Das Artwork weist immer einen etwas verwaschenen, unscharfen Look auf. In Kombination mit den häufig arg skizzenhaften Hintergründen hat das durchaus Charme und zeugt von dem eigenständigen Stil der Japanerin.

Grafisch reizvoller Band, der inhaltliche Tiefe vermissen lässt

Stille Wasser
Carlsen, 2016
Text/Zeichnungen: Kan Takahama
Übersetzung: Yvonne Gerstheimer
240 Seiten, schwarz-weiß, Softcover
Preis: 16,90 Euro
ISBN: 978-3-551-73440-2

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