Bei Punk ist es ja so, da spielen oder schrammeln viele Bands ihre drei bis fünf Akkorde herunter und man würde denken: alles gleich. Ist es aber nicht. Und das kann tausend Gründe haben, die alle mehr oder weniger subjektiv sind: die Stimme des Sängers, Herkunftsstadt der Band, zu viel beziehungsweise zu wenig Melodie, Live-Performance beschissen beziehungsweise großartig etc. etc.
Der Punk-Vergleich bietet sich an, da der Protagonist dieses finnischen Autobio-Comics, Eero, in einer Punkband Schlagzeug spielt. Und um bei diesem Bild zu bleiben: Ähnlich stakkatoartig ist auch sein Erzählfluss. Eine „und dann …“-Dramaturgie mit Storybeats, die man schon aus anderen Coming-of-Age-Geschichten kennt: erste onanistische Erfahrungen, aus Freundschaft wird Liebe, Probleme zuhause, Fragen nach dem Sinn des Lebens und der Liebe; sie werden alle hintereinander gereiht, kurz angespielt, und dann zugunsten des nächsten Beats wieder verworfen. Das muss gar nicht schlecht sein, denn so kommt weder Langeweile noch große Bedeutsamkeit auf, was ja bekanntlich bei Autobiografien nicht gerade selten passiert. Und tatsächlich gibt es Episoden, die gut funktionieren. Wie zum Beispiel das Verhältnis Eenos zu seinem Großvater, der ehemals unter dem Hakenkreuz gedient hat und dessen Kriegstrauma immer noch gelegentlich durchscheint — für mich das Highlight in Blitzkrieg der Liebe. Auch das lediglich angedeutete Alkoholproblem des Vaters hätte noch Potential gehabt. Viel mehr als das bleibt bei mir leider nicht hängen. Was für einen Comic mit über 250 Seiten insgesamt etwas dünn ist.
Zugegeben, viele Seiten bestehen auch nur aus lediglich zwei Panels. Warum das so sein muss, ist mir nicht klar. Der Zeichenstil ist irgendwo zwischen West-Manga à la Bryan Lee O‘ Malley (Scott Pilgrim) und einer simplifizierten Fun-Version von Charles Burns (Black Hole) anzusiedeln. Technisch sauber, aber leider etwas holzschnittartig steif. Es fehlt dem Artwork an Dynamik und sequenzieller Spannung, und durch die wenigen Panels auf jeder Seite stockt der Erzählfluss erst recht. In einem Meer an Coming-of-Age- und Autobio-Comics hat es Petteri Tikkanen zugegebenermaßen nicht ganz leicht, mit seinem Werk aufzufallen. Aber auch wenn Blitzkrieg der Liebe ein paar schöne Momente bietet und die Production Values des Hardcover-Bandes keine Wünsche offen lassen: Weder erzählerisch noch grafisch kommt das Ganze in Fahrt. Das wäre vielleicht noch verzeihlich, wenn da ein Fünkchen mehr Originalität drin stecken würde. Aber so muss ich gestehen: not my kind of punk. Allerdings, wenn die zweite Hälfte eines Graphic-Novel-Debüts deutlich gelungener ist als die erste, und das ist hier der Fall, so kann man annehmen, dass der Künstler sich noch in einem intensiven Entwicklungsprozess befindet. Man darf also auf die zukünftigen Werke von Petteri Tikkanen gespannt sein.
Teilweise charmante Coming-of-Age-Geschichte aus Finnland, die sich zumeist auf ausgetretenen Pfaden bewegt und auch im grafischen Erzählen nicht vollends überzeugen kann
avant-verlag, 2014
Text/Zeichnungen: Petteri Tikkanen
Übersetzung: Elina Kritzokat
262 Seiten, zweifarbig, Hardcover
Preis: 19,95 Euro
ISBN: 978-3945034064
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