Rezensionen
Kommentare 1

Sir Gawain und der Grüne Ritter

Wer sich mit der Artus-Sage auskennt, weiß wie diese Geschichte weitergeht: Nachdem ein grüngekleideter Riese zum Jahreswechsel in Camelot erscheint, fordert er König Artus und seine Ritter dazu auf, ihm einen heftigen Schlag zu versetzen. Wenn der Riese diesen überlebt, gehört der zweite Schlag ihm.

Als sich niemand meldet, verspottet er die Anwesenden und bezeichnet sie als Feiglinge. Wutentbrannt meldet sich der junge Gawain, ein Neffe des Königs, freiwillig und schlägt dem Ritter den Kopf ab. Leider hebt der Schurke das Körperteil wieder auf und verkündet, dass er Gawain innerhalb eines Jahres zur Revanche erwartet. Guter Ritter, der er ist, genießt Gawain das Leben und macht sich wenige Tage vor Ablauf der Frist auf, um rechtzeitig zum Treffpunkt zu gelangen. Es ist ungewiss, ob der junge Recke die Revanche überleben wird.

Sir Gawain und der Grüne Ritter ist eine Adaption der mittelenglischen Ritterromanze Sir Gawain and the Green Knight, eine der ältesten verbliebenen Schriften des Mittelalters. Der Autor ist unbekannt, die Geschichte wurde aber schon in Film und Fernsehen umgesetzt (unter anderem 1984 mit Sean Connery als Grünem Ritter). Den groben Handlungsablauf haben die Macher Walter Pfau (Zeichner) und Christopher Bünte (Autor) beibehalten, aber selten wird ein Werk eins-zu-eins übernommen. Sir Gawain und der grüne Ritter entstand im Mittelalter, zu einer Zeit, in der das Christentum allgegenwärtig war, und der Text behandelte christliche Werte vor dem höfischen Kontext eines fiktiven Artushofs. Religiöse Referenzen auf den Heiland sind in diesem Comic nicht zu finden, sieht man mal von einer Szene mit einem Mönch und einem Kreuz ab. Die Macher stellen stattdessen viel mehr heidnische Aspekte in den Vordergrund, die im Original hauptsächlich durch mystische Wesen verkörpert werden. Auch der ewige Kreislauf von Leben und Tod wird thematisiert.

Das Ensemble von Sir Gawain und der Grüne Ritter, (c) Walter Pfau

Das Ensemble von Sir Gawain und der Grüne Ritter, © Walter Pfau

Das Symbol für beides ist der Grüne Ritter, ein vor Kraft strotzender Mann, der oft und gerne lacht und dessen grüner Bart zu den satten grünen Frühlingswiesen Englands passt. Die Waffe seiner Wahl ist eine Axt; ein Werkzeug, mit dem Bäume gefällt und Menschen getötet, also Leben beendet werden. Doch wird er Gawain den Tod bringen? Der Ritter stellt sich diese Frage die ganze Geschichte über, schließlich ist er ein junger Mann, der sein ganzes Leben noch vor sich hat. Ein Feigling möchte er auch nicht sein, denn aus seiner Sicht ist ein Ritter an sein Ehrenwort gebunden. Der drohende Tod scheint ihm indes auf gewisse Weise auch gutzutun. Zu Beginn besitzt er kein Vertrauen in seine eigenen Fähigkeiten, aber das drohende Treffen mit dem Ritter motiviert ihn dazu, sein Leben noch einmal voll auszuschöpfen und es zu genießen.

Er verfällt jedoch nicht in sinnlosen Hedonismus. Stattdessen versucht er seinen Idealen als Ritter weiterhin zu folgen und wehrt die Avancen einer verheirateten Frau ab. Aber wäre das wirklich so schlimm, vor allem, wenn beide sich so offensichtlich mögen? Es ist den Moralvorstellungen der Leser überlassen, ob sie Gawain für seine Zurückhaltung verspotten wollen oder nicht. Solche Fragen machen die Vorlage Sir Gawain und der Grüne Ritter trotz ihres Alters immer lesenswert. Das teilweise komplizierte Wertesystem des (höfischen) Ritterstandes wird hier auf das Nötigste – Ehrlichkeit und Treue – reduziert, sodass diese Interpretation von Sir Gawain und der Grüne Ritter eine Geschichte über einen jungen Menschen bleibt, der seinen Platz in der Welt noch finden muss. Ein gutes Thema, mit dem sich vor allem auch jüngere Leser identifizieren können.

Die zeichnerischen Highlights des Bandes sind der Grüne Ritter und die Landschaften. Beide sind in dunkle Grüntöne getaucht und vermitteln Lebensfreude und auch die Düsternis der Geschichte. Denn Gawain durchquert nicht nur helle Wiesen, sondern auch dunkle Wälder, die ihm das Leben wie ein dunkles, finsteres Tal erscheinen lassen. Der Grüne Ritter dagegen verwandelt sich auf Grund seiner expressiven Mimik innerhalb weniger Panels von einem lustigen Gesellen in einen brutalen Krieger und bleibt dabei so unberechenbar wie das Leben selbst, in dessen Verlauf nur der Tod wirklich gewiss ist. Sir Gawain und der Grüne Ritter ist eine gelungene Adaption, die es gekonnt schafft, den alten Stoff in die Moderne zu transportieren und trotzdem für sich zu stehen.

Das Album ist als gebundenes Hardcover erhältlich und enthält als Bonus Gastzeichnungen von Künstlern wie Skottie Young, Marvin Clifford und Ingo Römling.

Die Liebe zum Projekt merkt man auch am Blog, auf dem jede Menge Hintergrundinfos zum Comic präsentiert werden. Zudem haben die Künstler diverse Videos produziert und professionell einsprechen lassen (Anm. der Red.: Und zwar von der legendären „Stimme“ des Comic-Salons). Ein Beispiel:

 

Schöne Adaption eines mittelalterlichen Klassikers, die zeigt, dass alte Stoffe immer noch Spaß machen können.

Disclosure: Christopher Bünte hat früher für Comicgate geschrieben, Walter Pfau bereits Comics im Comicgate-Printmagazin veröffentlicht.

8von10Sir Gawain und der Grüne Ritter
Eigenproduktion, 2016
Text: Christopher Bünte
Zeichnungen: Walter Pfau
192 Seiten, vierfarbig, Hardcover
Preis: 22,00 Euro
ISBN: 978-3-000535000
Das Blog zum Comic

1 Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Mit dem Abschicken dieses Formulars erklärst du dich mit unserer Datenschutzerklärung einverstanden.