In diesem Jahr wurde der Todestag des niederländischen Barock-Malers Rembrandt gefeiert – seine Gemälde, Zeichnungen und Radierungen werden auch 350 Jahre nach seinem Ableben allerorts aus- oder vorgestellt. Carlsen hat pünktlich zur Gedenkparty den biografischen Comic Rembrandt von Typex ins Deutsche übertragen lassen.
Rembrandt – wie Madonna, Shakira und Elvis kommt der niederländische Maler mit einem Vornamen aus. 2019 haben diverse Museen mit Ausstellungen zum Jubilar durch das Jahr geführt, allen voran das Rembrandthuis und das Rijksmuseum in Amsterdam, aber auch die Hamburger Kunsthalle, die Pinakothek der Moderne in München, das Denver Art Museum oder der Louvre Abu Dhabi. Ein gutes Jahr für Kunsthistoriker*innen mit Rembrandt-Expertise, auch für Comic-Künstler*innen mit einem Rembrandt-Comic im Portfolio: Der vorliegende Comicband von Typex ist gar nicht neu, sondern bereits 2015 in Frankreich bei Casterman erschienen.
Marijn Schapelhouman, Senior Conservator Zeichnungen im Rijksmuseum, schreibt über Typex: „Fast drei Jahre hat Typex mit Rembrandt gelebt, tagein, tagaus und zu den unmöglichsten Zeiten. Das Ergebnis dieses Identifikationsprozesses ist ein Bildroman von ungeheurer visueller Wucht, in dem der Autor ’seinen‘ Rembrandt skizziert.“ Dies hatte Typex, eigentlich Raymond Koot, auch mit Andy Warhol so gehandhabt. Sein Warhol-Comic Andy – A Factual Fairytale (2018) ist erst nach Rembrandt entstanden, hierzulande aber bereits letztes Jahr erschienen. War Warhol ein selbstgewähltes Thema, handelt es sich bei Rembrandt um eine Auftragsarbeit für das Amsterdamer Rijksmuseum.
In elf Kapiteln marschiert der niederländische Grafiker Typex durch Rembrandts (1606-69) Biografie, mal in großen Sprüngen, mal in kleineren Schritten – und auch in Rück-Schritten. Während wir dem derben, sympathischen Maler auf seinem Weg vom unbekannten zum bankrotten Künstler durch Amsterdam folgen, erleben wir seine wechselhaften Schicksale mit, seine mehr oder weniger gelungenen Beziehungen. Dass die Rolle der Frauen in Rembrandts Leben sich nicht darin erschöpft, als treue Begleiterinnen das Genie anzuhimmeln, zeigt Typex anhand von Hendrickje Stoffels, die zugleich als seine Managerin, so würde man heute sagen, tätig war.
Und ganz nebenbei erhalten wir als Leser auch eine Einführung in die Bildwelt Rembrandts, denn viele der Motive, die er gezeichnet und gemalt hat, werden in dem Comic aufgegriffen, wenngleich oft nicht als Bilder, sondern als Szenen des Alltags.
Die „Nachtwache“ (1642) etwa, sein vielleicht berühmtestes Gemälde, wird auf Seite 28/29 wiedergegeben, als Rembrandt betrunken aus einer Gaststätte geworfen wird, so als würde er die Szene beobachten, anstatt sie zu malen. En Passant wird aus der Lebensbeschreibung eine subtile Werkschau. Wie eng die Szenen sich an der tatsächlichen Biografie bewegen, ist gar nicht so wichtig, aber diese spielerische Verbindung von Werk und Leben, ohne den Anspruch auf Wirklichkeit, ist tatsächlich gelungen.
Rembrandts Biografie war lange Zeit von Mythen und Gerüchten bestimmt, erst mit zunehmender kunsthistorischer Forschung ist das Leben des Künstlers wieder rekonstruiert worden. 2016 hat ein Team aus Informatikern das Projekt „The Next Rembrandt“ vorgestellt – sie hatten eine Software entwickelt, die dank Künstlicher Intelligenz in der Lage war, einen eigenen Rembrandt zu malen, einen echten, aber keinen originalen. Naja, aber wenn schon kein Original, dann ist Typex zumindest menschlicher.
Das Episodenhafte fördert nicht unbedingt die Lesbarkeit der Geschichte, sondern berichtet so akkurat wie pointenlos, was überliefert bzw. plausibel ist. So erfahren wir etwas über die Arbeitsweise in einer frühneuzeitlichen Künstlerwerkstatt, aber die Person Rembrandt bleibt ein ganzes Stückweit fremd – das klingt unbefriedigend, ist aber doch viel realistischer: Wer kann schon behaupten, einen Künstler des Frühmittelalters wirklich zu kennen. Typex verzichtet darauf, den Ereignissen einen trivialen Plot zu hinterlegen: eine Auf- oder Abstiegsgeschichte, ein Liebesdrama, eine Tragödie. Das macht die Biografie redlich, aber auch weniger fesselnd.
Carlsen hat sich Mühe gegeben, das Geburtstagspräsent entsprechend einzupacken: Mit Lederoptik, Bauchbinde und Goldschnitt könnte der Comic kaum opulenter daherkommen. Entsprechend hoch ist der Ladenpreis: 48 Euro. Immer noch ein Klacks: Das Porträt Ältere Dame mit einer Haube (1632) wurde 2000 in London für 28,7 Millionen Dollar versteigert. Ein Schnäppchen also.
Happy Birthday, Rembrandt!
Carlsen, 2019
Text und Zeichnungen: Typex
Übersetzung:
264 Seiten, Farbe, Hardcover
Preis: 48,00 Euro
ISBN: 978-3-551-02295-0
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