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Caravaggio 1 – Mit Pinsel und Schwert

Eine Comicbiographie eines Malers? Das dürfte für die meisten potenziellen Leser eher abschreckend wirken. Man könnte denken, dass Biographien von Malern oder auch Schriftstellern wenig ergiebig wären, da sie immer nur an der Staffelei oder am Schreibtisch sitzen und nur wenig erleben. Aber auch diese Künstler brauchen ihre Anregungen, die sie sich von außen, aus dem Leben, holen. Zudem gibt es immer auch Ausnahmen. Bei den Schriftstellern ist das etwa Ernest Hemingway und bei den Malern eindeutig Caravaggio.

© Panini Comics

Michelangelo Merisi (1571-1610), genannt Caravaggio (nach seinem Herkunftsort), war nicht nur revolutionär in seiner Kunst, sondern auch mit seinem Lebenswandel ein Skandalon zu seiner Zeit. Heutzutage würde man Caravaggio glatt als Promi bezeichnen, der ebenso oft in Boulevardblättern zu finden wäre wie in aufsehenerregenden Ausstellungen. Seine Exzesse schmälern dabei nicht seine künstlerische Leistung. Caravaggio war ein leidenschaftlicher Mann mit einem aufbrausenden Temperament. So saß er immer wieder im Gefängnis wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses und Schlägereien. Ja, er beging sogar einen Mord und musste schwer verletzt aus Rom fliehen. Seine Ausschweifungen blieben nicht ohne Folgen und der Maler starb früh mit gerade einmal 39 Jahren.

Wer wäre geeigneter, einen solch leidenschaftlichen Mann, der die Frauen und die Geselligkeit liebte und mit den gängigen Regeln brach, in einer Comicbiografie zu portraitieren als Milo Manara? Auch er eckte immer wieder an, vor allem mit seinen erotischen Bildern, die manchmal auch in Richtung Pornographie gingen, und kümmerte sich nicht sonderlich um gängige Grenzen des Darstellbaren. Manara ist vielleicht nicht so exzessiv wie sein Vorgänger, aber bestimmt nicht weniger leidenschaftlich. Zudem liegt es Manara, Sittenbilder zu entwerfen. Das kam nicht nur in Ein indianischer Sommer mit Hugo Pratt zum Tragen, sondern vor allem auch in Borgia mit Alejandro Jodorowsky. In Caravaggio kann er wieder schöne Frauen zeichnen und Reminiszenzen an die Kunstgeschichte unterbringen, die auch Kenner entzücken dürften, welche die Anspielungen finden und verstehen. Vor allem die Stadtansichten sind herausragend: Alles wirkt verfallen, bröselig, kurz vor dem Zusammenbruch und ist doch wunderschön mit seinem morbiden Charme. Die Bauten spiegeln die Dekadenz und Heuchelei der Zeit und der Figuren wieder. Alles ist im Aufbruch, das Althergebrachte ist einer zunehmenden Erosion ausgesetzt – nicht nur in der Kunst, sondern auch gesamtgesellschaftlich. So wird hier kurz die Verbrennung von Giordano Bruno thematisiert, das offiziell letzte Opfer der Inquisition. Lange konnte die Kirche sich nicht mehr gegen die Erkenntnisse der Naturwissenschaften und neue Ideen stellen.

© Panini Comics

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Allerdings arbeitet Manara nicht immer klar heraus, was nun genau das Revolutionäre an Caravaggios Malerei war. Auch sein Werdegang bleibt etwas im Dunkeln. Der Comic setzt mit der Ankunft Caravaggios in Rom ein und beschränkt sich im ersten Band auf diese Phase. Von der Kindheit und eventuellen Prägungen und Einflüssen auf seinen Charakter und auf seine Malerei erfährt man hier nichts. In Rom macht der Maler sehr bald schon von sich reden und gewinnt mit einem Kardinal einen reichen und mächtigen Gönner, der ihn schützt und bezahlt. Doch Caravaggios Temperament kommt ihm immer wieder in die Quere.

Die Skandale kommen natürlich zur Sprache, aber die allein reichen nicht, um einen Maler unsterblich werden zu lassen. Zum einen wären da etwa der Naturalismus, mit dem Caravaggio vorgegangen ist (so richtete er in seinem Atelier regelrechte Sets ein), zum anderen die Farbgebung. Seine Hintergründe waren entgegen der Tradition tiefschwarz gehalten. Umso mehr kommen dann die Figuren zur Geltung, sie brechen quasi aus der Finsternis heraus und haben so eine enorme Wirkung auf den Betrachter. Seine Modelle kamen von der Straße und es war skandalös, dass seine weiblichen Modelle, auch für Heilige, oft Prostituierte waren. Generell hat es Manara manchmal etwas zu eilig. Neben einigen wundervoll gelungenen Szenen rast er teilweise durch die Stationen von Caravaggios Leben und deckt mit diesem ersten Band schon die ganze wichtige Schaffensphase des Malers ab. Auch wenn man manches gerne etwas ausführlicher gesehen hätte und einige Charakterisierungen auch sehr oberflächlich sind, ist dieser Bio-Comic doch ein faszinierendes Werk, was vor allem den Zeichnungen geschuldet ist.

Gelungenes und schönes Sittenportrait, das dem Leser sein eigentliches Thema aber nicht näher bringt.

7von10Caravaggio 1 – Mit Pinsel und Schwert
Panini Comics, 2015
Text und Zeichnungen: Milo Manara
Übersetzung: Michael Bregel
64 Seiten, farbig, Hardcover
Preis:16,99 Euro
ISBN: 978-3-95798-386-2
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