In every generation there is a slayer … Nein, im Folgenden geht es nicht um Joss Whedons Buffy the Vampire Slayer, eine der wohl interessantesten Comic-Verfilmungen ohne Vorlage. Jason Aaron hat für seine eigenwillige Punisher-Interpretation aber durchaus sehr in die Trickkiste der Buffy/Angel-Kreativen gegriffen.
Jason Aaron hat den Punisher für seine finale Maxiserie radikal umgekrempelt. Der Punisher ist jetzt der Slayer der „Hand“, einer Sekte von Ninja-Assassinen, die man bereits aus Frank Millers Daredevil-Stories der 1980er kennt. Die Hand hat die Gabe, Tote zu reanimieren, und die Hohepriesterin der Assassine bietet Frank Castle an, seine Familie zurückzubringen, wenn er seine Rolle als Masterslayer und Anführer der Hand akzeptiert, schließlich ist er „the finest murderer who has ever lived“: Frank Castle sei die lebende Inkarnation des Tiers, „the beast’s red messiah“, stets aufs Neue wiedergeboren, um auf ewig weiter zu töten.
Ganz schön viel Fantasy-Ballast, aber es kommt noch heftiger: Der Kriegsgott Ares, dessen Anhänger jeden Krieg maximal eskalieren und an Kriegsparteien aller Seiten Superwaffen verkaufen, liegt im Clinch mit der Hand und versteht nicht, weshalb Frank Castle für die Assassine arbeitet und nicht für Ares – denn war es nicht sein Hoheitsgebiet, der Krieg, das den Punisher hervorgebracht hat?
Noch ärger als bei Garth Ennis ist Frank Castle hier bei Aaron eben schon immer ein „natural born killer“. Bereits in seiner Kindheit, so erzählt uns Aaron, war seine Version von Castle grundlos aggressiv, ein Horrorkind, das Lehrern wie Psychologen Angst einjagt und die Kunst des Tötens schon im Kopf durchdekliniert hatte, bevor er mit zehn Jahren zum ersten Mal einen bösen Menschen vom Dach seines Wohnblocks erschießt. Einmal mehr übt sich Jason Aaron darin, die grundliegenden Überzeugungen der Zivilisation gegen den Strich zu bürsten und die ohnehin schlimme Prämisse der Punisher-Comics, Selbstjustiz sei zu rechtfertigen, noch weit zu überdehnen. In seinem Punisher-Max-Run von 2010 bis 2012 bestand die Pointe darin, dass Gerechtigkeit nur dann gedeihen könne, wenn sich die Wutbürger selbst am Vorbild des Punishers das Gesetz zurückholen. Diesmal erzählt er uns die Story vom minderjährigen Waffenkind, stets an der Schwelle zum School-Shooter, der mit der Waffe zum Held wird. Immerhin eröffnet Aaron seinem Punisher für einen kurzen Zeitraum das Potenzial eines normalen Lebens, bevor er diese Tür umso brutaler für immer schließt.
Man spürt, welchen Kitzel es Aaron bereiten muss, solche Ambivalenzen auszuloten und dabei gerne auch mal richtig zynisch zu werden. Gerade bei den zahlreichen Rückblenden in die frühen Jahre Frank Castles bedient er sich einer Erzählhaltung, die stark den Geist der 70er atmet. Filme von Michael Cimino, Martin Scorsese und dem frühen Sylvester Stallone sind hier nicht weit weg, auch wenn es sich hier, Hochglanzpapier hin oder her, deutlich um eine Pulp-Anverwandlung der großen Stoffe handelt. Eingerahmt werden diese, von Paul Azaceta atmosphärisch-kantig dargestellten Rückblenden von einer deutlich fantasylastigen Haupterzählung, die auch grafisch nie die Gefahr einer Verwechslung mit den Rückblenden befürchten lässt. Die große Klammer, die Haupt- und Binnenerzählung zusammenhält, ist, dass die Hohepriesterin der Hand den jungen Frank Castle bereits als Kind unter Beobachtung hatte. Denn: Die Macht groß im jungen Castle ist!
Auch wenn es zunächst schwer fällt, die Verwandlung von Frank Castle in einen schwertschwingenden Ninja zu akzeptieren, entfaltet Jason Aarons Plot, je tiefer man eintaucht, eine enorme Faszination. Im Gegensatz zu Ennis‘ karger Ultra-Realität dominiert hier Traumlogik, die man erst zu akzeptieren lernen muss. Frank Castles Übertritt in einen neuen Raum, in dem ihm die Werkzeuge gegeben werden, seinen Weg zu beenden und sein Leben zu korrigieren, ist, wie bereits erwähnt, symbolisch dick aufgetragen und mythologisch überhöht, doch am Ende spitzt Aaron die extravagante Story geschickt auf eine Pointe zu, die a) unerwartet kommt und b) diesmal tatsächlich überzeugend und belastbar ist, anders als die zynisch-ironische Pointe seine Max-Runs von 2012. Aaron beendet die Story auf eine würdige Weise, wie es bei Ennis‘ offenem Konzept völlig unpassend gewesen wäre, und beweist, dass er der sich selbst gestellten epischen Aufgabe gewachsen ist.
Wie viele Kultfiguren will Jason Aaron mit seiner sehr charakteristischen Erzählweise eigentlich noch zum definitiven Ende verhelfen? Er hat ja selbst den Punisher bereits in zwei Varianten episch bis zum Tod der Figur erzählt, und auch bei Conan hat er sich schon herausgenommen, das letzte Wort zu haben. Da muss der große Bärtige schon aufpassen, dass das nicht zu Gewohnheit und Formel wird.
Jason Aaron trägt dick mit Symbolik und mythischer Überhöhung auf, aber am Ende löst er alle Versprechen ein.
Eine deutsche Version von Panini liegt vor!
Marvel (USA), 2022/23
Text: Jason Aaron
Zeichnungen: Jesus Saiz, Paul Azaceta
12 US-Hefte in Farbe
Preis: 4,99 bis 5,99 $
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