Erich von Däniken war in den 1980er Jahren ein echter Pop-Star, Bestsellerautor und Fernsehikone – heute scheint es unvorstellbar, dass den pseudowissenschaftlichen Thesen des Schweizer Hobbyforschers sogar ein eigener Comic gewidmet wurde: Die Götter aus dem All.
Der Planet Des steht kurz vor dem Kollaps, als die hochentwickelte Zivilisation beschließt, sich auf die Suche nach einer neuen Heimat zu machen. Die Regierung entsendet eine Expedition unter der Leitung von Ais und ihren beiden Stellvertretern Chat und Rub sowie des leitenden Wissenschaftlers Zan. Die Crew soll den „Blauen Planeten“ auskundschaften, um herauszufinden, ob dieser eine geeignete Wohnstätte für die Bevölkerung von Des sein könnte.
Zunächst landen sie in den Anden und treffen auf Menschen, die sie neugierig untersuchen, um zu erfahren, auf welchem zivilisatorischen Stand diese sind. Wie sie aber mit ihnen umgehen sollen, darüber besteht zunächst wenig Einigkeit. Wir sehen einige der berühmten peruanischen Geoglyphen der Nacza-Kultur, die Erich von Däniken mit viel Phantasie als Start- und Landebahn für Raumschiffe interpretiert hat. Und in dieser Funktion sehen wir die in den Boden gescharrten Zeichen natürlich im Comic.
Natürlich läuft nicht alles nach Plan, und als der Wissenschaftler Satham seine eigenen Machtpläne in die Tat umzusetzen versucht und Ais gefangennimmt, gerät die Hierarchie ins Wanken. Er stellt ihr die monströsen Kreaturen vor, die er geschaffen hat und auf dem Planeten ansiedeln möchte – ein wenig exotistisches Leo-Feeling ist in diesen Szenen zu spüren.
Kaum haben die friedlichen Aliens diese Gefahr abgewendet, landen Insektoiden auf der frühzeitlichen Erde und drohen damit, die Rohstoffe der Erde ausbeuten zu wollen, und zwar allein für sich. Es kommt zu einem Showdown auf der Mondoberfläche, wo die Insektoiden ihre Basis errichtet haben. Wer darin Übereinstimmungen mit den absurden Mondarchitektur-Thesen des Autors Richard Hoagland der 1990er Jahre sieht, sollte nicht vorschnell an Zeitreisen zu glauben beginnen, denn diese Phantasie, auf anderen Himmelskörpern Architektur zu erahnen, ist älter als Hoagland oder Däniken. 1877 glaubte der italienische Astronom Giovanni Schiapirelli, auf der Marsoberfläche künstliche Strukturen zu erkennen, die so genannten „Mars-Kanäle“. 1976 sorgte eine Fotografie der Raumsponde Viking 1 für Aufsehen, weil sie einen Felsen auf der Marsoberfläche zeigte, der wie ein menschliches Gesicht aussieht – eine optische Täuschung, wie sich später herausstellte. Für Erich von Däniken und Götter aus dem All aber natürlich unglaublich passend.
Vor einem halben Jahr sorgte die archäologische Netflix-Serie Ancient Apocalypse für Aufruhr. Nicht etwa wegen Gewaltszenen, schlechter Witze oder Rassismus, sondern weil die Serie auf dem Balanceakt zwischen Unterhaltung und seriöser Wissensvermittlung zu sehr ins Schwanken geraten ist. Die Serie wird von dem britischen Journalisten Graham Hancock moderiert, der auf der Suche nach untergegangenen Hochkulturen der frühen Menschheitsgeschichte ist. Mit diesem Interesse besucht er frühgeschichtliche Ruinen rund um den Globus und sieht Zusammenhänge, wo Wissenschaftler*innen keine sehen. Viele seiner Thesen werden von seriösen Archäolog*innen als Humbug bezeichnet, und Hancock behauptet, er stelle halt nur Fragen. Das ist die rhetorische Technik, mit der auch Erich von Däniken in seinen Büchern und Fernsehsendungen beim Publikum zu punkten versucht: „Ich möchte Fragen stellen. Oft Fragen hinter den Fragen. Und ich möchte Sie mitnehmen in dieses herrliche Land der Fragezeichen.“ (hier auf Youtube).
Mit seinen Sachbüchern (Erinnerungen an die Zukunft, 1968, Zurück zu den Sternen, 1969 und viele weitere) und TV-Formaten hat Erich von Däniken in den 1970er und 1980er Jahren riesige Erfolge gefeiert. Zentrale These Dänikens ist, dass die Menschheitsgeschichte von Besucher*innen aus dem Weltall beeinflusst worden ist (Die Götter waren Astronauten) So erklärt er sich die Hinweise auf Götter und den Himmel als Ort der Götter in verschiedenen Kulturkreisen – und daran knüpft die Comic-Serie direkt an.
Einerseits ist es ihm damit gelungen, seine Leser*innen und Zuschauer*innen neugierig zu machen. Wie ein schweizer Indiana Jones hat er Kinder und Jugendliche für Archäologie begeistert. Allerdings ist zu hoffen, dass Erich von Däniken ihnen nur das leidenschaftliche Interesse weitergegeben hat und nicht die platte Argumentationsstrategie. Graham Hancock tritt in Erich von Dänikens Fußstapfen und besucht die gleichen Stätten wie sein Vorbild. Sein Versuch, diverse archäologische Funde rund um den Erdball als Belege einer frühzeitlichen, bislang verborgenen Hochkultur zu interpretieren, hält keiner noch so flüchtigen Recherche stand.
Die kritische Rezeption der Serie Ancient Apocalypse („Die gefährlichste Serie bei Netflix“) zeigt, dass Dänikens Erfolg heute wohl nicht mehr möglich wäre. Erich von Däniken gehört ebenso wie Akte X zum alten Eisen.
Die Comics sind ebenso wie Dänikens Phantasien nicht allzu gut gealtert. Die Zeichnungen von Boguslaw Polch werden immerhin ab dem zweiten Album etwas detailreicher und mit mehr Variation in Szene gesetzt, so dass man die Figuren halbwegs auseinanderhalten kann. Im ersten Band ist dies fast nur durch die Tick-Trick-und-Track-Kolorierung möglich. Durch die futuristischen Alien-Siedler, die in ein Abenteuer nach dem anderen verstrickt werden, kommt letztlich ein wenig Flash-Gordon-Feeling auf. Die Story von Arnold Mostowicz und Alfred Gorny ist frei von den beengenden Zwängen der Handlungslogik, und man muss davon ausgehen, dass sie mit sehr flüchtigen Leser*innen gerechnet haben. Viele Elemente machen wenig Sinn.
Der erste Band dieser Gesamtausgabe umfasst die ersten vier von insgesamt acht Alben, die ursprünglich zwischen 1978 und 1983 bei Bastei erschienen. Die Ausgabe wurde neu koloriert, von Mark O. Fischer neu übersetzt (vermutlich aus dem Polnischen, wobei zu hinterfragen ist, warum es eine Neuübersetzung gibt, da die Originalausgabe auf Deutsch erschien), und auch die Platzierung der Sprechblasen entspricht nicht den Bastei-Ausgaben. Die Figurennamen und Ortsbezeichnungen sind auch etwas anders, so heißt der Ursprungsplanet nun Des anstatt Delos wie in der Bastei-Ausgabe. Schade ist, dass die Däniken-Werbetexte nicht enthalten sind – die wirken inzwischen natürlich aus der Zeit gefallen, sind aber gerade deshalb interessant.
Auch die langen Einführungstexte der Originalausgabe zu Beginn der Alben sind nicht mehr enthalten, was im Falle des zweiten Album bedauerlich ist, weil der Atlantis-Bezug nicht mehr so deutlich herauskommt. Überhaupt sind die Bearbeitungen der Texte so massiv, dass man sich fragen muss, wie die beiden Ausgaben sich zum Original verhalten. Ein Vorwort zu dieser Neuausgabe oder Anmerkungen des Herausgebers wären an dieser Stelle wünschenswert gewesen.
Wer sich nicht an den steifen Zeichnungen vor allem des ersten Bandes und der löchrigen Handlung stört, dafür aber ein ausgeprägtes Interesse an polnischer Science-Fiction der 1970er und 1980er Jahre hat, kann zugreifen. Der zweite und abschließende Band der Gesamtausgabe ist für Juli 2023 angekündigt.
Däniken wird nächstes Jahr 89 Jahre alt.
Däniken reloaded
SR Verlag, 2022
Text und Zeichnungen: Arnold Mostowicz, Alfred Gorny, Boguslaw Polch
Übersetzung: Mark O. Fischer
200 Seiten, Farbe, Hardcover
Preis: 40,00 Euro
ISBN: 978-3947800254