Wenn es dieser Tage einen Autor gibt, der prädestiniert dafür scheint, Conan-Comics zu schreiben, dann ist das Jason Aaron. Schon in seinem Debut-Comic The Other Side hat er sein Interesse an Kriegsstoffen offenbart, danach, in seiner Noir-Serie Scalped war die Grenze zwischen Zivilisation und Barbarei stets nur so dünn wie ein Skalp ohne Haare.
Anders als sein Vorbild Garth Ennis ist Aaron aber auch ein echter Nerd. Das hat er unter anderem in seinen Star-Wars-Geschichten zeigen können, die er für all die Star-Wars-Fans geschrieben zu haben scheint, die immer noch damit hadern, dass das Star-Wars-Universum nicht mehr so ist wie in der Goldenen Ära 1977 bis 1983. Kein Frage also, dass sich Jason Aaron in Robert E. Howards Universum bewegen würde wie ein Fisch im Wasser.
Aarons zwölf Conan-Hefte mit dem programmatischen Titel The Life and Death of Conan sind ambitioniert. Bereits im dritten Heft zeigt sich deutlich, dass Aaron nicht lediglich neue Abenteuer erzählen, sondern die Figur mythisch überhöhen möchte: Es beginnt, als aufgebrachte Minenarbeiter Conan, den Dieb, der ihr Gold stehlen wollte, an ihrem Galgenbaum aufknüpfen wollen. Der alte Baum jedoch, Zeuge unzähliger Hinrichtungen, bricht unter dem massiven Gewicht des großen Cimmeriers zusammen.
Als Conan einige Tage später erneut zum Richtplatz gebracht wird, diesmal soll er geköpft werden, sagt er zu seinem Henker völlig unmotiviert: „You swing that axe, you die“. Derweil braut sich ein Unwetter zusammen, und als der Henker die Axt hebt, zuckt ein Blitz und erschlägt den Henker vor den ungläubigen Augen zahlreicher Augenzeugen. Keiner wagt nun mehr, den Cimmerier anzurühren, und seitdem erzählt man hinter vorgehaltener Hand von dieser göttlichen Intervention. Oder war es doch nur Zufall? Jason Aaron hält die Geschichte ambivalent und lässt geschickt in der Schwebe, ob es sich bei dieser – als Rückblende erzählte – Geschichte um eine kanonische Conan-Erzählung, eine Anekdote, eine Legende oder gar schon um den Mythos Conan handelt.
In jedem Heft wirft Aaron ein Schlaglicht auf einen ausgewählten Lebensabschnitt des Barbaren und erzählt eine poiniterte, in sich abgeschlossene Geschichte, lediglich zusammengehalten durch die erzählerische Klammer, dass diese Revue von Conan-Anekdoten offensichtlich zum Zeitpunkt seines Todes erzählt wird: Im ersten Heft werden ihm von zwei Kindern, die ihre Mutter, die Crimson Witch, rächen wollen, zwei Messer in den Rücken gestoßen, entsprechend ziehen nun die wichtigsten Stationen seines Lebens noch einmal vor seinem sterbenden Auge vorbei, bis Conan dann in finaler Auflehnung gegen den Tod sogar Crom besiegt und sich ins Leben zurückkämpft.
Auch wenn die Rahmenerzählung in den ersten Heften etwas zu lang geraten ist (Conans Todeskampf zog sich für Abonnenten der Reihe über zehn Monate hin), die Geschichten, die Aaron uns auftischt, sind von erfrischender Originalität, immer im Geiste Robert E. Howards, aber mit einem kleinen, originellen Twist, der die charakteristische Handschrift Jason Aarons trägt.
Sehr beeindruckend dabei ist die Geschichte aus Conans Lebensabschnitt als König von Aquilonien, als Conan sich auf seinem Thron so langweilt, dass er mit bloßen Händen gegen einen Löwen kämpfen will, der sich jedoch dem Hünen unterwirft. Um die tödliche Langeweile abzuschütteln, stürzt sich der König deshalb ins aquilonische Nachtleben und mischt mit Totenkopfmaske die Unterwelt auf.
Nach sechs bis sieben äußerst abwechslungsreichen dieser Miniaturen schleicht sich zwischenzeitlich etwas Monotonie ins Spiel und vor allem, als die Origin-Story der bösen Kinder erzählt wird, tritt die Story auf der Stelle; das entspricht einfach zu sehr den modernen Erzählgewohnheiten, dass auch Nebenfiguren und Antagonisten diferenziert durchleuchtet werden und deren Motive auf Biegen und Brechen plausibel werden müssen. Indes, die Vergangenheit dieser eindimensionalen Bösewichter hätte man getrost der Vorstellung der Leser überlassen können. Sie streckt die Geschichte unnötig, bis sie sich dann auf gewohnte Weise im spektakulären Monsterkampf entlädt. Interessant im letzten Viertel der Geschichte ist immerhin ein Detail: Conan besiegt zuletzt nicht nur seinen Gott Crom und kehrt ins Leben zurück, er siegt auch über das von Jason Aaron vorgegebene Motto „The Life and Death of Conan“. Deutlicher kann man die übersprudelnde Lebensenergie des Cimmeriers nicht in Szene setzen. Fucking clever, Mr Aaron.
Der Zeichner Mahmud Asrar zeichnet diese Abenteuergeschichten mit klarer, sehr dynamischer Linie, besondere Erwähnung benötigt aber Kolorist Matthew Wilson, dem nicht der Fehler vieler Koloristen unterläuft, dass die Hell-Dunkel-Kontraste der getuschten Zeichnungen durch dunkle Farben bis zur Nichtexistenz nivelliert werden. Matthew Wilsons Farben leuchten je nach Szenerie in immer neuen Paletten und verleihen den Zeichnungen noch zusätzliche Kraft, was im amerikanischen Mainstream-Comic leider nicht selbstverständlich ist.
Jason Aaron erzählt ambitioniert und gewinnt
Jason Aaron, Mahmud Asrar und Gerardo Zaffino haben ordentlich Fußstapfen vorgelegt für ihre ganzjährige Auftakterzählung des neuen Conan. Aber auch der Nachfolgeautor Jim Zub und eine Gruppe sich abwechselnder Künstler liefern beachtliche Arbeit.
Im folgenden Vierteiler (Heft 13 bis 16) wirft uns Jim Zub mit Conan in ein Labyrinth des Todes, in das ausgewählte Krieger zu Ehren einer Gottheit geworfen werden, dort erwirbt Conan ein verhextes Schwert, das ihm zwischenzeitlich seinen bösen Willen aufzwingt (Heft 17 bis 18), und schlussendlich führt ihn die Geschichte in ein fernöstliches Land (Heft 19 bis 23), in dem Conan gezwungen ist, sich den örtlichen Gepflogenheiten anzupassen und – schwer zu fassen – vor dem Herrscher zu knien. Die inneren Konflikte und nahezu körperlichen Schmerzen, die ihm solche Gesten verursachen, sind mit Witz und doch auch viel Gespür für die Figur erzählt.
Jim Zub führt uns erzählerisch versiert durch gleich mehrere Topoi der Sword-and-Sorcery-Fantasy, am besten aber gelingen die Dialogpassagen, in denen deutlich wird, wie grundlegend er Robert E. Howards Barbaren durchdrungen hat. Jede charakterliche Entwicklung ist plausibel und man folgt als eingefleischter Conan-Fan gerne den neuen Pfaden, die Zub für uns beschreitet. Auch auf grafischer Seite wirken die Geschichten nie übereilt oder gerafft, sondern mit gutem Gespür für Timing. Kampfszenen sind mit großer Dynamik und Dialoge mit kreativer Bildführung stets gut erzählt. Sogar für liebevolle Eastereggs findet sich Raum: In Heft 22 finden sich gleich zwei Panels mit Fußnoten, die auf vorangegangene Hefte verweisen, ganz wie in den Marvel-Heften der 1970er je mit einem augenzwinkernden Hinweis des Herausgebers. Da darf Comic mal wieder richtig Comic sein und imitiert nicht nur Film.
Conan-Comics waren lange nicht mehr so unterhaltsam.
Eine deutsche Version der Serie ist bei Panini erschienen. Der Abschlussband erscheint im Dezember 2021.
Marvel, 2019–21
Texte: Jason Aaron und Jim Zub
Zeichnungen: Mahmud Asrar, Gerardo Zaffino, Roge Antonio, Robert Gill, Luca Pizzari, Cory Smith
Heftchen in Farbe
Preis: 3,99$ (Heft 1: 4,99$)
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