Die Capricorn-Gesamtausgabe ist nahezu vollendet: Der sechste Band der großartigen Serie von Andreas liegt bei Schreiber & Leser bereits vor, der Abschluss folgt im Herbst.
Die komplexe Fantasyserie um den Astrologen Capricorn, seine Helfer Astor, Ash Grey und Fay O’Mara sowie seine in dubiosen Geheimorganisationen verstrickten Gegenspieler und andere mystische Gestalten nähert sich ihrer Vollendung. In Frankreich sind die zwanzig Alben von 1997 bis 2017 erschienen, in Deutschland wird die Geschichte seit 2016 bei Schreiber & Leser erstmals vollständig zugänglich gemacht. Der vorliegende sechste Band der auf sieben Teile konzipierten Gesamtausgabe umfasst die drei Alben „New York“, „Nahaufnahmen“ und „Die Reiter der Apokalypse“.
In „New York“ versuchen Ash und der dubiose Passenger, dessen Pläne nach wie vor rätselhaft bleiben, nicht zu sterben und müssen dafür einiges Blut fließen lassen. Währenddessen suchen Capricorn und Astor nach einer Idee, wie sie das so seltsam verschobene New York wieder komplettieren können: Den Wolkenkratzern fehlen plötzlich einige Stockwerke, als hätte ein hungriger Riese mit einem Obstmesser den „Big Apple“ in Stücke geschnitten: New York sei „verrückt“, so Cap. In einer Allianz mit der übersinnlichen Macht Dahmaloch und dem noch mysteriöseren Wattmanworm gelingt es ihnen – wenn auch nicht ganz.
Andreas hat fast jedes Album auf eine ganz individuelle Weise erzählt: Durchgehend in Spread Panels oder ganzseitigen Split-Panel-Collagen oder auch völlig stumm. In „New York“ erzählt er mehrere Handlungen parallel, denn in farbig unterlegten Textboxen folgen wir neben der beschriebenen Handlung einem Gespräch zwischen Drake, Sippenhaft und Growth, das an einem anderen Ort stattfindet.
In „Nahaufnahmen“ wird die Zahl der Interessensparteien um Macht, Geld und Beziehungen noch etwas erweitert: Rhinestone, Kapitän Durham, der Mann mit den tätowierten Händen mischen (wieder) mit und erläutern in Zweier- oder Dreiergesprächen die Optionen, die sie haben, um einander Knüppel zwischen die Beine zu werfen.
Entsprechend dem Titel des Albums ist die Einstellungsgröße markant: Sämtliche Panels sind Nahaufnahmen und präsentieren das Geschehen nur ausschnittweise. Das Ganze bleibt uns, auch erzählerisch, verborgen, und wir sehen alles nur wie durch einen Schleier, der mehr verbirgt als er durchlässt.
In „Die Reiter der Apokalypse“ kehrt der totgeglaubte Ira Zeus, Leiter der Bruderschaft der Mentoren, zurück und trifft auf Astor, Fay O’Mara und Ron Dominic, der nun Caps Stellvertreter ist. Währenddessen reisen Ash Grey und der alte Cap auf einem Schiff über den Atlantik. Der Kapitän stellt sich als Dahmaloch heraus und kehrt in die unterseeische Stadt zurück, die Tauer in der Tiefsee entdecken. Während Passenger und Ash sich streiten, versucht Ron Dominic, der neue Capricorn, die Reiter der Apokalypse aufzuhalten.
Dieser Band knüpft so viele Fäden zusammen, die in den vorigen 17 Alben begonnen wurden, und endet so verwirrend, dass es kaum auffällt, dass Andreas hier nicht chronologisch erzählt, was die Lektüre zusätzlich erschwert.
Die Geschichte bleibt ungemein anspruchsvoll, und man kommt nicht umhin, die alten Alben wieder und wieder zur Hand zu nehmen, um Details nachzuvollziehen und Figurenkonstellationen zu verstehen. Andreas ist ein begnadeter Zeichner und ein unglaublicher Erzähler. Keine einfache Lektüre, aber eine lohnende. Der Abschlussband erscheint im September bei Schreiber & Leser.
Erzählexperimente á la Andreas
Schreiber & Leser, 2019
Text und Zeichnungen: Andreas
Übersetzung: Resel Rebiersch
144 Seiten, Farbe, Hardcover
Preis: 29,80 Euro
ISBN: 978-3946337591
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