Rezensionen
Schreibe einen Kommentar

Batman Odyssee

Neal Adams‘ Batman-Miniserie von 2010-12 wird unter Fans oft als die schlechteste Batman-Story aller Zeiten gescholten. Ist die nun bei Panini neu aufgelegte Odyssee wirklich so grauenhaft oder tatsächlich ein verkanntes Meisterwerk des Zeichengenies?

Panini hatte die von Neal Adams in den 1960ern und 1970ern gezeichneten Batman-Stories im vergangenen Jahr in drei Sammelbänden publiziert. Nicht in jener Ausgabe enthalten war die erst ab 2010 entstandene monumentale Batman Odyssee, deren Umfang von mehr als 300 Seiten völlig plausibel macht, dass sie eines eigenen Bandes bedarf. Vorweg: Batman Odyssee ist nicht ganz einfach.

An einer Zusammenfassung der Handlung von Odyssee zu scheitern, ist keine Schande, es ist geradezu das Charakteristikum von Odyssee, sich einer kohärenten Zusammenfassung entgegenzustemmen.

Batman und Robin werden in einen Familienzwist zwischen Ra’s al Ghul und seinem Sohn Sensei hineingezogen. Letzterer ist beleidigt, nicht zu den Lazarus-Gruben vorgelassen zu werden, ersterer fürchtet die Rache des zurückgewiesenen Sohnes. Soweit, so gut, aber leider nicht gut genug, denn abgesehen von diversen Nebenhandlungen und einem Best-of-Batman-Supervillains gilt in diesem Comic: Nichts ist jemals, wie es scheint. Der Riddler (ja, der kommt auch vor) stellt sich als ein Riddler-Imitator heraus. Die gefesselte Talia al Ghul (ja, die kommt auch vor) ist gar nicht Talia, wie Batman plötzlich anhand ihrer Stimme feststellt. Man-Bat ist nicht Man-Bat (ja, der kommt auch vor), zumindest nicht immer. Und neben Batman und den Man-Bats gibt es auch noch den Hohlerden-Neandertaler-Bat-Man inklusive Dinosaurier-Sidekick im Robin-Outfit. Auch der Joker hat einen Auftritt bzw. mehrere Joker, die zeitweise von Deadman (ja, der kommt auch vor) bewohnt werden.

Alle Abbildungen: © Panini

„Nichts ist, wie es scheint“ ließe sich natürlich als erzählerische Avantgarde, als modernes Erzählen verkaufen, aber Neal Adams gelingt es nicht, eine tiefgründige Erzählung über Unzuverlässiges Erzählen zu leisten, sondern bietet ein wildes „Und dann, und dann, und jetzt nochmal von vorn“.

Darüber hinaus gibt es verschiedene Erzählebenen: Batman als vis-a-vis-Erzähler, der zunächst direkt den Leser zu adressieren scheint, bis uns klar wird, dass er sich tatsächlich mit einer Figur innerhalb der Handlung unterhält. Und dann mehrere Vergangenheitsebenen, darunter auch Batmans vermeintlich erstes Abenteuer und seine ersten Erfahrungen mit Handfeuerwaffen. Dies wird auch eine Klammer der gesamten Story bilden, denn auch am Ende wird Batman noch einmal zur Waffe greifen.

Auf einer Odyssee, also einer Irrfahrt befindet Batman sich eigentlich nicht, denn auch über die absurdesten Zufälle wundert er sich kaum. Auf einer Irrfahrt befindet sich einzig der Leser, der orientierungslos durch 300 Seiten Chaos hastet und versucht, die undurchsichtigen Motivationen der handelnden Figuren zu verstehen, den absurden Dialogen zu folgen und Wikipedia-Artikel um -Artikel lesen muss, um die dahingeworfenen Figuren zu verstehen, denn Adams gibt sich keinerlei Mühe, sie verständlich zu machen.

Neal Adams gilt als ein Altmeister der Comic-Szene: Seine zeichnerischen Interpretationen der X-Men, von Green Lantern oder auch seine düstere Variante von Batman faszinierten die Leser über viele Jahre hinweg, und oft profitierte Adams dabei von guten Autoren wie Dennis O’Neil. Seit dem Ende der 1970er war Adams lange nur als Coverkünstler tätig und hat erst in den Nuller-Jahren wieder eine Reihe neuer Projekte aufgenommen. Darunter auch, in dreizehn Ausgaben zwischen September 2010 und Juni 2012, Batman Odyssee.

Panini wertet die Story auf der Verlagswebseite als „einsteigerfreundlich“ – unter allen möglichen Missverständnissen (flache Erde, wirksame Globuli etc.) ist dieses sicherlich das haarsträubendste. Da Adams, mutmaßlich ein besserer Zeichner als Erzähler, seine Figuren kaum einführt, ist nicht nur eine profunde Kenntnis des Batman-Kosmos‘ höchst sinnvoll, sondern auch ein Überblick über die Figuren, die Neal Adams in seiner Karriere begleitet haben, darunter etwa Deadman. So ist ihm Odyssee auch zu einer Neal-Adams-Retrospektive geraten, in der sich einige Highlights seiner Comic-Karriere manifestieren, eben auch Ra’s al Ghul, den Adams und O’Neil in Batman #232 im Jahr 1971 zum ersten Mal auftreten ließen.

Dass diese Odyssee sich nicht nur um Batman, sondern auch (oder vor allem?) um Neal Adams selbst dreht, wird am Ende deutlich, als Superman (ja, der kommt auch vor) einen Hut aufsetzt und dazu sagt: „Glaubt ihr, der kommt wieder in Mode? Ist aus einem Antiquitätenladen. Das ist ein ‚Adams-Hut‘.“

Nein, ich glaube, die große Zeit der Hüte ist vorbei.

Hüte sind out.

5von10Batman Odyssee
Panini, 2019
Text und Zeichnungen: Neal Adams
Übersetzung:
364 Seiten, Farbe, Softcover
Preis: 36 Euro
ISBN: 978-3741615504
Leseprobe

Schreibe einen Kommentar

Mit dem Abschicken dieses Formulars erklärst du dich mit unserer Datenschutzerklärung einverstanden.