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Währenddessen … (KW 6)

In der Kolumne „Währenddessen …“ zeigt die Comicgate-Redaktion, was sie sich diese Woche so zu Gemüte geführt hat.

Daniel: Letzte Woche musste das Währenddessen leider ausfallen, da ich mich in Nürnberg auf der Spielwarenmesse umgesehen hab. Ich geh da natürlich nur für die Brettspiele hin. Doch kommt man an den anderen elf Hallen kaum vorbei. Eine ist vollgestopft mit Karnevalskostümen, in einer anderen wohnen nur Teddies und der dritten bewegt sich alles ferngesteuert. Wenn man endlich in Halle 10 angekommen ist, riecht man irgendwie nach Plüsch und Plastik. Dort habe ich den ganzen Tag verbracht und mir viele Spiele zeigen lassen, die alle noch nicht erschienen sind. Was ich genau für Spiele angesehen habe, werde ich euch in den nächsten Wochen und Monaten zeigen. Wenn ihr dennoch was von mir lesen wollt, könnt ihr euch dieses große Interview in der SZ kaufen, das ich mit Brettspielerfinder Eric Lang (Game of Thrones-Kartenspiel) geführt habe. Auf welches Spiel ich mich aus Nürnberg am meisten freuen? Das erzählen euch die freundlichen Briten von Shut up and Sit down:

Christian: Derzeit lese ich Upton Sinclairs grandiosen Roman Öl von 1927. Darin geht es um den jungen Bunny, Sohn eines Ölbarons, der zwischen familiären Verpflichtungen und persönlichen Wertvorstellungen hin und hergerissen ist. Sinclair zeichnet anschaulich auf, wie der Ölboom weltweite Verflechtungen nach sich zieht. Sei es der erste Weltkrieg oder die russische Revolution, nichts bleibt ohne Folgen und wird auch für den kleine Arbeitnehmer auf dem Ölfeld spürbar. Auf einmal versteht man wieder den Antagonismus zwischen arm und reich, und auch Entwicklungen, die man heute schnell als Verschwörungstheorien abtut, werden plausibel. Alles in allem eine wertvolle, bereichernde Lektüre, zumal Upton Sinclair ein sympathischer Erzähler ist. Aber Vorsicht, Sinclair kann mit einem Mal auch auf sarkastisch und böse umschalten. Nicht umsonst heißt die Verfilmung des Buchs There will be Blood. Hart, unterhaltsam, aufklärend, außerdem hervorragend übersetzt: Öl ist eine Entdeckung wert.

Nebenbei habe ich zum ersten Mal Charlie Chaplins Modern Times (1936) im Kino gesehen, der den Kapitalismus ebenfalls sehr pointiert aufs Korn nimmt. Neben Sinclairs Roman ist dies damit schon das zweite aus dem frühen Zwanzigsten Jahrhundert stammende Zeitdokument, das auf authentische Weise das Elend der arbeitenden Bevölkerung in den Fokus rückt, nur dass Sinclairs Roman die Reportage, Chaplins Film dagegen die zugehörige Farce ist.

(BTW: Dabei war ich früher nie der große Chaplin-Fan sondern stand eher auf Stan und Ollie. Ganz wie Jesse Cuter und Cassidy in Preacher, die sich in Preacher-Heft 13 einig sind, dass nur Stan und Ollie-Fans auf echte Stories und gute Plots stehen, während bei Chaplin alles der Formel „Style-over-Content“ geopfert wird. Ausgerechnet Preacher, eine sinnfreie Kolportage, wie sie nur in den 90ern rausgehauen werden konnte und die nur funktioniert, weil Steve Dillon einen so einnehmenden Zeichenstil hat. Preacher ist doch 100% style und zero content. Macht nix, Style allein hat auch seinen Wert, aber wer Content will sollte Upton Sinclair lesen – oder Chaplin gucken, der bringt beides, Style und Content. Modern Times war für mich jedenfalls die Wiederentdeckung des Jahres, und das nicht ganz billige Ticket für die Vorführung mit Orchester war jeden Cent wert.)

Verfilmt wurde Sinclairs Roman vor einigen Jahren mit dem Titel „There will be blood“.

 


Daniel
: Du hast Superheldenkräfte? Nee, is klar. Du kannst mit deinen Gedanken die Realität verändern? Warum steckst du deine Arme nicht erstmal durch diese weißen Ärmel, die ich dann hinter deinem Rücken zusammenbinden. Dann bring ich dich in eine gepolsterte Zelle. Dort kannst du dich mit Legion unterhalten, dem Held der neuen gleichnamigen FX-Serie. Der Pilot von Legion ist reichlich abgedreht. Im Marvel-Comic-Universum ist David Haller, Legions richtiger Name, der Sohn von Charles Xavier und Gabrielle Haller. Durch seine gespaltene Persönlichkeit besitzt Legion eine schier unendlich, aber auch unkontrollierbare psychische Kraft, ein gestörtes Abbild seines Vaters. In der neuen Fernsehserie möchte David doch einfach nur aus der Klappse. Alles was er gemacht hat, ist ein bisschen Besteck fliegen zu lassen. Die Serie spielt wie X-Men First Class in den 60ern und der Anfang erinnert an eine poppig bunte Version von Einer flog über das Kuckucksnest. David ist ganz normal und gleichzeitig ist er McMurphy und „Häuptling“ Chief Bromden in einer Person. Zuschauer, die schizophrene Protagonisten gewöhnt sind, überlegen sofort, welche Figur in der Klappse nur ein Aspekt von David ist und was eigentlich real ist. In Legion zeigt Autor und Regisseur Noah Hawley (Fargo, die Serie) auf erfrischende Weise, dass man auch mit wenig Spandex und ohne Alltagsprobleme eine Geschichte über Superhelden erzählen kann. Soundtrack, Choreo und Casting sind grundsolide und machen Lust auf die zweite Folge nächste Woche.

Was habt ihr diese Woche gekauft, gesehen, gelesen, gespielt? Postet eure Bilder, Geschichten und Links einfach in die Kommentare.

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