In der Kolumne „Währenddessen …“ zeigt die Comicgate-Redaktion, was sie sich diese Woche so zu Gemüte geführt hat.
Christian: Das Lustige Taschenbuch: Micky auf Gespensterjagd enthält nicht nur die legendäre Story „Das doppelte Geheimnis des Schwarzen Phantoms“ von Romano Scarpa und Guido Martina, es findet sich darin auch die etwas obskure Geschichte „Der Schrecken des Meeres“.
Zunächst erscheint einem nicht ganz klar, weshalb die Figuren darin etwas anders auftreten als man es aus Topolino sonst so kennt, weiß man über die Hintergründe der Story aber erst mal Bescheid, wird einem schnell klar, weshalb das so ist: Anders als die meisten Geschichten des LTB ist „Der Schrecken des Meeres“ nicht original italienischer Herkunft, sondern ursprünglich eine britische Story, die von 1952 bis 1953 im britischen Mickey Mouse Weekly erschienen und erst danach von den Italienern für das Taschenbuchformat umgearbeitet worden ist. Waren diese Änderungen an sich schon drastisch, so führte die deutsche Veröffentlichung leider noch einmal zu weiteren Qualitätseinbußen.
Kürzlich hatte ich Gelegenheit, zehn Ausgaben des Mickey Mouse Weekly zu erwerben, so dass ich nun die wunderschöne britische Erzählung „The Reluctant Pirate“ von Ronald Neilson mit dem vergleichen kann, was Ehapa davon übriggelassen hat.
Neben dem deutlich schlichteren Text, dem fehlenden Lettering und der eingedampften Bildgröße sind es vor allem die leuchtenden Farben, die fehlen. Die Originalversion ist tatsächlich so brillant geraten, dass man sich davon gerne eine gebundene Neuversion mit Stoffrücken vorstellen möchte. Es würde wunderbar zu den Sammlungen (vermeintlich) verschollener Seiten passen, die Lewis Trondheim und Keramidas bereits für Mickeys Craziest Adventure und Donalds Happiest Adventures zusammengestellt haben.
Also voilà , hier sind ein paar Impressionen von der ersten der 10 verschollenen Seiten von 1953, die seither niemals mehr wieder in dieser Pracht aufgelegt worden sind:
Hier zu den relevanten Inducks-Seiten:
https://inducks.org/story.php?c=I+TL+++66-AP
https://inducks.org/story.php?c=U+MMW+642
Und jetzt zu Terry Pratchett – oder Pterry, wie nicht nur echte Pratchett-Fans ihn nennen, sondern wie auch Eega Beeva (das ist Gamma) ihn sicher genannt hätte.
Niklas: Nächste Woche ist Weihnachten, ich sollte mich also in Stimmung bringen. Schweinsgalopp (Hogfather im Original), von Terry Pratchett, ist dafür genau das richtige Buch. Der Tod (mit Kutte und Sense) springt für den Schneevater, den Weihnachtsmann der Scheibenwelt, ein, da dieser verschwunden ist. Seine Enkelin Susanne beginnt unwillig Ermittlungen, denn sie findet das Benehmen des Gevatters bedenklich und fürchtet sich davor, seinen Job zu übernehmen. Im Laufe der Handlung stößt sie auf eine groß angelegt Verschwörung, die das gesamte Gefüge der Realität bedroht.
Terry Pratchetts Bücher drehten sich bereits oft um den Glauben. Nicht nur an den Glauben an religiöse Wesenheiten, sondern zum Beispiel auch an den Glauben, dass Gesetze oder das Menschsein an sich wirklich Bedeutung besitzen. Schweinsgalopp konzentriert sich auf den Glauben, den man Kindern mitgibt und warum es wichtig für sie ist, an etwas zu glauben. Es ist eine gefährliche Welt da draußen, wie Pratchett mit Figuren wie dem Assassinen Herr Kaffeetrinken zeigt. Der ist ein ruchloser Psychopath, der etwas zu sehr auf sein Inneres Kind hört. Die Kinder müssen beschützt werden, aber man muss sie auch auf die Welt da draußen vorbereiten. Dazu ist der Glaube an den Schneevater da. Ein simples Konzept – „sei brav, sonst kriegst du keine Geschenke“ – auf dem man dann die wirklich überlebenswichtigen Regeln, wie zum Beispiel „Monster und Menschen sind oft dasselbe“ aufbauen kann.
Das alles erzählt Pratchett sehr spannend und natürlich mit viel Humor. Seitenhiebe gibt es auch reichlich. Besonders allzu christliche Geschichten, wie Hans Christian Andersens Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern, werden durch den Kakao gezogen und beißend kritisiert. Ihre Ideen und der Glaube an ihre Lehren ermuntern den Menschen dazu, die Welt zu lassen wie sie ist und froh darüber zu sein, dass es einen nicht selbst erwischt hat, anstatt aufzustehen und es besser zu machen. Denn die Feiertage sind nicht nur dazu da, sich darüber zu freuen, das Jahr überlebt zu haben, sondern sie sind immer auch ein Versprechen, dass man die Welt besser machen wird. Ausgerechnet der Tod inspiriert hierbei in seiner Rolle als Schneevater. War der Schnitter in den ersten Büchern noch ein ziemlich fieser Mistkerl, ist er jetzt großzügiger und gnädiger, und der neue Job beginnt ihm zu gefallen, obwohl er unveränderlich an seine Berufung gebunden ist. Natürlich kann er nicht alle Probleme lösen, aber trotzdem tut es mir im Herzen gut, von einer Figur zu lesen, die wirklich Gutes tut. Unter all den Witzen und der Kritik kommt trotzdem richtige Festtagsstimmung auf, in der sich die Menschen von ihrer besten Seite zeigen.
Schweinsgalopp ist vielleicht das beste Buch der gesamten Scheibenweltserie. Es ist schräg, es ist lustig, es ist traurig, es ist alles, was ein gutes Buch sein sollte. Es erinnerte an die dunklen Tage, aber auch daran, dass das Gute auch existiert, wenn der Mensch nur fest genug daran glaubt und es dann auch tut. Das perfekte Weihnachtsbuch.
Es gibt auch eine Verfilmung, die ich als ganz annehmbar in Erinnerung habe. Kann man sich ruhig mal anschauen, die Darstellerin von Susanne (Michelle Dockery) macht auf jeden Fall einen guten Job, genau wie der Darsteller Kaffeetrinkens (Marc Warren).
Was habt ihr diese Woche gekauft, gesehen, gelesen, gespielt? Postet eure Bilder, Geschichten und Links einfach in die Kommentare.