Aktuelles
Schreibe einen Kommentar

Währenddessen… (KW 49)

Jens Schumachers Krimi-Spielbuch Der tätowierte Tote verdient wirklich viel mehr Aufmerksamkeit. Und vom Spiel Ys: Lacrimosa of Dana gibt’s jetzt auch den Roman.

Christian: Der Bahnhofsbuchhandel ist diesen Winter traditionell geflutet mit Adventskalender-Krimirätselspielen aller Art. Eine Perle wie damals 2021 Jens Schumachers Du entscheidest! Der tätowierte Tote aber suche ich derzeit leider vergeblich. Das war auch damals ’21 nur eines unter vielen ähnlich designten Büchern, aber es war eben auch das einzige Questbook im Stil der alten Rollenspielbücher, und ein ziemlich kniffliges noch dazu. Da sollte man meinen, dass 300 Stationen einen nicht allzu lange beschäftigen – aber doch.

Ein Erotikverleger liegt ermordet in seiner Villa, und man kann als Spieler wahlweise in die Rolle seiner geschiedenen Ehefrau schlüpfen oder in die Rolle eines abgefuckten Privatdetektivs, der endlich sein Leben auf die Reihe kriegen möchte. Beide Spielverläufe sind zwar zu 80% identisch, unterscheiden sich aber doch an den entscheidenden Stellen sowie den erreichbaren Zielen so fundamental, dass mehrmaliges Spielen nicht nur eine reizvolle Option sondern fast schon zwingend ist. Jens Schumacher hat sich hier nicht nur eine unterhaltsame Krimihandlung mit vielen schönen Rätseln ausgedacht, er hat die beiden Plots auch noch raffiniert miteinander verschränkt, so dass sie zwar alleine bestehen können, in der Summe aber einfach erst die richtige Story erzählen – die aber natürlich erst erspielt werden muss.

Ich spiele also wahlweise die Rolle des männlichen Ayrton Lux, wenn ich scheitere, schlüpfe ich aber auch gern in die Rolle der Iris Schablonski, schon deswegen, damit bei den zahlreichen Neuanläufe keine Monotonie entsteht – und die braucht es, denn der Pfad zur richtigen Lösung ist raffinert schmal. Aber Achtung: nicht jeder Hinweis ist für beide Ermittler brauchbar und auch ist nicht jeder Hinweis für Ayrton wie Iris gleichermaßen zugänglich. Ein ganzes Wochenende habe ich gespielt, und nachdem ich immer und immer die gleichen Situationen durchlaufen musste, fing ich an, mir grafisch die Varianten aufzuzeichnen, um überhaupt vielleicht noch Möglichkeiten zu erkennen, die ich bisher übersehen haben könnte. Eine harte Nuss, die vom Härtegrad fast schon Steve Jacksons Sieben Schlangen ebenbürtig ist.

Der tätowierte Tote  ist ein clever strukturiertes Abenteuer mit viel Witz. Jens Schumacher ist ein verblüffend gewiefter Autor von Rätselkrimis, deren Lösung eben nicht offensichtlich ist. Auch die kleinen Sidequests sind unterhaltsam arrangiert, so dass es kein Ärgernis ist, wenn man doch mal den falschen Pfad nimmt. Ich habe mich seit damals 1986 mit dem Hexenmeister vom flammenden Berg nicht mehr so in ein Abenteuerspielbuch verbissen. Gut gemacht, Herr Schumacher.

Schumacher ist bisher als Autor von Krimirätseln aller Art in Erscheinung getreten und hat auch schon mal eine Episode der 1000 Abenteuer-Reihe gestaltet, von der ich eigentlich kein so großer Fan bin. Bei dem Talent, das dieser Autor besitzt, bin ich aber gewillt, doch noch mal einen zweiten Blick zu riskieren.

Niklas: Vor Jahren habe ich eine langen Text über Ys VIII: Lacrimosa of Dana geschrieben, ein JRPG, das bis Anfang August diesen Jahres mein Lieblingsspiel war (über den neuen Liebling werde ich noch schreiben). Der achte Teil dieser langlebigen Serie erzählte eine berührende Geschichte über Vergänglichkeit, die Natur, dem Platz des Menschen in der Welt und den Verbindungen die wir im Verlaufe unseres Lebens mit anderen knüpfen. Eine schöne Geschichte, die sich perfekt für das Medium Videospiel eignete.

Warum also funktioniert diese Geschichte auch als Buch? Geschrieben von der Autorin Anna Kashina, liegt seit Oktober Ys VIII: Lacrimosa of Dana als Roman vor. Kashina hält sich eng an den Plot des Spiels und behält auch einen Großteil der Action bei. Die wird natürlich gestrafft, aber Hauptfigur Adol und seine Freunde erschlagen auch in Buchform reihenweise Monster, sogar Kreaturen, für die man in anderen Welten ganze Armeen bräuchte, um sie zu verwunden.

Wer also keine 70 Stunden spielen möchte, um das Ende des Spiels zu erleben, wird hier gut bedient. Der größte Vorteil des Buches gegenüber dem Original bleibt natürlich, wie ausführlich Kashina die Psychologie ihrer Figuren schreiben kann. Dadurch gewinnen vor allem die Hauptfiguren Adol und Dana. Kashina räumt ihnen vor allem Raum ein, sich über Liebe und Sex Gedanken zu machen. Das alles bleibt sehr subtil und wird nur angedeutet, aber es ist da. Das hilft, ihnen eine greifbarere Dimension zu geben und macht aus Avataren eines Videospiels richtige Figuren mit Wünschen und Sehnsüchten.

Ys VIII: Lacrimosa of Dana ist eine gute Adaption, ein gutes Buch, und Fans der Reihe und Freunde von Abenteuergeschichten zu empfehlen. Ich persönlich fand es schön, eine Interpretation von mir geliebter Figuren zu lesen, die ihnen mehr Tiefe gab, und sah mich darin bestätigt, dass die Geschichte von Ys VIII so gut ist, dass sie auch in anderen Medien umsetzbar ist. Vielleicht kriegen wir eines Tages eine Anime- oder Mangaadaption der Geschichte. Ich würde sie sofort kaufen.

Schreibe einen Kommentar

Mit dem Abschicken dieses Formulars erklärst du dich mit unserer Datenschutzerklärung einverstanden.