In der Kolumne „Währenddessen …“ zeigt die Comicgate-Redaktion, was sie sich diese Woche so zu Gemüte geführt hat.
Stefan: Ach, diese verfluchte Reizüberflutung! Auf dem Festplattenrekorder wartet noch die dreiteilige ARTE-Reihe namens Lust am Verbrechen – Die Welt im Krimifieber. Obwohl ich Krimis nicht besonders schätze, beginnt diese Reihe recht vielversprechend. Der französische Einfluss äußert sich vermutlich darin, dass ganz selbstverständlich neben Romanen und Filmen auch über Comics gesprochen wird. So wird Blacksad als grandioser Comickrimi gelobt. Der nächste Comicbezug folgt umgehend, als erläutert wird, dass jeder Held eine Schwäche braucht, damit sich die Leser mit ihm identifizieren können. „Superman ohne Kryptonit wäre stinklangweilig“, sagt der französische Interviewpartner und ergänzt lächelnd „aber für mich ist er sowieso einer der langweiligsten Helden“.
Niklas: Two Worlds II von Reality Pump hat nicht nur einen sehr sperrigen Namen, sondern erinnert mich auch ein wenig an meinen ersten Redakteur. Ich verbinde mit ihm vor allem ein einziges Wort: Feinschliff. Wann immer ich ein Wort zuviel schrieb, wurde es gestrichen. Waren die Formulierung zu vage, musste ich es den Satz halt neu schreiben, solange bis es passte. Dank ihm wurden meine ersten Texte erst leserlich. Vielleicht hätte er bei Two Worlds II ein paar Wunder vollbringen können. Dem Spiel mangelt es nicht an guten Ideen, nur sind die nicht immer gut zu Ende gedacht. Die AI ist dumm, manchmal ist es besser einfach durchzurennen, als sich mit den Monstern anzulegen und der Hauptcharakter sieht immer wie ein Pornodarsteller aus, selbst wenn ich mir Mühe geben. Wichtige Handlungsstränge werden begonnen und nicht zu Ende geführt, die Charaktere sind mehr Abziehbilder als echte Persönlichkeiten und wann immer die Bewohner der mittelalterlichen Welt moderne Begriffe in den Mund nehmen, zerbricht die Glaubwürdigkeit der Welt. Das Writing ist schon recht trashig, aber irgendwie ist es schon wieder charmant, wie ernst sich die Geschichte insgesamt doch nimmt.
Two Worlds II mag nicht perfekt sein, aber es wurde mit Liebe gemacht. Die Entwickler haben an ihr Projekt geglaubt und das merkt man daran, wie viele Ideen das Spiel hat. Es soll geschlichen werden wie Garrett in Thief. Zaubern darf ich auch, natürlich mit Zaubersprüchen, die ich selber geschaffen habe. Sehr cool, nur bin ich da langweilig und prügele mich lieber durch. Aber meine Tränke mische ich mir immer noch aus den Einzelteilen meiner Gegnern zusammen.
Two Worlds II macht Spaß. Sei es, um sich über das Writing lustig zu machen oder weil die Begeisterung der Entwickler dann doch ansteckend ist, langweilig wird es selten. Mit dem Addon Pirates of the Flying Fortress haben die Entwickler außerdem bewiesen, dass sie auch ein rundum gelungenes Paket abliefern können. Die Handlung ist spannender, in sich geschlossen und die Quests sind besser mit der Welt verbunden. Die Texte sind auch besser geschrieben und ich musste an einigen Stellen laut auflachen, das Addon ist wirklich witzig. Ich bin trotz der Insolvenz des Publishers Topware Interactive auf den dritten Teil gespannt, der vor kurzem angekündigt wurde. Pirates of the Flying Fortress war jedenfalls eine positive Überraschung. Mein Redakteur wäre stolz gewesen. Er hat mir aber auch nie erzählt, was er vor seinem Job bei der Zeitung gemacht hat. Also wer weiß …
Niklas: Das achte Heft von Alan Moores und Jacen Burrows Providence gefiel mir dagegen nicht so sehr. Vor allem, da ich mich immer noch frage, worauf die Serie eigentlich hinaus will. Damit meine ich nicht einmal die Handlung, sondern was Moore thematisch aussagen möchte. Es geht um Lovecrafts Cthulhu-Mythos, das ist klar. Scheinbar dekonstruiert Moore auch ein paar von dessen Themen, aber was ist die Botschaft? Die Welt ist schlecht? Danke Alan, das wissen wir und du hast es uns schon oft genug erzählt. Das letzte Mal sehr ausführlich 2012 im letzten Band der Century-Trilogie, wenn ich mich recht erinnere. Da hast du die moderne Welt gerne mit einem Haufen Exkremente verglichen. Irgendwie passend, dass du Providence dem Werk eines Menschen widmest, der zu seiner Zeit auch nur Verachtung für die Moderne übrig hatte.
Was ich dem Briten aber immer noch lassen muss ist, dass er sein Handwerk weiterhin versteht. Ohne zu viel verraten zu wollen, aber Heft acht gelingt es, mithilfe eines einfachen Tricks, einen völlig neuen Kontext zwischen geschriebenen Text und den Bildern zu erzeugen. Das soll wohl Unruhe erzeugen und passt zu einem Horrorcomic, selbst wenn Lovecrafts Schreibe mich nie gruselte. Auf jeden Fall ist es ein raffinierter Trick und Jacen Burrows scheint mit jedem Heft besser zu werden. Mir fällt zumindest niemand ein, der Moores hässliche Welt so plastisch darstellen könnte. Vor allem wenn es dann doch mal explizit wird und der Leser mal wieder mehr vom (un-)menschlichen Körper sieht, als ihm vielleicht lieb ist. Ich ahne Schlimmes, aber ich werde weiterlesen. Vielleicht versteh ich dann auch endlich was Moore sagen möchte. Dann aber bitte erst, wenn es schon zu spät ist, wenn wir schon auf den Pfaden des Mannes aus Providence wandeln.
Christian: Eigentlich erfüllt die Neuauflage der Einsamer Wolf-Rollenspielbuchserie durch den Mantikore-Verlag alle Fanwünsche, da es eben nicht einfach nur Neuauflagen der Bücher aus den 80er Jahren sind: Jedes Buch enthält neben der klassischen Quest auch ein stimmiges Bonusabenteuer, das mit einer Nebenfigur der Hauptgeschichte zu spielen ist. So wird das Wiederentdecken dieser klassischen Questbuch-Reihe von Joe Dever außerordentlich reizvoll (auch wenn ich den alten Illustrator Gary Chalk vermisse). Die Bücher sind zwar nicht ganz so raffiniert wie die besten Fighting Fantasy-Books von Steve Jackson und Ian Livingstone, aber die übergeordnete Rahmenhandlung und die fantasievollen Reisen fesseln – und das durchdachte und sehr effiziente Regelsystem gefällt mir sogar besser als bei Jackson und Livingstone.
Etwas störend ist allerdings der neue Look der Landkarten, die am Anfang jeden Buchs zu finden ist. Zu düster ist die Computerkolorierung, so dass beim Anblick der Karten keine rechte Reiselust aufkommen mag. Aber inzwischen gibt es Abhilfe, denn eine großformatige Karte in schönen, flächigen Farben, die sämtliche Schauplätze der Reihe enthält, wurde nachgereicht. Die sehr schön illustrierte Kartonmappe mit DIN A1-Karte (Künstler: Francesco Mattioli) ist mit 19,99€ zwar nicht gerade billig, für einen Fan, der endlich mit einer schönen Landkarte die Reisen des Einsamen Wolfs durchspielen möchte, ist es aber eine schon fast zwingende Anschaffung. Die Rückseite der Karte ist dicht mit Informationen über die Nationen und Reiche des Kontinents bedruckt, doch bin ich nicht Rollenspieler genug, dass ich mich damit auseinandersetzen möchte. Die schöne Karte reicht mir völlig.
Stefan: Amazon Prime hat eine hochkarätig besetzte elfteilige Doku über Heavy Metal am Start. Metal Evolution lässt Kulturwissenschaftler und Musiker von Anthrax über Faith no more zu Guns n‘ Roses u.v.m. über Nu Metal, Grunge Thrash usw. sprechen. Da die Zeit von knapp 50 Minuten für ein ganzes Genre extrem knapp ist, kratzt diese Serie zwar nur an der Oberfläche, aber dank der Originalsongs und dem Besuch der legendären Schauplätze, etwa in Los Angeles oder in der Bay Area von San Francisco, in der Metallica und viele weitere die Musikwelt veränderten, ist jede Minute dieser Sendung ein Fest für Metalheads. Anders als manche weichgespülte US-Dokus wird hier erfreulicherweise auch nicht alles pauschal gelobt. So beginnt der Moderator seine Beiträge über Nu-Metal Bands wie Linkin Park oder Hairspray-Metal wie Mötley Crüe damit, seine Skepsis zu äußern. Gerade die 1980er-Bands wie Quiet Riot und die Jungs um Tommy Lee von der Crüe wirken nach dieser Sendung ziemlich gut porträtiert: musikalisch nicht annähernd so substantiell wie Slayer oder Led Zeppelin, aber grundsätzlich gutmütige, sympathische Typen mit mehr Leidenschaft für Musik, als ihnen die Spötter von damals zugetraut hätten. Und was hat all das nun mit Comics zu tun? Für einige Musiker boten Comics neue Betätigungsfelder, von Poison über KISS zu Rob Zombie lässt sich eine lange Liste von Musikern mit eigenen Comics erstellen. Darüber hinaus bieten diese comichaften Rockstar-Figuren Inspiration, etwa für den sehr empfehlenswerten deutschen Comic Roxanne & George von Carolin Walch, dessen Helden doch sehr einem berühmten Gitarristen mit Hut und einem etwas verpeilten Briten hat, der schon mal Fledermäusen den Kopf abbeißt.
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