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Währenddessen… (KW 13)

In der Kolumne „Währenddessen …“ zeigt die Comicgate-Redaktion, was sie sich diese Woche so zu Gemüte geführt hat.

Christian: Irgendwann ist es sicher wieder salonfähig, Heavy Metal-Fan zu sein. Die Zeichen für Metal-Heads stehen jedenfalls gut: Ständig kommen neue, kleine Filmchen über Metal-Musiker an den Start, seien es fröhliche Happy-Metal-Filme wie Heavy Trip oder eben Happy Metal, aber auch deren düstere Gegenentwürfe wie Lords of Chaos oder Metalhead. Während ich gespannt wie ein Flitzebogen auf das Black Metal-Drama Lords of Chaos warte, habe ich mir kürzlich Metalhead angesehen, einen kleinen isländischen Film über eine junge Frau, die sich nach dem schrecklichen Tod ihres geliebten Bruders (Skalpierunfall am landwirtschaftlichen Gerät) über mehrere Jahre hinweg völlig zurückzieht und Heavy Metal als emotionale Krücke nutzt, um überleben zu können. Sie versteigt sich dabei mehr und mehr in eine selbstgerechte Haltung – „Was wissen die anderen schon über meinen Schmerz?“ – und attackiert die in ihren Augen verlogene Gesellschaft, indem sie beispielsweise Schlachthoftiere befreit oder die Kühe des väterlichen Betriebs auf die Straße jagt – die dann allerdings nicht fröhlich in die isländischen Berge flüchten, sondern doch viel lieber in den Stall zurückwollen, um die prallen Euter gemolken zu kriegen. Die Eltern wissen nicht mehr aus noch ein, was sie mit der inzwischen 20jährigen Tochter anstellen sollen, während diese derweil stoisch an ihrem Demo-Tape bastelt und den Hoftieren immer wieder ein Ständchen gibt. Nur der neue, junge Dorfpfarrer kann kurzfristig das Eis brechen, als der ihr sein Iron Maiden-Tattoo zeigt und ihr von seiner Begeisterung für die Band Venom erzählt. Aber dann sieht sie in den Nachrichten, dass durchgeknallte Black Metal-Musiker in Skandinavien Kirchen anzünden, und schon ist sie wieder Feuer und Flamme für alles, was normale Menschen ablehnen.

Der Grat zwischen aggressiv und autoaggressiv ist schmal in Metalhead, und es ist ziemlich eindeutig einer der berührendsten Filme, die ich in letzter Zeit sehen durfte. Der Soundtrack ist eine gelungene Mischung von Oldschool-Metal a la Judas Priest und viel härteren, teils für den Film komponierten Stücken, die immer auch die momentane Gefühlslage der Hauptfigur transportieren. Sehr schön geraten ist das positive, optimistische Ende des Films, das die Liebe zur düsteren Musik nicht verrät, sondern integriert in ein holpriges, aber gelungenes rebellisches Leben. So viel Optimismus kann man von Lords of Chaos, der im April auf DVD erscheinen wird, wohl eher nicht erwarten.

Niklas: Den dritten Teil meines Rückblicks auf Terry Pratchetts Werk möchte  ich seinem Jugendroman Dodger widmen. Dodger war eine Nebenfigur in Charles Dickens Oliver Twist, der sich diesem Parallelluniversum als Tosher (eine Art Schatzsucher in der Londoner Kanalisation) durchschlägt, bis er eines Tages ein Mädchen vor zwei Schlägern rettet. Das ist nur der Beginn eines großen Abenteuers, in dessen Verlauf der Straßenjunge über sich hinauswächst und am Ende sein Glück finden wird, was nicht zu viel verrät. Denn Dodger ist im Kern ein klassisches Jugendbuch, dafür aber ein sehr gutes!

Pratchett erzählt eine geradlinige Geschichte, in der gute Taten mit positiven Konsequenzen belohnt werden. Dodger ist der beste Beweis dafür, denn wann immer er jemanden in der Vergangenheit half, stehen  ihm nun in der Gegenwart seine Mitmenschen zur Seite. Komplexer wird es allerdings zum Ende der Geschichte hin, wenn Dodger sich überlegt, ob eine schlechte Tat von hundert guten ausgeglichen wird. Ist es denn überhaupt eine schlechte Tat, wenn man gute Absichten damit verfolgt? Diese Fragen stellen sich die Charaktere jedoch nicht voller Verbitterung, sondern mit solch freundlicher Aufrichtigkeit, dass man sie einfach ins Herz schließt. Wo in anderen Büchern Pratchetts der Mensch als dumm und fehlbar dargestellt wird, ist er in Dodger im Grunde ganz anständig, was aber auch wieder zu Problemen führt. Zum Glück gibt es ja unseren bauernschlauen Jungen von der Straße, der immer eine Lösung findet.

Der Humor Dodgers ist auch weniger beißend als in anderen Büchern Pratchetts. Zwar wird sich sehr ironisch über die viktorianische Ideen von Anstand und Höflichkeit amüsiert, aber es fühlt sich nie wie eine bittere Anklage an, wie zum Beispiel im Roman Maurice der Kater, der vor allem den menschlichen Hang zur Grausamkeit thematisierte. Wenn überhaupt, werden die Witze dazu genutzt, Neugierde für die Welt zu wecken und Leser*innen dazu zu motivieren, etwas aus sich zu machen. Fairerweise unterschlägt Pratchett auch nicht, dass der Großteil der viktorianischen Bevölkerung arm war und dass es harte Arbeit war, einigermaßen anständig zu bleiben, wenn jeden Tag der Hungertod drohte.

Dodger glaubt an das Talent und den starken Willen der jungen Generation. Während der junge Oliver Twist durch göttliche Fügung sein Glück fand, erarbeitet sich Dodger seinen Aufstieg durch den Einsatz seiner Talente. Er ist kein passiver Zuschauer des Geschehens und verändert sich auch nicht durch den Kontakt mit der höheren Schicht. Er ist am Ende immer noch Dodger und als Dodger wird er glücklich.

Dieser positive Blick auf das Leben macht Dodger für mich lesenswert. Es läuft nicht immer alles gut oder so wie man es plant, aber dieses Buch inspiriert dazu, wieder aufzustehen, weiterzumachen und die Person zu bleiben, die man ist. Ob es sich lohnen wird, weiß niemand, aber man sollte es zumindest versuchen. Dodger lässt mich hoffen.

Danke dafür, Pterry.

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