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Währenddessen… (KW 10)

In der Kolumne „Währenddessen …“ zeigt die Comicgate-Redaktion, was sie sich diese Woche so zu Gemüte geführt hat.

Christian: Vielleicht ist es Nostalgie, aber der James-Bond-Film „A view to a kill“ ist mir einer der liebsten Bond-Filme – und das trotz der vielen Bullshit-Actionszenen in den ersten 20 Minuten (Willi Bogner-Skifahrerstunts; Autos, die immer fein säuberlich an Sollbruchstellen auseinanderfallen; das unvermeidliche Autofahren auf zwei Rädern im 45°-Neigungswinkel usw. – einfach gruselig). Aber obwohl sich im Kino seit den 1980ern viel getan hat, Bullshit-Action gibt es immer noch.

Jüngstes Beispiel der Black-Panther-Film von 2018. Kein schlechter Film, vor allem aber ein Film, der wie im klassischen James Bond gelungene Action und Bullshit-Action vereint, als würde der Regisseur den Unterschied nicht kennen. Bullshit ist zum Beispiel die komplette Autoverfolgungsjagd in Südkorea, in der die Supies von Auto zu Auto hüpfen und diese entweder mit ihren Krallen wie Sardinenbüchsen aufschlitzen oder mit High-Tech-Speeren und Dropkicks gleich zum Überschlag bringen. Kein Plan, was da abgeht, tut eh nichts zur Handlung – weckt mich, wenn’s vorbei ist. Dass es auch anders geht, zeigen die Zweikämpfe um die wakandanische Königswürde, in der die Figuren ohne Superkräfte gegeneinander antreten müssen. Die beste Sequenz ist aber die Actionszene im koreanischen Spielcasino, die ohne Schnitt inszeniert wurde und gerade deshalb nicht schneller ist, als der Zuschauer folgen kann. Das gefällt dann auch dem Brian dePalma-Fan in mir. Da ging mir tatsächlich kurz die Kinnlade runter.

Irgendwie werden die Superheldenfilme repetitiv, gibt es doch inzwischen fast keine Interessengemeinschaft, die nicht irgendwo hinter den Wolken, getarnt durch Trugbilder, ihre eigene utopische Superstadt hat (Frauen auf Wonder Womans Insel, People of Color in Wakanda, Neuheiden in Asgard). Mir gefällt diese Verklärung einer mythischen Vergangenheit überhaupt nicht, und dass diese in Superheldenfilmen nicht mythisch, sondern real existierend ist, macht den Schmäh nicht besser. Von einem ähnlichen mythischen Land wie Wakanda handelt übrigens Frank Capras Film In den Fesseln von Shangri-La von 1937, das von einem verborgenen Zauberland im Himalaya handelt, in dem die Menschen keine Krankheit kennen und jung bleiben dürfen. Capras Film hat bereits ähnliche ethische Konflikte formuliert wie nun der Black-Panther-Film, aber weniger aufgeblasen. Der Film war damals enorm einflussreich und wurde unter anderem auch von Carl Barks und Don Rosa aufgegriffen. In den 1980er Jahren hat Howard Chaykin den Shangri-La-Mythos für seinen superironischen Shadow-Zyklus wider aufleben lassen, um den klassischen Shadow mit den Heilkräften von Shangri-La fit für die Gegenwart zu machen.

Nichts gegen Marvel-Filme, aber für jeden, der mal Lust hat, einen geradlinigen Actionfilm ohne jeglichen CGI-Kram anzusehen, empfehle ich meine jüngste Entdeckung, die BluRay des 1973er-Films Der Mafiaboss mit Mario Adorf. Unglaublich, wie fit der alte Bellheim damals war. Den ganzen Film über rennt er und prügelt er sich atemlos durch, dass man seinen Augen nicht traut. Das ist physisches Achtionkino, das die Marvelstudios schon deswegen niemals errreichen werden, weil bei ihnen die Figuren schneller und härter als der normale Mensch kämpfen müssen. Tja, selbst ein Bein gestellt. Macht ihr nur weiter eure sterilen Superheldenfilmchen. Kino für echte Typen findet sich woanders zum Glück immer noch reichlich.

Niklas: Meinen ersten Lieblingsautor entdeckte ich 2002. Sein Name? William King, Autor von Romanen, die in der Welt des Tabletop-Rollenspiels Warhammer spielen. Unter anderem schrieb er die Terrarch-Chronicles, eine interessante Fantasy-Tetralogie in einer Welt, die ich als Elisabethanisches England mit auf Drachen reitenden Elfen beschreiben würde, deren Name Terrarch lautet. Diese Elfen sind ein rassistischer Haufen adeliger Schnösel, die sich für die Auserwählten Gottes halten und dank interner Streitigkeiten ihr gewaltiges Imperium einst in zwei Hälften spalteten. Jetzt droht ein weiterer Bürgerkrieg, der die Erweckung finsterer Mächte zur Folge hat. Zwischen den Stühlen stehen der Halb-Terrarch Rik und der Terrarch-Offizier Sardec, denen es beiden vorherbestimmt zu sein scheint, an vorderster Front gegen die Finsternis zu kämpfen.

Das große Thema der Terrarch-Chronicles ist Macht und die Frage nach dem Bösen. Niemand in dieser Welt, sei er nun Mensch, Terrarch oder Schlangenmensch, wird böse geboren. Stattdessen ist das Böse eine bewusste Wahl. Vor den Verlockungen der Macht ist keiner sicher, vor allem nicht Rik, der zu Beginn der Handlung ein verbitterter, junger Mann voller Misstrauen ist. Kommt ihm jemand zu nah, verjagt er ihn, aus Angst verletzt zu werden und wird dadurch noch bitterer. Dieser Teufelskreis frisst ihn langsam auf, sodass er nur minimal besser ist als seine Gegenspieler, die ihre eigenen, deprimierenden Gründe haben, weswegen sie ihre Allmachtsphantasien ausleben.

Die Armen wollen an die Macht, um die Reichen zu stürzen, die Reichen unterdrücken die Armen, weil sie sich vor ihnen fürchten. Zu Recht? Darüber denken die konservativen Elemente der oberen Ränge nicht nach und werden im Verlauf der Geschichten immer verzweifelter, während zumindest einige Terrarch die Zeichen der Zeit erkennen und sich für Reformen einsetzen, die auch Menschen die Teilhabe ermöglichen. Daraus werden sich wieder neue Hierarchien ergeben, die erneut auf die Unterdrückung anderer hinauslaufen wird. Dieser ewige Kampf mit dem eigenen Misstrauen und Minderwertigkeitskomplexen macht die Figuren der Terrarch-Chronicles zu tragischen Gestalten, aber auch greifbar und realistisch.

Natürlich wird auch gelacht und sich gefreut, aber trotzdem schwingt diese negative und zynische Haltung gegenüber den Mächtigen stets mit. Unter all dem Zynismus verbirgt sich aber ein großes  und mitfühlendes Herz, das zu Gleichheit und Liebe aufruft – selbst eigensüchtige Figuren erweisen sich als fähig zu guten Taten, wenn die Umstände sie dazu zwingen. Zumindest glauben sie, dass sie dazu gezwungen werden, denn am Ende ist auch das Gute eine Wahl. Selbst diese düstere Welt birgt demnach Hoffnung auf ein besseres Morgen.

Die Bücher kann man inzwischen als Ebooks kaufen. Die ersten drei Bände wurden ins Deutsche übersetzt, ich rate aber von deren Kauf ab. Die Übersetzung ist zwar solide, aber die Übersetzer wiederholen hier und da bereits erwähnte Fakten, um die Bücher von 300-350 Seiten auf mindestens 500 zu strecken. Das muss nicht sein. Die Bücher wurden in einem geradlinigen, klaren Stil verfasst, der einfach zu verstehen ist. Negativ aufgefallen sind mir diverse Lektoratsmängel, die eigentlich nichts in Büchern zu suchen haben, die seit acht Jahren angeboten werden.

 Was habt ihr diese Woche gekauft, gesehen, gelesen, gespielt? Postet eure Bilder, Geschichten und Links einfach in die Kommentare.

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