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Links der Woche 6/16: Plagiat und Paranoia

Diese Woche in unserer Netzschau: Jemand schreibt von einem Manga ab, Deadpool bringt eine neue Geschmacksrichtung ins Superheldenkino und wieder einmal haben Tugendwächter einen Comic auf dem Kieker.

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Abschreiben lohnt sich nicht
Buchreport
Eine Plagiatsaffäre, die indirekt mit Comics zu tun hat: Im neuen, als E-Book selbst veröffentlichten Roman Boys Next Door von Hannah N. Heilmeyer (alias Hannah Ben) wurden größere Passagen entdeckt, die mit dem (fast gleichnamigen!) Manga Boy’s Next Door von Kaori Yuki übereinstimmen. Der ist ausgerechnet beim Carlsen Verlag erschienen, der mit Hannah Ben einen Vertrag über eine E-Book-Trilogie beim Label „Impress“ abgeschlossen hat. Dieser Vertrag wurde nun vom Verlag aufgehoben. Ein paar mehr Hintergründe dazu gibt es in dem Artikel „Publish oder perish: Ein weiteres Plagiat wurde aufgedeckt“ bei Tintenfeder.

CIB-Podcast #1: Vorstellung
ComicInvasionBerlin, Lara und Carlos
Am 16. und 17. April findet wieder das Berliner Indie-Comicfestival im Urban Spree statt. Die CIB hat sich inzwischen als wichtiger Termin für die lokale Szene etabliert und wird von etlichen Satellitenausstellungen und Aktionen (wie einem Comicwettbewerb oder Workshops mit Flüchtlingen) umrahmt. Mitveranstalter Marc Seestaedt erzählt im ersten von mehreren geplanten Podcasts davon, wie das Festival entstanden und was in diesem Jahr geplant ist (MP3, 46 Minuten).

Die Angst vor der Aufklärung
Augenzeugen-Blog, David Schraven
David Schraven, Autor des Reportage-Comics Weisse Wölfe über Rechtsterrorismus, berichtet davon, wie er und Zeichner Jan Feindt Partner für ihr Projekt suchten und überall auf Ängste stießen: in Buchverlagen, bei Tageszeitungen und bei Galerien. Der Artikel erschien auf einem Blog der Journalistengewerkschaft DJV, das sich gegen rechte Angriffe auf die Pressefreiheit richtet.

ICOM Independent-Comic-Preisverleihung 2016
Interessenverband Comic e.V.
Wie in jedem Jahr vergibt der Interessenverband Comic (ICOM) wieder seinen Independent Comic Preis für Comics, die im Jahr 2015 in Klein- oder Eigenverlagen erschienen sind. In diesem Jahr gibt es eine neue Kategorie, deren Preisgeld von 500 Euro vom ICOM-Mitglied Charly Eiselt gestiftet wurde. Nur eingereichte Comics können ausgezeichnet werden, der Einsendeschluss ist am 15. März. (Offenlegung: Ich gehöre zur vierköpfigen Jury dieses Preises.)

Deadpool ist erst der Anfang des pubertären Superheldenkinos
Real Virtuality, Alexander Matzkeit
Letzten Donnerstag kam mit Deadpool die erste von etlichen Comicverfilmungen in diesem Jahr ins Kino. Stellvertretend für die vielen Rezensionen, die sich teils recht kontrovers mit dem Film beschäftigen, sei hier ein Text von Blogger Alex Matzkeit verlinkt. Er sortiert das bisherige Superheldenkino in zwei Schulen ein und erkennt in Deadpool nun den Beginn einer dritten Strömung, die nicht mehr möglichst realistisch und erwachsen, sondern cool und extrem sein will: „Der Stinkefinger im Kino“.

Paranoide Sprechblasen – Kleine Kulturgeschichte des Comics
Spex, Georg Seeßlen
In einem Essay im Magazin Spex beschreibt Georg Seeßlen die (US-) Comicgeschichte als Geschichte der paranoiden Erzählungen – und deren Zähmungen. Diese Geschichte gipfelt für ihn in der Figur des Deadpool: „Durch seinen Rücksturz in die anarchisch-paranoide Frühzeit des Comics offenbart Deadpool die Tatsache, dass sämtliche Zähmungs- und Heilungsversuche in der Comicgeschichte gescheitert sind.“

Eine Frage der Farbgebung? Oder aber: Wie bunt ist das Meer?
picti mundi
Eine interessante Variante des „close reading“: Dieser Text pickt sich vier Seiten aus dem Comic Ein Ozean der Liebe von Wilfrid Lupano und Grégory Panaccione (Splitter Verlag) und untersucht deren Farbgebung und ihre Wirkung.

FREE Comix Creatrix Guide Now Available on SEQUENTIAL
Sequential
Zur Zeit findet im House of Illustration in London die große Ausstellung „Comix Creatrix“ statt, in der 100 weibliche Comiczeichnerinnen vorgestellt werden. Beim britischen Digitalcomic-Anbieter Sequential gibt es dazu einen 150-seitigen Begleitband zum kostenfreien Download (leider nur für Apple-Geräte verfügbar).

Framed! Meet the creators shaking up modern comics
The Guardian, Andrew Harrison
Dieser Artikel aus der britischen Zeitung The Observer beschreibt die aktuelle „New Wave“ im amerikanischen Mainstreamcomic, die von Brian K. Vaughans Erfolgsserie Saga angeführt wird. Das Themenspektrum wird breiter, neue Zielgruppen werden erreicht, das ewige Superhelden-Einerlei wird aufgemischt: „The world of comics in 2016 resembles the music business in 1977-1980, when agile indie labels such as Rough Trade and Factory outmanoeuvred the major record companies and the majors were forced to respond.“ Als Bonus zum Artikel gibt es eine Empfehlungsliste und Kurzinterviews mit ein paar VertreterInnen dieser „neuen Welle“.

14 Graphic Novels and Comics Every Twentysomething Woman Should Read
Cosmopolitan, Meave Gallagher
Auch das altehrwürdige Hochglanzblatt Cosmopolitan hat die Comics entdeckt und empfiehlt ihren Leserinnen eine Auswahl, die der des Observers nicht ganz unähnlich ist.

Florida Schools Panic About Tamakis’ ‘This One Summer’
Comics Alliance, Elle Collins
Immer wieder kommt es in den USA dazu, dass sich besorgte Eltern und skandalwütige Medien melden, wenn Kinder aus Schulbibliotheken Comics mitbringen, die für ihr Alter vielleicht nicht geeignet sind. Diesmal trifft es das preisgekrönte This One Summer (Ein Sommer am See) von Jillian und Mariko Tamaki. Die Mutter einer Neunjährigen aus Florida befand das Buch, das ihre Tochter ausgeliehen hatte, als unpassend für ihr Alter und meldete es bei der Schule. Soweit in Ordnung, denn der Comic richtet sich nicht an Grundschüler und wird vom Verlag selbst mit einer Altersempfehlung „ab 12“ angeboten. Dass allerdings der lokale TV-Sender behauptet, das Buch sei „filled with obscenities and sexual situations“ und sich gleich auf die Suche begibt, in welchen Schulen das obszöne Machwerk noch steht, zeugt einmal mehr von Hysterie. Auch aus Highschool-Bibliotheken soll das Buch mittlerweile entfernt worden sein. Ein spezielles Problem bei This One Summer liegt darin, dass es auf der Auswahlliste für den Kinder- und Jugendbuchpreis „Caldecott Medal“ stand, der üblicherweise an Bücher für eine jüngere Zielgruppe geht. Für viele Schulbibliotheken diente das wohl als Anschaffungsargument, ohne genauer darauf zu achten, für welche Altersgruppe das Buch eigentlich gedacht ist.

Best Graphic Novels of 2015: An International Perspective
Paul Gravett
Es ist schon Tradition, dass der englische Comicjournalist Paul Gravett seine internationalen Kontakte spielen lässt und Kollegen aus aller Welt die besten Comics aus ihrer jeweiligen Heimat vorstellen lässt. Für den deutschen Sprachraum hat Christian Gasser für das abgelaufene Jahr die beiden Sammelalben mit den Zeitungsstrips von Flix (Schöne Töchter) und Mawil (The Singles Collection) ausgewählt.

The TCJ 2015 Year-in-Review Spectacufuck: Part I
The Comics Journal, Abhay Khosla
Wer viel Zeit hat, Englisch versteht und ein Herz für spitze Polemik hat, sollte diesen vierteiligen, etwas anderen Jahresrückblick nicht verpassen. Abhay Khosla giftspritzt sich mit Wucht und spürbarer Freude chronologisch durch das Jahr 2015 und rekapituliert all die Aufregerthemen, mit denen sich die Comicgemeinde im Netz beschäftigt hat. Die Lektion daraus: Die Comicindustrie ist ein großer Kindergarten.

3 Kommentare

  1. Lars Sudmann sagt:

    Wenn „Deadpool“ der Anfang des pubertären Superheldenkinos ist, muss ich die Verfilmungen von Kick-Ass und Super schlicht erträumt haben.

    1. Thomas sagt:

      Bei „Kick-Ass“ würde ich dir absolut recht geben. Bei „Super“ sieht’s anders aus, der nimmt in der zweiten Hälfte einen Dreh, den ich nicht unbedingt als pubertär bezeichnen würde.

      Bei der Gelegenheit hie gleich mal die Links aus unserem Archiv zu diesen beiden Filmen:

      Super – Shut Up Crime!
      Mostly Harmless? Mark Millars „Kick-Ass“: kein Geniestreich, sondern pubertäre Machtphantasie

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