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Da wird sich nie was ändern!

Da wird sich nie was ändern! ist ein weiterer Beitrag zum Subgenre des Wendecomics. Der Zeichenstil der Comicdebütantin Ulla Loge ist dabei dem von Mawil nicht unähnlich, dessen viel beachtetes Kinderland ebenfalls in der späten DDR spielte. Bei aller stilistischen Verwandtschaft wirkt Ulla Loges Comicdebut aber eher wie das kratzbürstige Gegenstück zu Kinderland. Das ist ein Glücksfall, denn es erweitert den Blick, wenn man die beiden Comics parallel liest.

Cover

Alle Bilder © Ulla Loge/Jaja-Verlag

Man merkt der Erzählung an, dass Ulla Loge studierte Drehbuchautorin ist. Die Geschichte beginnt mit einer kurzen Abfolge scheinbar unabhängig zueinander stehender Szenen, die jeweils eine Figur vorstellen, was der klassischen Exposition eines jeden Ensemblestücks sehr nahekommt. Den Szenen ist jeweils der Name der gerade im Focus stehenden Figur vorangestellt, was ebenfalls ein sehr häufig im Film verwendetes – vor allem durch Quentin Tarantino wieder salonfähig gewordenes – Stilmittel ist.

Die Texte sind im Gegensatz dazu weit weniger filmisch. Keine geschliffenen Dialoge, nur das Nötigste wird über die Sprechblasen vermittelt. Charakterisierung findet über die Dialoge kaum statt, sie passiert in der Zuordnung der Figuren zu den jeweiligen Milieus. Und da hat Ulla Loge hervorragende Arbeit geleistet, denn die Figuren kommen aus einem breiten gesellschaftlichen Spektrum.

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Am deutlichsten zum Sympathieträger geeignet ist dabei die Figur der rebellischen Karla, die eine subversive Wandzeitung an ihrer Schule gestaltet. Dazu dienen ihr selbst gemachte Fotos, die die Stimmung der DDR 1989 kurz vor der Wende offenlegen, garniert mit dem titelgebenden Spruch „Da wird sich nie was ändern“. Allerdings bleibt dieser kleine Aufstand Episode. Ihre parteitreuen Eltern verhandeln die Zukunft des Mädchens hinter ihrem Rücken mit der Schulleitung, das Engagement wird als fehlgeleitete Geschmacksverirrung abgetan. Aber immerhin, die Geste zählt – und die Wende kommt glücklicherweise, bevor Karla vom System verbogen werden kann.

Ein Arbeiterpärchen, ein neunjähriges Mädchen, das gerne zaubern möchte, Parteifunktionäre, eine Gruppe von Friedenskreis-Engagierten und ein Stasi-Spitzel, der den Friedenskreis unterwandert, komplettieren den Band und bilden ein repräsentatives Bild der Epoche. Es ist schon bewundernswert, wie Ulla Loge mit ihren reduzierten Mitteln und den wenigen Seiten, die ihr zur Verfügung stehen, ein derart dicht gewobenes Netz entwirft. Dazu kommt, dass sie seitenlang nahezu nichts passieren lässt und nur den drögen Alltag vor unseren Augen ausbreitet. Trotzdem destilliert sich zwischen den Leerstellen eine sehr aufschlussreiche und kluge Story heraus.

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In Da wird sich nie was ändern! wirkt nahezu alles authentisch: Die Kleidung, die Frisuren, die Typen und die Lethargie nahezu aller Beteiligten. Ulla Loge wertet und kommentiert nicht. Auch der schmierige Stasi-Spitzel wird nicht verurteilt, doch gerade an seinem Beispiel sieht man deutlich, wie das herrschende Klima jeden Einzelnen, egal welcher Klasse zugehörig, in die Isolation treibt. Das gilt für Täter wie Opfer.

Ganz im Gegensatz zu Mawils Kinderland, das die DDR aus Kinderperspektive zeigt, ist Da wird sich nie was ändern! durch und durch politisch. Während aber Kinderland seinen Künstler in stilsicherer Vollendung zeigt, wirken Ulla Loges Zeichnungen nervös und ungeschliffen, was den Reiz des Comics aber eher noch erhöht. Es lässt die Erzählung dreckiger und wahrhaftiger erscheinen.

4Ein bisschen wirkt diese Art zu erzählen auf mich wie Lyrik: Auf der einen Seite gibt es nur einen rudimentären Plot und bis aufs Gerüst reduzierte Dialoge, gleichzeitig aber sind die Bilder und Szenen akzentuiert und ausdruckstark. Dieser lyrische Eindruck wird durch die Vielzahl onomatopoetischer Wörter noch verstärkt, die gleichwertig neben den knappen Dialogen stehen. Seitenweise „Ziiiep, ziiiep, rattel, rattel, rattel, klirr, klirr“, das hat schon was von konkreter Poesie. Zuletzt sah man das in dieser Form in Ulli Lusts überragender Adaption des Romans Flughunde. Bei aller Künstlichkeit muss man einfach attestieren, dass auch dieses Stilmittel hier gewinnbringend eingesetzt wird.

Eine echte Indie-Perle. Roh, ungeschliffen und voller Erzählfreude.

Da wird sich nie was ändern!8von10
Jaja Verlag, 2015
Text und Zeichnungen: Ulla Loge
164 Seiten, schwarz-weiß, Softcover
Preis: 18 Euro
ISBN: 978-3-943417-72-2
Leseprobe

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